17
Sep
2009

In Memorian the Sepp

Wir waren die letzten Gäste gestern abend im Kokoro - wie immer, wenn wir dort waren.
The Sepp setzte sich nach getaner Arbeit zu uns - wie immer wenn wir dort waren.
Seine Frau Sook machte irgendwo im Hintergrund die Abrechnung - wie immer wenn wir dort waren.
Das Essen war fantastisch - wie immer, wenn wir dort waren. Irgendwie lag noch ein wenig Sommer in der Luft und doch auch schon Herbst in den Gesprächen.

Heute morgen ein Anruf: The Sepp – Joseph Hausberger – ist nicht mehr. Nie wieder wird es wie immer sein.

Das erste Mal war ich mit meinem Papa in Hausbergers Global Bistro "Kokoro" im November 2005. Irgendwo hatte ich gelesen, dass ein Alpbacher mit internationaler Erfahrung ein Restaurant in Wien aufgemacht hat. Beides zog Vater und Tochter magisch an. Es war ein Erlebnis der besonderen Art. Das Kokoro - japanisch für Herz – liegt in einem hässlichen Gebäudekomplex in der Innenstadt, angesiedelt wohl in einer ehemaligen Pizzeria, wie ein obskures Venediggemälde vermuten ließ, die Möblage mehr Bistro als global. Der Koch, ein kantiger Bär mit ebenso kantiger Sprache und Spruch - the Sepp, geboren in Alpbach, gelernt in der Welt – hatte schon für die internationale Prominenz gekocht – Anna Freud, John Lennon, Yoko Ono, Sirikit von Thailand, Stars, Könige und Diktatoren etc. pp..Zuletzt im Hilton in Korea. Dort hatte er auch seine Frau, die Koreanerin Sook kennen gelernt. Heimgekehrt war er wegen der beiden Kinder und so.

Mit einem blauen Stirnband werkte er in einer winzigen offenen Küche unter einer gigantischen kupfernen Dunstabzugshaube mit der Aufschrift "Ora et labora - A History of tremendous Pride in Workmanship and Quality". Sook, betreute uns liebevoll.

Wenn Sepp kochte war das Zen – er konzentrierte sich voll Achtsamkeit auf jeden Handgriff. Eine Speisekarte war überflüssig – es gab weder Lager noch Tiefkühltruhe, nur das, was der Chef morgens am Markt erstanden hatte. Wer sich damit abfinden konnte, wurde mit wundervollen kulinarischen Erfahrungen belohnt. Wer nicht, kam einfach nicht wieder. Alle, die ich kannte, kamen immer wieder.

Ein klassischer Dialog:
Gast: Ich mag keinen Lachs.
Sepp: Falsch, du hasch no kann Lachs gessen, der da gschmeckt hat.
Und er hatte recht.

Spezialität des Hauses war die Piratensuppe – eine Symphonie aus Fischen, Meeresfrüchten und Lotus. Wir blieben Stammgäste und feierten Geburts-, Hochzeits- und Alltage dort. Und als sich irgendwann eine ganz spezielle Tafelrunde – das Sechseck – zusammenfand, wurde und blieb das Kokoro eine Art Heimat für diese Tischgesellschaft. Auch wenn wir nur einmal als komplettes Hexagon dort feierten – den Geburtstag jener Freundin, die durch eine Kette von Zufällen den letzten Abend im Kokoro mit uns verbrachte. Wann immer wir uns zu zweit, dritt oder viert dort trafen, waren die anderen, fehlenden mit am Tisch Und the Sepp auf ein Glas oder mehr. Und Sooks Lächeln.

Ich habe es stets geliebt, Menschen, die mir am Herzen lagen, ins Kokoro zu entführen und zu beobachten, wie sich ihr Verwunderung langsam in satte Glückseligkeit verwandelte. Alpbach und die Welt und Heimat. Und the Sepp.

Mein Freund, der Moser, war Sepps Cousin. Irgendwann ist auch er endlich im Kokoro angekommen. Ich weiß nicht mehr, wer von beiden mir die Geschichte ihres Wiedersehens nach mehr als 20 Jahren erzählt hat.
Der Moser kam ins Lokal.
Der Sepp, in seiner Küche, schaute auf: Griass di.
Der Moser erwiderte den Gruß.
Hasch an Hunger? fragte Sepp.
Ja.
Dann setz di hin und iss.
Und der Moser kam immer wieder.
Der Sepp hat sein Grab besucht: Eh schian.

Und damals, als wir mit dem anderen querköpfigen Koch dort Mittagessen waren und ich fast ein wenig Angst hatte, dass die Sturschädeln aneinander geraten und die beiden nach ganz kurzer Zeit erkannt haben, dass sie zusammen auf der Berufsschule waren und sich immer wieder begegnet sind - am Schiff und so - und so begeistert über ihr Handwerk ihre Kunst philosophierten – tremendous Workmanship and Pride.

Ich habe wunderbar gegessen im Kokoro, ein paar Mal ziemlich gesoffen, viel gelacht und auch um meinen Vater geweint. Herz, eben. Gestern gab es Piratensuppe, heute haben mir Tränen den Tag versalzen. Wenn ein Koch stirbt, gibt er den Löffel ab, hat dieJüngste gesagt, die gestern dabei war, es war ihr ein bisschen peinlich, the Sepp hätte wohl gelacht – ich werde ihn vermissen. Kochen, so wie Joseph Hausberger gekocht hat, ist sowohl Zen als auch eine wunderbare Form tätiger Liebe.

Er hinterlässt eine wunderbare Frau und zwei Kinder und eine Lücke im Leben einiger Menschen.

IMG_4641

Memento!

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben…
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr
- und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andren muss man leben!

Mascha Kaléko
5478 mal erzählt

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walhalladada - 18. Sep, 01:34

Wenn's soweit ist, Frau Katiza, möcht ich gern, dass Sie mir auch nachrufen...

Eugene Faust - 18. Sep, 13:23

.

elke66 - 18. Sep, 09:13

Oh Frau Katiza, eigentlich bin ich so bewegt, dass ich keine Worte finde, aber das wenigstens wollte ich doch sagen.

Anousch O. - 18. Sep, 12:50

Was für ein Leben. Was für ein Verlust.

steppenhund - 18. Sep, 13:04

Ein bewegender Nachruf. Im Kokoro war ich doch einige Male und habe die Originalität so wie die Piratensupppe genossen. Ich bin interessiert, woher diese Plötzlichkeit bedingt ist. Aber ich nehme an, dass ich das erfahren werde, sobald es offiziell ist. Ich habe ihn als Menschen mit einer Lebensvorstellung erlebt, er hat sich sein Leben gemacht. Löffel abgeben, ja da wird einem auf einmal die Grausamkeit mancher sprachlichen Wendungen bewusst.
Das Gedicht von Mascha Kaleko ist wunderbar, aber was hilft Wunderbares, wenn es so genau auf die Frau und die Kinder zutrifft. Die Armen.

katiza - 20. Sep, 12:28

Wünschen Sie sich das nicht, Herr Dr., wünschen Sie mir das nicht. Ich vermiss schon so viele, jeder Abschied tut so weh. Viel, viel lieber würde ich mit Ihnen - und Euch, die Ihr in solchen Augenblicken, meine Gefühle teilt - das Leben feiern, für Euch kochen, mit Euch trinken, Euch in die Augen schauen - mit Euch lachen und weinen kann ich ja von Zeit zu Zeit

Der Sepp ist an Herzinfarkt gestorben, plötzlich und schnell, mitten aus dem Leben gerissen - so möcht ich auch einmal gehen. Der Schmerz ist aber bei denen, die bleiben. Am Dienstag tragen wir ihn zu Grabe.

Wenn jemand stirbt, der in meinem Leben war, ist mir immer so als würden all "meine" anderen Toten kommen, ihn abzuholen. Sie sind bei mir und einer ganz besonders, der vor einem Jahr ging. Ich vermisse meinen Papa so sehr...

nixcik - 20. Sep, 15:40

Da wird's warm ums Herz.
Ich schluck immer noch, bring's aber nicht recht runter. Dafür kocht der Sepp jetzt jeden Tag für den Papa? Außer sonntags natürlich, und im Sommer macht er auch 2 Wochen blau.
Ich denk viel an Sook - sie spricht nicht einmal unsere Sprache, was wird aus ihr werden? Ist ihr Asia-Networking dicht genug gewesen, um sorgenfrei weiterleben zu können, wird sie in Wien bleiben können/wollen? Es muss so ein Schock für sie sein, nicht einmal 46 war er...
Hoffentlich gibts einen guten Fisch- und Gemüsemarkt dort, wo er jetzt ist.
Wenn ich dann einmal den Löffel abgeb, kommts vielleicht doch noch zu dem Kobebeef-Dinner Course, von dem wir immer wieder geträumt haben :-) (just for six, right?)

Und noch einmal hier, in der Öffentlichkeit: Schöner und persönlicher und bewegender kann ein Nachruf nicht sein. Ja, er freut sich sicher darüber! Danke für deine Worte.
steppenhund - 20. Sep, 18:56

Danke für die zusätzliche Information. Und ich stimme meinem Vorposter voll zu.
Die Vorstellung, dass die Vorausgegangenen den Neuzugang abholen, hat etwas Tröstliches.
gautama - 23. Sep, 10:59

Katiza, ich bin bei Ihnen!
ConAlma - 20. Sep, 18:48

Danke. Ich kam nicht dazu, selbst etwas zu formulieren. Aber vielleicht tu ich's noch. Es wird ein für uns nicht zu vergessender Abend sein, da er diesen Morgen hatte.

500beine - 22. Sep, 10:46

über eine seele so liebevoll schreiben, dass man sie gerne kennengelernt hätte..

katiza - 22. Sep, 11:55

Ich hätte Ihnen einen Teller Suppe vom Sepp gewünscht.
gautama - 23. Sep, 10:53

Väter und der Tod

Ich wünsche dem Sepp Frieden und Ruhe, JETZT, dort wo er ist. Ihr Nachruf, Frau Katiza sehr schön, sehr berührend. Bei mir hat das Kokoro, besser der Sepp einen unangenehmen Beigeschmack hinterlassen, als ich das erste und bis dato das einzige Mal dort war, ausgeführt durch den lieben Freund. Wohl, ich kannte ihn kaum und Tiroler sind so "ein Völkchen" mit eher ruppig, rauhen Grundtendenzen. Er, der Sepp trampelte auf meiner Seele herum, als er den lieben Freund beleidigte, der ihm immer nur Gutes wollte...liebe Gäste,... und beide es nicht erkannten, wahrhaben wollten. Mir tat es weh, auch meiner Liebsten, sehr sogar. Derb und gefühllos kam er rüber. Aber so war er eben, damals an jenem Abend. Mir schloss er sich nicht ins Herz, auch wenn ich weiß, dass WIR ALLE EINS SIND. Und wir sind es! Hier sind und waren wir um zu lernen, zu erkennen und erfahren, schmerzhaft und am Beispiel seiner, unserer und ihrer. Wir kommen (fast) alle wieder. Was leben wir ? Wie leben wir? Wie sind wir zu den anderen, zu unseren sogenannten Lieben und Liebsten? Ich war 12, ein Kind DES VATERS. Am Abend sagte ich noch:"Gute Nacht, schlaf gut!", gab meinem Vater einen Gute-Nacht-Kuss wie jeden Abend und in der Früh um halb Sieben war er tot. Weg. Einfach so. Weg. Kam nie mehr wieder. Keine Anzeichen, keine Warnung, kein Auf Wiedersehen. Bei meiner Liebsten war es die Großmutter=Ihre Mutter, die sich ins Seelenland begab, als sie 9 Jahre war. Einfach so. Weg. Kam nie mehr wieder. Wir sind geprägt. Geprägt von der wahren Liebe dieser Menschen, weil sie uns verlassen haben, um immer bei uns zu sein, mehr als wir es wahrscheinlich wahrgenommen haben, als sie wahrhaftig bei uns waren. Sepp kommt wieder, er wird sich zeigen, so wie es mein Vater und die liebe Großmutter auch machen. Die Kinder und seine Frau tragen ihn ganz tief im Herzen und seine Seele kehrt heim...zu ihnen, zu uns, zu Euch! Wir sind alle EINS! Danke, Du lieber Tiroler für Dein Sein! Danke, dass wir durch Dich lernen durften!

dfw - 24. Sep, 21:21

danke, katiza...

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