3
Sep
2014

Reset

Ja – wahrscheinlich habt ihr recht. Ich habe in den langen Stunden, Tagen, Wochen der letzten sechs Monate mehr und mehr mich durchsickern lassen. Aber schon vorher, natürlich „Toll3st“ und eitel. Warum auch nicht und die Verführung durch soziale Medien und ihre Scheintransparenz ließ mich da wohl auch noch ein wenig unvorsichtiger werden. Die Schlamperei natürlich, die eingerissen ist, seit ich nicht mehr redigiere, spärlicher werdenden BesucherInnen und Kommentare taten – gekoppelt mit einem mein Häuserblo(g)ck vulgo Grätzelgfühl – ihr übriges.
Und tja, warum schreibe ich hier, wenn nicht um gelesen zu werden? Erst im Ausgleich zur beruflich strengem Wort- und Themenrahmen, die sanfte Muse als Gegenpol zum Journalismus, weil ich nicht töpfern kann und immer nur kochen dick macht. Erst Einsamkeit, dann eben auch Eitelkeit. Dialog und Dialektik im Preis mit inbegriffen. Das Klagelied der Mock Turtle ->

Klar habe ich mir manchmal Gedanken gemacht, ob die erotischen Geschichten aus der Schreibtischschublade mit leichtem Kitschdrall sich mit meiner Tätigkeit als Ausgebeutete der Ausgebeuteten verbinden lassen würde. Aber was hatte ich zu verlieren? So lange ich für keine politisches Amt kanditiere, würde und nicht bei Königs einheirate, dürfte es die wenigsten interessieren, was ich hier schreibe – unter Wahrung aller Persönlichkeitsrechte selbstverständlich.

Nicht einmal die, die mich lieben, mögen, bewundern oder auch hassen, haben sich je durch diesen Blog gequält. Nur ich les hin und wieder gerne nach, wie es früher war und klick mich durch mein Leben. Ginge wohl auch anders, aber ich mag diesen Rahmen des Blogs – gerade durch die (vermeintliche) Diskretion, das Sie, die Umgangsformen. – ich habe mich auch an BesucherInnen gewöhnt, die einfach nur kommentieren wollen. Panta rei und so….

Zum siebten Geburtstag meines Blogs habe ich einen Text geschrieben und nie online gestellt - Happy Birthday, Mock Turtle, das tu ich jetzt:

Blogday


Das verflixte siebente Jahr ist auch vorbei gegangen, schreiten wir in die 8 – die aufrechte Unendlichkeit, Möbius halt. Die Mock Turtle feiert Geburtstag. Ein Sommerkind, schweigend ausgebrütet, die Nabelschau nach der Nabelschau sozusagen, der Entschluss bauchfrei zu tragen, in einer anderen Welt, heimlich und leise. Zu leise aber nun auch nicht, denn drängten Geschichten aus Kopf und Schreibtischladen an die Öffentlichkeit, wollten gelesen und geliebt werden. Der 1. Kommentar – von einem der ganz Großen, nach wie vor leidenschaftlich gelesen. Das war schon was!

Und so stelle ich mir einfach wieder einmal die drei Naikan Fragen:


Was hat mein Blog für mich getan?


Mir ein paar der wunderbarsten Menschen beschert, die man zu seinen Freundinnen und Freunden zählen darf, mir deren Universen erschlossen, mir Bühne virtuell und reell gegeben und ein Forum, und Form. Mein Blog war Ausgleich zum Handwerk, wenn auch hier und da Herzeblut vergossen ward. Ein Stückchen Hoffnung, gelesen, verstanden, entdeckt zu werden. Mein Blog hat mir manche Therapiestunde erspart und manches direkte Gespräch unter „Menschen“. Manchmal bot es die Möglichkeit subtil Rache zu nehmen am arroganten Schirmverleiher. Und manchmal bot es mir die Chance, Denkmäler zu malen, für die, die ich noch immer vermisse. . Er hat Augenblicke fest gehalten, Zeit konserviert . Ich kann mit Suchfunktion und Kalender durch sieben Jahre meines Lebens streifen. Die Suche nach »Liebe« .

Mit diesem "zwangsouting der missverständlicheren Art hat er mich jetzt gezwungen mich meiner Authentizität zu entsinnen, ohne die Turtle zu verraten. Lese wer wolle und lest es euren Müttern vor, auch ich habe gerne meiner Mutter aus Blogs vorgelesen - sie mochte die Texte von "Und wartet" und der anderen Toll3sten Programme, wusste aber nie welcher Text von wem stammt.

Was habe ich für mein Blog getan?

Ihm Gestalt gegeben und sie weiter entwickelt, irgendwann habe ich angefangen die Texte mit Tuben zu versehen. Es war die Zeit der Stöckchen, damals vor F*book. Bilder soundso. Ich hab die Miete bezahlt und die Gäste bewirtet, hab mich mit den Nachbarn angefreundet und ihn gehegt und gepflegt…und das Zirkuspferd in die Manege gelassen. Ich lass ihn nicht sterben – nicht in guten nicht in schlechteren Zeiten. Er hält fest, was Lebens-Wert. Oder wie es eine weise Frau ausdrückt: Und wenn's aft nit wahr isch, ischs guat erfundn....

Wie habe ich meinem Blog Schwierigkeiten bereitet?


Durch alle sieben Todsünden
– das ist die Rechnung, ich zahle immer und habe mich auch vom Leben in letzter Zeit nicht groß einladen lassen…

In diesem Sinne… Und doch: So viel Glück ist mir beschieden. Allzeit gute Fahrt und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel….
1404 mal erzählt

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testsiegerin - 3. Sep, 22:20

Ich versteh ja nicht, was an den todsünden so tödlich oder so böse sein soll. wie kann eitelkeit schlimmer sein als kindesmissbrauch? wie neid schlimmer als mord? wie kann wollust schlimmer sein als hass?
liebe frau katiza, rücken sie ihre krone zurecht und schreiben sie weiter. für die, die sie gerne lesen. für die, die sie ins herz geschlossen haben und gernhaben. vor allem aber für sich selbst.
soll sich doch jemand angegriffen fühlen und das gefühl haben, familiengeheimnisse werden an die öffentlichkeit gezerrt... genau das ist es nämlich, was krank macht, diese familiengeheimnisse, die unendlich vielen tabus, über die man nicht reden darf, um den schein zu wahren. den schein, der so viel wichtiger zu sein scheint als das sein. und dann wird unendlich viel energie aufgewendet, um die geheimnisse, die krank machen, unter verschluss zu halten. und der, der den deckel lüftet, damit es heilt, der ist in den augen der anderen der bösewicht.

ich hab in allen erzählungen über ihre familie immer ganz viel respekt und liebe gespürt. und ich finde es wichtig, auch sachen benennen zu dürfen, die nicht so rosig waren.

steppenhund - 3. Sep, 22:48

Es ist nicht jedem gegeben, die Vergangenheit so rückhaltlos aufzuarbeiten. Dafür braucht man sich auch nicht schimpfen lassen.
rosmarin - 7. Sep, 15:20

bravo....
und weiter.... bitte bald
und kopf hoch - brust raus!
umärmelungen, ro
katiza - 8. Sep, 09:26

Bezaubernde B., diese 7 sind für mich deshalb so faszinierend, weil sie - auch in der Theologie - Quelle der anderen Sünden sind. So kann die Eitelkeit Wurzel des Kindesmissbrauchs sein "Weil ich das kleine Wesen besitzen kann, es mich liebt und ich mich sogar in 'meinen Kreisen damit brüsten kann', der Neid Wurzel des Mordes - täglich in der Zeitung zu lesen, auf vielerlei Ebenen vom Raubüberfall bis zur Eifersuchtstat - und einige von uns wissen, wie sich Wollust in Hass verwandeln lässt.Und danke!

Lieber Herr Steppenhund, liebe Frau Meeratu auch Ihnen herzlichen Dank für die guten Worte - das alles hat dazu geführt, dass ich mich mt wichtigen Fragen befasst habe - der Durchgriff des heimatlichen Patriarchats - die Familienältesten Männer, die Elternlose aus der anderen Welt, Ängste, in ihren Anrufen haben sie alle mir bekannten Familiengeheimnisse an- und ausgesprochen und heftig bestritten, nur um bei ihren Entschuldigungstelefonaten noch weitere asuzuplaudern - wie lehrte ich im Kommunikationsseminar: Verneinungen registriert das Gehirn nicht...eben im Grunde war der Prozess lehrreich und gut, hat mich nur etwas früh und noch ziemlich waidwund getroffen...

walküre - 3. Sep, 22:37

Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten:
In den letzten Wochen und Monaten der Leben meiner Eltern ist mir klar geworden, dass sich diejenigen Verwandten und Bekannten am meisten wichtig machen (oder es zumindest versuchen), denen es mangels persönlicher Nähe am allerwenigsten zusteht.
Egal, ob mit oder ohne Social Media.

Lassen Sie sich bitte nicht einschüchtern.

katiza - 8. Sep, 09:28

Wie recht Sie haben, Frau Walküre - und keine Sorge!
speedhiking - 7. Sep, 15:36

Da kann ich, verehrte Frau Katiza, nur sagen: Pfui Teufel!

Sich gut abgrenzen, tät' ich raten. Oder/und, wie uns einmal ein Trainer und Therapeut (allen Ernstes, und so gebe ich es hier auch weiter) als inneren Satz vorschlug: "Fuck You!"

katiza - 8. Sep, 09:39

Auf alle Fälle und das war eine weiser Trainer und Therapeut - ich gebe diesen Rat auch gerne und am Liebsten mir selbst und dann tanz ich ihn auch mal wie jetzt eben! (Mind the lyrics!)
speedhiking - 8. Sep, 11:06

:-)
datja - 7. Sep, 16:48

HINFALLEN. KRONE RICHTEN. WEITERGEHEN

katiza - 8. Sep, 10:02

Allerliebste Datja, diesen Leitsatz habe ich auch bei der Totenrede für meine Mutte zitiert - das "Aufstehen, Krone richten!" war eine wichtige Wesensart dieser starken Frau, auch und gerade angesichts ihres Sterbens...und ich hoffe, glaube, weiß: Das habe ich von ihr geerbt!
500beine - 26. Nov, 10:15

der letzte möchte ich aber nicht sein..

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