11
Aug
2006

Anna und der Prinz

Anna war das, was man gemeinhin eine patente Frau nannte. Groß, kräftig, ein wenig zu füllig und praktisch in ihren Taten und Worten. In ihrem Beruf als Kamerafrau kamen ihr diese Eigenschaften zu Gute. Es war nicht einfach gewesen sich durchzusetzen und manchmal hatte sie den Verdacht, dass sie in dieser „Nach-wie-vor-Männerdomäne“ nur deswegen so akzeptiert wurde, weil sie eben nicht sonderlich weiblich war. Das war vielleicht auch der Grund, warum sie seit zwei Jahren und drei Monaten Single war. Zumindest erklärte ihre Freundin das immer so. Die hatte ihr auch eine Zeitlang eingeredet, sich die Haare wachsen zu lassen und war auch für den langen Rock und das Kleid in Annas Kasten maßgeblich mitverantwortlich. Es war nicht so, dass Anna keinen Sex hatte. Von Zeit zu Zeit schlief sie mit jemandem: einem Kollegen oder wie vor zwei Wochen mit Peter, ihrem Ex. Ihre Beziehung war damals nicht im Streit auseinander gegangen. Peter war dicklich und träge – irgendwann war sie es müde geworden, sein Leben für ihn aufzubereiten und hatte ihn verlassen. Losgeworden war sie ihn nie. Manchmal, wenn einer von ihnen Liebeskummer hatte, tranken sie miteinander und gingen miteinander ins Bett. Es war unaufregende Abende, die meist in ihrer Wohnung stattfanden und damit endeten, dass Peter bei Anna übernachten wollte und sie ihn raus warf. So plätscherte ihr Leben dahin.

Sie war sich bis heute nicht sicher, warum ihr der Prinz zugeteilt worden war. Sie vermutete eine Bosheit ihres Vorgesetzten, wusste aber nicht, ob diese gegen sie oder Ali gerichtet war. Ali war ihr neuer Kameraassistent. Als er ihr vorgestellt wurde, erschrak sie fast, so hübsch war er. Kleiner als sie, blond gelockt, dunkle Augen, ein eher feiner aber doch wohlproportionierter Körper – einfach hübsch. Er wirkte so sauber. Wie frisch gebadet, erzählte sie ihrer Freundin. Sie war von Anfang an fasziniert von ihm. Und doch verspürte sie vorerst keinerlei Begehren oder Geilheit, sie war nur angetan von seiner freundlichen, offenen Art und seiner angenehmen Erscheinung. Er machte seinen Job gut, hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Nach seinem zweiten Arbeitstag gingen sie miteinander was trinken. Es war ein angenehmer Abend. Sie tranken viel, blödelten und feierten den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Sie sprachen über Film, Bücher und Musik – und nichts, kein Wort über Beziehungen. Das fiel Anna erst zu Hause auf. Eigentlich auch nur deswegen, weil es doch selten vorkam, dass ein Mann mit ihr nicht sein unglückliches Liebesleben besprach. All ihre Kollegen benutzten sie als Beichtstuhl oder Seelenklosett – wie sie diese Funktion nannte, hing von ihrer Tagesverfassung ab. Auch ob sie diese Gespräche mochte oder nicht, hing davon ab. Die meiste Zeit sah sie sie als eine Art Zuneigung an und manchmal endeten sie mit Sex. Manchmal kam sie sich benutzt vor.

Und dann kam das Begehren – unvermutet und plötzlich auf der Rückfahrt von einem Dreh. Sie hatten hart gearbeitet – eine Bergtour mit Politikern. Karl, der Redakteur mit dem sie gedreht hatten, fuhr mit seinem eigenen Wagen, sie und Ali im Firmenbus. Sie saß am Steuer. Sie war ein wenig verärgert, Karl hatte blöde Witze gemacht. Er war ein arroganter selbstherrlicher Schnösel mit Machoallüren. „Ziemliches Arschloch, hm?“ Ali hatte seine Füße aufs Armaturenbrett gestützt und grinste sie von der Seite an. Eigentlich hätte den Dreh ein Kollege machen sollen, der war aber leider krank geworden. Umso größer die Freude als sie den von ihr schon lang gehassten Karl am Morgen traf. „Morgen Anus“, hatte er sie begrüßt und gleich sehr über sich gelacht. Als sie nicht reagierte, hatte er versucht Ali auf seine Seite zu ziehen – der ließ ihn aber abblitzen.
Sie starrte auf die Straße: „Ich arbeite mit dem nicht mehr!“ Ali legte die Hand auf ihren rechten Arm. Und da begann es. Plötzlich roch sie. Sie saugte seinen Geruch durch die Nase auf, merkte wie er sich auf ihren Schleimhäuten breit machte und sehr schnell ihr Gehirn erreichte. Es war Schweißgeruch aber ihr Gehirn sagte mehr, mehr, mehr und sandte den Reiz nach unten. Sie glaubte ihn zu schmecken, fühlte den Geruch in ihrem Bauch und pochend legte er sich schließlich über ihr Geschlecht. Sie umfasste das Lenkrad fester, ihre Knöchel wurden weiß. Ali hatte die Hand von ihrem Arm genommen und sah aus dem Fenster. Sie war Begierde.
Anna war nicht unbedingt ein olfaktorischer Mensch, ihre Nase hielt sie nur für bedingt nützlich. Noch nie hatte ein Geruch sie so verwirrt. Sie drehte den Radio lauter und starrte auf die Straße. Ali sagte irgendetwas zu ihr, aber sie konnte es nicht wirklich hören. Sie hätte ihn so gerne berührt. „Was hast du gesagt?“ Sie sah weiter gerade aus. “Soll ich dich ablösen beim fahren?“ Sie wusste keine Antwort. „He – ich kann Auto fahren. Bleib beim nächsten Parkplatz stehen. Ich fahre.“ Anna gehorchte. Nur im Augenwinkel nahm sie seine muskulösen, Schultern, die sehnigen Arme und seinen Oberkörper im verschwitzten Ruderleibchen wahr. Sie versuchte unbeteiligt zu lächeln.

Als sie das Auto abstellte, war sie fast erleichtert, dass Ali das Steuer übernehmen wollte. Sie war noch immer verwirrt, die letzten Kilometer hatte sie nicht bewusst erlebt. Vielleicht hing es ja mit der Hitze zusammen oder dem anstrengenden Dreh. Sie drehte den Zündschlüssel und legte den Kopf zurück. Ali sah sie an. Endlich erwiderte sie seinen Blick. Er lächelte ein sauberes Traummannlächeln. Als sie versuchten, Plätze zu tauschen, berührten sie sich. Sie roch sein Haar. Und dann – sie wusste nicht mehr wie – küssten sie sich. Vielleicht hatte auch sie ihn geküsst, vielleicht war die Initiative von ihm ausgegangen. Der Kuss dauerte lang. Erst als sie sich voneinander lösten, wurde Anna bewusst, dass sie sich beide in einer äußerst unbequemen Lage zwischen den beiden Vordersitzen des Van befanden. „Und jetzt?“, sie sah ihn unsicher an. Er legte seinen Finger auf ihren Mund. Gierig griff sie nach seiner Hand, ihre Lippen suchten seine Finger. Er legte den Beifahrersitz um.

Überall suchte sie seinen Geruch, an seinem Hals, in seinen herrlichen Achseln, in diesen haarigen Höhlen und in seiner Hose. Nur kurz spürte sie den Schaltknüppel und wurde sich ihrer eigenartigen Position am Boden des Autos bewusst. Seine Finger strichen zärtlich um ihr Ohr, kraulten ihr Haar. Und endlich hatte sie gefunden, was sie wollte. Sein Schwanz war schön. Sauber, rosig zart und er roch so gut. Schnell verschlang sie ihn, ließ ihn wieder zurück gleiten und leckte seine weiche, glatte Spitze. Ihre Gier wuchs noch immer. Sie wollte den ganzen herrlichen Duft aus ihm heraussaugen. Nur mehr Zärtlichkeit spürte sie und unendliche Sehnsucht. Ihre Hände lagen auf seinen kantigen Beckenknochen. Sie saugte leckte schlang. Ihre Lippen schienen ihr empfindlich wie sonst nur die anderen Lippen. Ganz weich. Und dann hoben sich seine Hüften ihr entgegen und sie fühlte die Spannung in seinem Körper und sie wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Sein Samen war heiß und scharf, er breitete sich in ihrem Mund aus. Sie schluckte.

Erst auf der Autobahn begann sie wieder zu denken. Sie hatte nicht das erste Mal geblasen, sie hatte wahrscheinlich das erste Mal einen Orgasmus dabei. Wenn es das war. „Danke“ sagte er. „Ebenfalls“ sagte sie. Er schaute auf die Strasse und lächelte sein Prinzenlächeln.
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500beine - 11. Aug, 17:36

und wie wird man das, zweiter kameramann?

katiza - 11. Aug, 19:15

Du bist der erste,

der mein Blog kommentiert - Danke!
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