Reisegepäck

14
Jul
2015

Verschwyzt – das Fest

Toll3st aufgeputzt, die für den 1. Offizier und mich unvermeidlichen Seifenblasen geschultert, Geschenke und Texte im Gepäck machten wir drei Königinnen - die bezaubernde B. und Madame Lamamma - uns vom Hotel der drei Könige auf zum blauen Haus jenseits der Schienen. Mit (heimlich) entliehen Tüchlein – hierzulande Fetzn - kühlten wir die heißen Nacken, an den zahlreichen Brunnen, die frisches, klares Trinkwasser spenden. Erfolgreich mit nur minimalen Umwegen navigierten wir in Richtung Geburtstagshafen. Die wunder-volle Fröschin hatte uns als Gäste und zum Gastspiel geladen. Ihre – und damit unsere – Bühne an diesem Sommersonntag war das Atelier, das kleine Museum der famosen Sammlerin Ursula Stalder.

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Schon im Stiegenaufgang bin ich angekommen in den Werken der Künstlerin. Sammlungen kostbarster Kleinigkeiten, liebevoll aufgelesene Details, jeder Kasten, jedes Kästchen, jeder Blick ein Universum. Und dann beim Betreten des kleinen Museums eine noch schönere Sammlung von Menschen, Familie, Freundinnen, Freunde, die geladen und gekommen, Frau Frosch zu feiern. Sie selbst sah wunderschön aus mit einem Touch of Tudor. Die Küche ist Herz des Raumes und ein Frauentrio der besonderen Art – Ursula und ihre Schwestern – brachten dieses Herz zum Schlagen. Der zentrale Küchentisch bog sich von mediterranen Köstlichkeiten, wieder Sammelgut, verschiedenste Rezepten, Geschmäcker, Inspirationen, wie das Strandgut rundherum mitgebracht vom Ufer der Meere. Sogar die Weinblätter selbst gesammelt.

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Die drei Frauen umsorgten uns diskret und liebevoll. Und so konnten wir Menschen sammeln, jede, jeder für sich und auch gemeinsam, im Ländervergleich, im Lebensvergleich mit allen Sinnen, viele Stunden. Und was waren auf diesem Fest für interessante Menschen versammelt, Kinder, Männer Frauen mit Namen wie Marla, Pirmin oder Basil, mit dieser Sprache. Mit dieser Sprache – ja, auch mit der haben wir uns versucht bei unserem dreigeteilten Toll3sten Auftritt in Emils Geburtsstadt. Danke dem großartigsten Publikum, das wir je bei einem Auslandsgastspiel hatten.

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Applaus gab es auch für die Rede des Herrn Steppenhund zwischen Genie und Wahnsinn. Ebenso fasziniert wie wir von ihrer waren die Schweizer von unserer Sprache. Noch spät nachts wurde der Tschurifetzen erörtert. Ein Grillerbrand auf einem Balkon gegenüber lieferte uns auch noch die Demonstration der präzisen und sicheren Arbeit der Schweizer Feuerwehr und ein Quäntchen Abenteuer während wir Bubbles auf der Raucherterasse fliegen ließen.

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Am Klo begegnete mir Nietzsche und irgendetwas in meinem Gehirn begann zu rattern, das Strandgut des Wissens durchforstend. Ich hab es wiedergefunden, herausgesiebt aus dem Netz und dem Bücherregal. Nietzsche, Paul Rée und Lou Salomé – „Lous Dreieinigkeit“ war zusammen in Luzern gewesen – und vor dem sterbenden Löwen machte der 38-jährige bereits leidende Philosoph der 21-jährigen Russin einen zweiten erfolglosen Heiratsantrag. Später arrangiert er im Atelier des Luzerner Starphotographen Jules Bonnet das berühmte Peitschenbild. Das war 1882, die Krankheit plagte den Philosophen bereits, er war pensioniert, er hatte begonnen sich mit Zarathustra zu befassen, er war ein Frühpensionist, reisend zwischen der Schweiz und dem Mittelmeer: im Sommer in Sils-Maria oder am Vierwaldstättersee, wo er in Tribschen seinen Freund Wagner besuchte, im Winter in Rapallo oder Nizza. Sieben Jahre später, nachdem er weinend den Turiner Droschkengaul umarmt hatte, zeichnete er in der Irrenanstalt Friedmann in Basel ein kleines Bildchen das Löwendenkmal. "Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch" – der tanzende Stern fiel mir ein an jenem Abend der tanzenden Sterne.

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Längst vertraut schienen mir die Menschen, die ich dort kennengelernt. Viele in „unserem Alter“, zwei Toll3ste und das Geburtstagskind sind ein Jahrgang, das verrieten graue Schläfen und kleine Fältchen da oder dort und über Ländergrenzen geteilte, gemeinsame Erinnerungen. Doch wie es bei wirklich guten Festen so ist, lösten sich Altersgrenzen fließend auf, vermischten sich. Und mitten drin die Fröschin mit ihrem Lächeln. Danke – es war wunderbar, grossartig und auch ziemlich rauschend. Aus meiner „Bloggerfreundin“ ist nun meine „Schweizer Freundin“ geworden. Was für wundervolle Menschen wir doch im Laufe unseres Lebens sammeln dürfen.

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Irgendwann saßen wir noch mit der Künstlerin und einer letzten Flasche Wein inmitten des Raums, von Linz 09 erzählte sie und die Kreise schlossen sich wieder. Falls jetzt wer in Österreich neugierig auf Ursula Stalder geworden ist – bis 1. November 2015 kann man ihre Werke mit anderen im Daniel Spoerri Museum in Hadersdorf am Kamp bei der Ausstellung „Lieben und Haben“ bewundern. Spät brachen wir auf, wankten nach Hause, weil die vielen Gedanken und Erinnerungen in unseren Köpfen kreisten, nicht – nur – weil wir zu viel getrunken hätten.

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Die Köpfe konnten wir dann am nächsten Tag bei einer am Vierwaldstätter See auslüften – am Raddampfer „Gallia“, ausnahmsweise am Hinterdeck. Der Kulturflaneur, erfahrener Dampfschifffahrer, begleitete uns und erläuterte uns die verblassende Pracht der historischen Tourismusregion zwischen von Russen gekauften Grandhotels und Golfplätzen.

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Schön war es in der Schweiz – merci vielmals! (sagt Ihr doch?)
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8
Jul
2015

Verschwyzt – Kulturflanieren zwischen Krieg und Frieden

Brasilianisch wie die Temperamente der Luzerner mutete auch die Hitze der Nacht und des nächsten Morgens an. Früh trieb sie uns auf und nach üppigen Frühstück und vielleicht weniger üppiger Probe marschierten wir zu unserer Verabredung zum Kulturflanieren mit dem spitzfindigen Herrn T., der uns aufs Trefflichste mit Geschichte und Geschichten der Stadt vertraut machte. Das Bourbaki-Panorama stand ganz oben auf meiner Wunschliste, wollte ich doch ein Gegenstück zum Innsbrucker Riesenrundgemälde sehen, das mich von klein auf faszinierte. Und nicht nur das Bild, auch die Aufbereitung übertrafen meine Erwartungen. Diese Internierung einer ganzen geschlagenen Armee aus 87.000 französischen Soldaten im Februar 1871 ist irgendwie aktuell in Zeiten von Flüchtlingsströmen. „Die Internierung der Bourbaki Armee in die Schweiz ist ein großer Akt der Humanität und Solidarität und gleichzeitig auch ein Prüfstein für das junge Rote Kreuz“, steht im Begleitmaterial. Die Bevölkerung war erst misstrauisch, dann voll Mitgefühl. Sechs Wochen blieben die fremden Soldaten, deren große Zahl drei Prozent der Schweizer Bevölkerung entsprach, 1.700 starben. Auch Legionäre aus Nordafrika waren dabei. Bei aller Menschenliebe wurde der fremden Armee aber auch eine Rechnung gestellt: 12,2 Millionen Schweizer Franken berappte der französische Staat in Raten. Der Maler des Bildes, Edouard Castres, war Zeitzeuge, er war beim Roten Kreuz.

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Das Thema Krieg blieb uns auch auf der nächsten Station unseres Stadtrundgangs erhalten. Wir wollten unbedingt das laut Mark Twain „traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt“ sehen, das Löwendenkmal. Die ach so friedliebende Schweiz hat ja, wie ich jetzt in einem Interview mit Jost Auf der Mauer in der "Zeit" nachgelesen habe, einst ein reges Söldnerwesen betrieben. Die Schweizergarde im Vatikan ist nur das Überbleibsel von 500 Jahren Geschichte als größter Kriegsdienstleister Europas. Geschätzt eine Million Schweizer kämpften als Reisläufer in fremden Kriegen, als Huntertschweizer taten sie auch Gardedienst in der Wiener Hofburg. Und 1792 bei Louis XVI – als diese während der französischen Revolution den von der Königsfamilie bereits verlassenen Tuilerienpalast verlassen wollten wurden 760 von 1.100 Schweizer Gardisten von der wütenden Volksmenge getötet.

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An diese, seine Kameraden, wollte der Gardeoffizier Carl Pfyffer von Altishofen mit einem Denkmal erinnern. Er stammte aus einer Luzerner Bürgerfamilie, die seit dem 16 Jahrhundert auch mittels gehobenem Söldnertum ein Vermögen gemacht hatte. 1792 war der damals 21-jährige zwar als Leutnant in Paris stationiert, aber gerade auf Heimaturlaub in Luzern, als die Tuilerien gestürmt wurden. Das mag wohl mit eine Rolle gespielt haben, dass er 1818 beschloss seinen gefallen Kameraden ein Denkmal zu setzen. Er selbst stellte einen zu seinen Liegenschaften gehörenden Steinbruch zur Verfügung und finanzierte das Denkmal mittels Suskriptionsplan – heute würden wir das Crowdfunding nennen. Seit 1821 ruht der vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen entworfene und von den Schweizer Bildhauern Urs Pankraz Eggenschwiller und Lukas Ahorn gefertigte Löwe über dem Wasser. „Der Löwe ist also nicht tot, er muss ruhend sein“, meinte sein Schöpfer. Und ja, er ist so traurig, dass selbst die Schar vor allem asiatischer Touristen, die ihn an diesem Mittag umschwirrten, still und ergriffen erschien, vielleicht waren es aber auch nur die über 30 Grad, die ihnen wie uns zu schaffen machten.

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HELVETIORUM FIDEI AC VIRTUTI steht dort eingemeißelt – der Treue und der Tapferkeit der Schweizer. Darunter die Namen der Offiziere und die Zahl der Gefallenen. „Es ging von Anfang an ums Geld“, erklärt Auf der Mauer zur Geschichte der Schweizer Söldner. Junge abenteuerlustige Männer aus einem bitter armen Land, dem nur hart etwas abzutrotzen war, erwarben in fremden Diensten genug Geld, um heiraten zu können. Dabei waren sie nicht zimperlich und manche Brutalität des Kriegshandwerks damals erinnert erschreckend an die jungen Männer (und damals wie heute auch vereinzelt Frauen), die aus ihrer vermeintlichen Enge heraus für ISIS und Allah in den Krieg ziehen. Nach und nach wurden diese Kampftruppen von oligarchisch strukturierten Gesellschaften organisiert. Dieses Geschäft verlangte hohe Investitionen. Allerdings sei auch die Rendite, vor allem in der Blütezeit des 17. und 18. Jahrhunderts, erheblich gewesen: bis zu 18 Prozent, was einigen Familien einen erheblichen Luxus ermöglichte, erklärt Auf der Maur im Zeit-Interview.


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Rund 30 Jahre nach der feierlichen Enthüllung des Löwendenkmals ging es zu Ende mit dem Schweizer Söldnertum – der relativ neue liberale Schweizer Bundesstaat verbat ab 1851 das Anwerben von dienstpflichtigen, ab 1853 von allen Einwohnern der Schweiz. Und dennoch Ende des 19. Jahrhunderts dienten Tausende Schweizer in der Fremdenlegion und im 20. Jahrhundert kämpften viele im spanischen Bürgerkrieg und einige für die Waffen-SS. Sie wurden allerdings nach Rückkehr in die Schweiz strafrechtlich verfolgt.
Vielleicht waren es diese hunderten Jahre im Lohndienst fremder Mächte, die die Schweiz, wie wir sie heute kennen geformt haben, vermuten Kommentatorinnen aus der Gegenwart: das Rote Kreuz wurde von einem Schweizer gegründet, der Rettung statt Grauen auf die internationalen Schlachtfelder brachte, die Neutralität entstand auch aus dem Bedürfnis verschiedenen Kriegsherren dienen zu können, die Banken waren früh da, das Geschäft mit den Soldaten zu nutzen.

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Aber ich will mir meine SchweizerInnen nicht vergraulen, ich behalt sie lieber so friedlich im Kopf, wie sie mir in Luzern begegnet sind. Z.B. am Ufschötti, dem Badeplatz, zu dem uns der Kulturflaneur dann geleitet hat, um endlich abzukühlen und die wehen Füße noch einmal auszuruhen. Unterwegs beim Inseli kamen wir bei einer doch etwas seltsam anmutenden Statue vorbei, die zwei Herrn im griffigen Clinch zeigte. So griffig, dass ich ganz vergaß und mich vielleicht auch ein wenig schämte, das Ganze im Bild festzuhalten. „Ähm?“, frug ich den Flaneur und Stadtbewohner. „Das ist das Schwingerdenkmal" kam melodiös zurück. Nun werden in meiner Tiroler Heimat vielseitig sexuell Interessierte mit S(ch)winger bezeichnet, aber denen ein noch dazu ziemlich homoerotisches Denkmal zu setzen würde ich weder meinen katholischen Landsleuten noch den mir von Emil bekannten Eidgenossen zutrauen. Um traditionelles Schweizer Ringen handle es sich beim Schwingen, erklärte mir Herr T. auf meinen verzweifelten Blick hin. „Hosenlupf“ und genauso sieht es aus.

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Das Ufschötti ist aufgeschüttet aus dem Aushub eines Tunnels und ist wie unsere Donauinsel ein Gratis Naherholungs- und Badegebiet, blitzsauber und wunderschön. Im Ufschötti geht es allerdings deutlich friedlicher zu als auf der Insel an heißen Tagen. Und um einiges leiser. Im Schatten eines Baumes lassen wir uns von Herrn T. und einer nach Berlin ausgewanderten Luzernerin über Schwingen und Wetterschmöcker auf. Ersteres werde gerade wieder modern, wie ich auch in der Zeitung des Nachbarn lesen kann, denn am Ufschötti bleibt heute keine Meter ungenutzt. Und letztere habe ich auf einer Bierflasche erspäht, die gibt es schon seit 70 Jahren, aber der Kulturflaneur scheint sie nicht sehr zu schätzen. Mit der Prognose für Juli haben sie jedenfalls soweit recht behalten: „Die ersten 3 Tage auch veränderlich. Pünktlich auf die Schulferien beginnt auch das traumhafte Sommerwetter und das bis Ende des Monats. Es gibt Leute die übernachten im Wasser, so warm ist es.“ Oh ja, das hätten wir Toll3sten auch gerne gemacht, im Wasser übernachtet. Doch diese Tag war noch nicht zu Ende – ein formidables Fest stand am Abend an und es galt nach Hause zu eilen und sich zu behübschen (und vielleicht doch noch kurz zu proben?)

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(Fortsetzung folgt)
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7
Jul
2015

Verschwyzt - Die Ankunft

Emil war mein erster Schweizer. Vielleicht auch Caroline. Alle beide – oder besser alle drei , man sollte Carolines ständigen Begleiter Herrn Urs Kliby nicht vergessen – waren regelmäßig Gast in unserem Wohnzimmer wie auch in allen großen Samstag-Abend Shows. Unser Kleinfamilie – Mama, Papa, ich – konnte sich vor Lachen schier ausschütten, wenn sie die Bühne betraten. Ich sehe meine Mutter Tränen lachen, ob der Puppe die denselben Namen, trug, auf den auch sie getauft war und ähnlich wie sie mit kleinen Frechheiten aufzutrumpfen wusste. Und ich höre das Bass-Lachen meines Vaters, wenn Emil den Polizisten mimte. Caroline und Emil, ihre Sprachmelodie, ihr Tempo, ihr Humor prägten meine Vorstellung von der Schweiz. Oh sicher, viele Kulturschaffende, DenkerInnen, SchreiberInnen, die ich verehre wurden dort geboren, haben dort gelebt, Exil gefunden.

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Meine Mama war nach dem Krieg in der Schweiz geschickt worden, als Teenager zum Aufpäppeln. Wohin habe ich vergessen, vielleicht auch nie gewusst. Spargel gab es dort für das Tiroler Maidle und große Liebe, die mehr in Briefen als in Berührungen ausgetragen wurde. Später ist er dann nach Hollywood gegangen, Mamas geliebter Schweizer, und hat mit der Monroe geschlafen – Fluss ohne Wiederkehr. „Aber mich hat er nicht bekommen“, erzählte Mama dem 1. Offizier. Vor einem Jahr war das.

Ich selbst kenne Zürich vor allem vom Durchfahren und aus dem Benn-Gedicht „Meinen Sie Zürich zum Beispiel sei eine tiefere Stadt“. Zürich brannte einst in Jugendunruhen und Jeanne Hersch habe ich in Wien erlebt. Natürlich habe ich Wilhelm Tell gelesen und eine Bahnbekanntschaft hat mir einen Lyrikband geschenkt. Und doch denk ich an die Schweiz, hör ich die Sprachmelodie und fühle die Geborgenheit gemeinsamen Lachens - und an Birchermüsli, Berge, Bauernkämpfe.

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Es war Emil, der uns gleich begrüßte, als ich gemeinsam mit den Toll3sten und dem 1. Offizier Samstags Mittag in Luzern ankam. Die wunder-volle Fröschin hatte uns eingeladen, mit ihr zu feiern und nur zu gerne, waren wir der Einladung gefolgt. Der 1. Offizier hatte uns und sich auf das Städtchen am Vierwaldstättersee vorbereitet und doch: Frösch übertraf alle unsere Erwartungen. Strahlendes Wetter, glitzerndes Wasser, eine Blumenpracht am Wochenmarkt, eben der Luzerner Emil, der wundervolle Singsang der Sprache - „Grüezi“ – und auch die Preisgestaltung, wie anderswo zu lesen. Die Toll3sten waren stilgerecht bei einem anderen Trio, das einst zu einem Wiegenfeste angereist war, untergebracht. Aufgrund der großen Hitze erkundigten wir uns sofort nach Bademöglickeiten – möglichst nah und vielleicht nicht teurer als zwei kleine Bier (2x5 SFr). Man könne schon auch irgendwo ins Wasser steigen, erklärte uns die nette Serviererin: „Am beschten dorrt, wo andere uch sit – in der Schweiz gibt’s teure Busen.“ Versonnen der Sprachmelodie lauschend fing ich den Blick des 1. Offiziers auf – jetzt dämmerte es uns – Bußgelder waren gemeint.

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Und so packten wir unsere Busen ein und machten uns auf den Weg zum Wasser. Nicht ohne jede Menge „Ahs“ und „Ohs“ für die Schönheiten der Stadt. Ob Totentanz auf der Holzbrücke oder die wundervoll bemalten Häuser, die Blumenpracht , die Grandhotels, der See, die Seen. Im Seebadi sind wir schließlich gelandet und waren ganz verliebt in das neue alte. Und so verging der Nachmittag entspannt mit Wellen- und Sprachgeplätscher begleitet.

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Am frühen Abend dann das Wiedersehen mit Frau Frosch. Die Österreichische Delegation mit Herrn Steppenhund und Frau Columbo war zum Grillfest nach Frogg Hall geladen – was für eine Ehre! Nur zehn Minuten sind es durch die Stadt, über die Stadtmauer und einen kleinen Hügel von der Kapellbrücke bis zum Maihofquartier. Dort schürte der Kulturflaneur bereits ein Feuerchen, Champagner wurde aufgetischt und St. Gallener Würstchen – ohne Senf zu essen - und doch haben den haben wir doch dazu gegeben. Die SchweizerInnen sind aber gar nicht so streng, wie man glauben möchte - statt teurer Busen wurden weitere Köstlichkeiten aufgetischt: Mini-Kaprizen und Torte. Was für ein reger Kulturaustausch und das rot-weiß-rote Blut war den Luzerner Mücken offenbar willkommene Abwechslung im Speiseplan…Spät nachts begleitet der 1. Offizier die Toll3sten nach Hause. Und uns war allen klar, warum die Luzerner auch als die Brasilianer der Schweiz gelten.

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(Fortsetzung folgt)
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30
Nov
2014

Sansibar III: Mein richtiges Herz. Das ist anderwärts, irgendwo Im Muschelkalk.

Salme, oh Salme, du Inselprinzessin. Wie musst du Sansibar vermisst haben. Schwanger hast du deine Insel verlassen, im vierten Monat, um der Steinigung zu entgehen; 22 Jahre alt, schwanger, von einem Ungläubigen, dem deutschen Kaufmann Heinrich Ruete. Er hatte in Stone Town im Nachbarhaus der vermögenden und selbstbewussten Sultanstocher gewohnt und über die Gassen der Stadt hinweg, ist ihre Liebe 1866 entstanden: „Das flache Dach des selben, lag unterhalb des meinem und von einem Fenster des oberen Stockwerks aus, war ich oftmals Zeuge von fröhlichen Herrengesellschaften, , die er, um mir die Art der europäischen Mahlzeiten zu zeigen, arrangiert hatte. Unsere Freundschaft, aus der sich mit der Zeit eine innige Liebe entwickelte, wurde bald in der Stadt bekannt und auch mein Bruder Majid erfuhr davon“, schreibt Emily Ruete, zu der sie im fernen Deutschland geworden war, zwanzig Jahre später in den „Memoiren einer Prinzessin aus Sansibar“. Noch auf der Fahrt wurde sie Christin. Drei Jahre später war sie Witwe, der geliebte Mann kam bei einem Pferdestraßenbahnunglück ums Leben. Sie musste drei Kinder durchbringen - die Memoiren, haben geholfen, gestorben in Jena, begraben in Hamburg. Nur einmal ist sie nach Sansibar zurückgekehrt. Ihr Leben lang hat sie sich danach gesehnt. Heute">http://www.mtoni.com/index.php/mtonipalace/item/44">Heute ist sie Folkore-Element und hilft so Konservierungsprojekte umzusetzen. Und so ist der Sultansdarsteller Fundi – Handwerker – bei Tag und Conferencier des Nachts.

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Aber die gibt es auch noch diese andere Seite der Geschichte, deren Schatten nicht zu übersehen ist.. Der Reichtum Sansibars, von dem die berühmten Türen Stone-Towns künden, beruhte auf Sklavenhandel. Fast zwei Jahrhundert lang war die Insel unter der Herrschaft des Sultans von Omar Zentrum des ostafrikanischen Sklavenhandels, der im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte. Salmes Vater, Said ibn Sultan, hat die legendären Gewürznelkenplantagen der Insel von Sklaven bestellen lassen. Als die Nachfrage aus den USA und Brasilien sank, wurde der Markt in den Nahen Osten verlegt. Wir standen vor Tippu-Tips Haus. Der berühmte Sklavenhändler mit aristokratischem Hintergrund – er war dabei als Stanley „Dr. Livingstone, I presume?“ http://de.wikipedia.org/wiki/David_Livingstone sagte. Kerker und Höhlen zeugen von dieser Zeit, Menschenlager, in denen diejenigen, die die lange Reise aus dem Herzen Afrikas auf die Gewürzinsel überlebt haben, wie Sardinen gestapelt wurden, bevor sie frisch geölt am Marktplatz verkauft wurden. Manche wurden unterwegs entsorgt auf hoher See, wenn Kontrollschiffe der Briten nahten. Lampedusa kommt mir in den Sinn. Und Reunion. Inselwelten.

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Längst ist es ein Monat her, dass wir zurück sind, das Christkind war da und die Haut des 1. Offizier ist noch immer gerötet vom „Henna“-Tatoo von Mama Africa. Und nachdem ich aus dem Tränensee rund ums Fest wieder aufgetaucht bin, sind wir mit den Maidsen, den bezaubernden Nichten des Geliebtesten im Nixenkostüm untergetaucht. Es gibt ein Leben nach dem Tod.

So viel Glück ist mir beschieden. Allzeit gute Fahrt und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel…

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Nachtrag Sansibar II: Wenn man einmal in Sansibar

Schnell hat uns die Insel erreicht und wir sie. Gerüche, Geräusche, die Temperatur bei 30 Grad angenehm. Das Hotel passt; für, zu uns. „Mbweni Ruins“. Ylang-Ylang Zimmer, 1. Stock, Kolonialstil, blau und dunkles Holz, sauber, sehr. Ein kleines Reich mit Moskitonetz und warmen Licht, mit Terrasse und Kerze. Zu unseren Füßen Bar und Strand – und das Meer; wenn es da ist. Gerade in diesen November-Vollmondnächten nahe des Äquators zieht es sich alles sechs Stunden weit zurück, noch weiter als sonst, um dann wiederzukehren – rudi - und die Mangroven zu umspülen. So blau, so klar und rein. Das Meer ist eine Frau. Unser Meer nannten wir es schnell. Bahari.

Und die Menschen, so schöne Menschen. Die Männer oft Lauser, verschmitzt, schlau, und doch auch stolz – die Frauen Königinnen, kaum eine trägt ihr Haar unbedeckt und selbst jene, die sich Big Mama nennt und mir ein überteuertes sicher hochallergenes Henna Tattoo auf meine Hand pinselt, in Stone Town, im Fort, wo nur Touris sind und die Händlerinnen, befolgt das Gebot. Big Mama trägt Perücke, stelle ich fest. Da sitz ich mit meinen wilden Haaren und lass mir die Hand bemalen, während die Frauen um mich schnattern und jeden, der den Kopf bei der Pforte im alten Gemäuer herein steckt mit Karibu, Jambo, „Come in, Mister“ begrüßen. Die verrückte Judy trägt kein Kopftuch, sie ist die einzige. Nur eine Schleife im Haar. Wie eine Negerpuppe – so heißen die bei uns in die Tirol, so hießen sie und so nennen sie auch meine kleine Prinzessin. Wie eine Negerpuppe – und sie spielt mit einer kleinen roten Katze in ihrem Schoß. Ich fühle mich so geborgen, dass ich wieder kehre – wie versprochen – um viel zu teuer halbherzig feilschend bunte Kangas und ein wallendes Gewand zu kaufen.

Immer gleich und doch anders; das mit den Inseln. Auf den Inseln bist du immer fremd, im besten Fall Gast - oft ein Leben lang. In die großen Städte kann man eintauchen, in ihnen untertauchen, Teil werden; nicht auf der Insel. Und schon gar nicht auf einer afrikanischen Insel. „Can I help You?“ fragt der Sansibari im Postgebäude in Stone Town: „This is a Tourist Office, You are a tourist…“ „How did You know?“ Er versteht den angedeuteten Scherz, grinst schelmisch: „You are not Sansibari.“ Es gibt so etwas inseliges. Offen müssen sie sein die Menschen auf den Eilanden für Gäste und Eroberer, die so eine Insel schnell im Vorübergehen nehmen. Manchmal bleiben; und doch nie dazu gehören. Auf den Inseln kennt JedeR JedeN, man ist verwandt, fremd bleibt fremd, ob von der nächsten Insel oder dem nächsten Tal. Denn Tirol ist eine Insel.

Auch auf dieser Insel – so scheint es – kennt man sich. Noch Tage später schenken uns jene, die uns auf unserem ersten Irrgang durch Stone Town begegnet sind, ein vertrautes Lächeln. Oder auch nicht. Vielleicht ist es auch nur dieses Touristenlächeln und sie tun sich so schwer unsere Gesichter zu unterscheiden, wie wir es mit den ihrigen tun. Ach, diese Gassen, auch sie schwer zu unterscheiden mit den Steinbänken vor den Häusern, den Türen, ja natürlich den Türen und den Souvenirgeschäften. Exotisch; alles. Da waren wir doch schon und da und da und da noch nie. Kaum Graffities, mehr Geschäfte und Moscheen – über 40 – und zwei Kirchen machen den Unterschied, sorgen für Wiedererkennung.

Und dann retten sie uns, die Alis, die Kemals, füttern uns mit knallrotem Mabuyu und führen uns zum Geldautomaten, zum Hafen, raus aus dem Straßengewirr. Sie zeigen uns die Schätze ihres Landes, Sef der Gewürzgartenguide, der uns stolz jede Pflanze erklärt: „Überall auf der Welt kann man diese Pflanze nur alle sechs Monate erneten. In Sansibar: Zwei Mal im Jahr.“ Und Mo, sein Assistent, bespaßt uns mit kunstvollem Flechtwerk, ein Armband, eine Krawatte, eine Krone, ein Hut. Oh ja, wir sind Touristen und als solche in aller gebotenen Lächerlichkeit Preis gegeben – aber schön ist es doch. Und so bewundern wir den, der sich „Makuna Hatata und „Malaika“ singend auf die Palme bringt und uns mit Kokosnüssen versorgt.

Manchmal gelingt es uns, kurz den Touristenpfad zu verlassen, andere Zugänge zu finden, zueinander. Dass unsere Heimat dort nicht wirklich bekannt ist, erleichtert das nicht unbedingt. Kijerumani, Germany beharren die Einheimischen mit demselben milden Lächeln mit dem sie unsere Laut-legasthenischen Suahili-Versuche quittieren. Nur die Seifenblasen können Wunder wirken und bringen die Zähne von harten Bootsmännern kleinen Kindern und deren schönen Müttern zum Blitzen.

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862 mal erzählt

30
Nov
2014

Nachtrag Sansibar I: Glaube mir, liebes Kind…

„Zzzzanzzzzzzibar“, trällerte das Gotlkind zum Abschied fröhlich, fast wie eine Beschwörungsformel. Sie hat es richtig ausgesprochen, sagt der 1. Offizier am letzten Tag in Zanzibar, Sansibar. Das S klingt wie die Grillen im Baum vor unserem Hotelzimmer. Das Wort allein, verspricht Paradiese. Der schönste Platz meinte einer, dem ich vertraue, vor vielen Jahren, Herr Nikowitz als Backpacker und überhaupt Welt erfahren. „Wenn du mich fragst, wo es am schönsten war, sag ich Sansibar“.

Ich bin Urlaubsstreberin – ich stimme mich gerne ein, ich liebe das Abenteuer, aber das stellt sich soundso von selbst ein. Also haben wir vom Vorderdeck aus gebucht, sind im Netz an die Insel herangesurft und haben mit Amo und Noreen genau die Richtigen erwischt. Und dann Planungsphase; Suaheli lernen, nicht nur per aufgeklebter Zettel am Klo, auch per App und auch als Extrakategorie beim wöchentlichen Badewannen-Scrabble eingeführt. „Soma“.„Mbili Pombe, asante sane.“ „Ninakupenda“ und „Jambo“, natürlich Jambo. „Sijambo“ „Mambo“ „Pfoah.“ Ein paar Zahlen, und Tiernamen…Kuku. Mbuzi. Ngombe. Kompjuta.

Hapane heißt „Nein“. Was für ein langes Wort um „Nein“ zu sagen, drei ganze Silben, wo uns eine genügt, ein ausatmendes Ha, wo wir mit der Zungenspitze an den Vorderzähnen den Mund verschließen, bleibt dieses Nein offen. Hakuna Matata.

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2
Aug
2011

Lun Zen

Zum Frühstück kommt die Jugend etwas später, wie die nette Zimmervermieterin im Herrgottsschnitzerhaus es ausdrückt. Die Jugend lacht und ich mit ihr. Zu viert hatten wir uns aufgemacht zu einer Landpartie, die innen und außen so schönen jungen Menschen, die seit dem perfect day mein Leben bereichern, der Eine und ich. So viele erste Male, wenn die Liebe entsteht und man sich neu erfindet oder besser findet, sich wieder entdeckt in anderen Augen, in anderen Welten. Wenn man Türen und Fenster öffnet in das Leben des anderen, wir, die wir uns lieben und die, die uns schon lange lieben. Und eine Landpartie mit Kräuterwanderung, Feuerwehrfest und Untertauchen im Bergsee. Ganz großes Kino eben.

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Sie hat feuerrote Haare, wie es sich für eine Hexe gehört und wartet bereits auf uns. Kennen gelernt habe ich sie im Naikan und Jujukinkai. In langem Schweigen, bei Arbeitsmeditation und Meditationsmärschen hat sich mein Blick immer wieder an ihr Nackentattooo geklammert und ich habe still Haltung und Disziplin des schönen Mädchens bewundert. Die alte Hütte haben wir gemeinsam ausgeräumt, erinnert sie sich und mich später, als wir nach der Wanderung gemeinsam Bier trinken: „Du hast mir einen Schmetterling geschenkt, den habe ich noch immer.“ Ich freue mich, freue mich über die wundervolle Frau, die uns die Geheimnisse am Wegesrand aufschließt.

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Mit der Brennessel weckt sie unser Interesse und spätestens beim Holler hat sie uns gewonnen, der Eine zieht den Hut in Respekt vor der magischen Schwellenpflanze. Wundersame alte Geschichten und Weisheiten hat sie zu wundheilenden Spitzwegerich, der ausgleichenden Schafgarbe oder der magischen Engelswurz, zu erzählen. Sie lehrt uns rasch die Wirkung der Pflanzen mit ihrer Form, ihren Farben, ihren Blättern ihrem ganzen Wesen zu verknüpfen.

Voll Glück beobachte ich die kleine Reisegesellschaft, die so wie ich von der guten Hexe begeistert ist. Ihre Großmutter habe ihr viel beigebracht, erzählt sie mir und ich bin mir sicher, dass sie all das an ihre kleine Tochter weiter geben wird. Später erzählt sie, dass sie singt – einer Punkband und die beiden Musiker am Tisch freuen sich – immer wieder schließen sich Kreise. „Hexen menstruieren nicht gemeinsam im Mondschein“ erkläre ich dem Einen, nachdem sie heim gefahren ist. „Hexen sind Punk, unangepasste, rebellische Frauen mit dem Wissen über Rausch, Verhütung, Heilung; die Walpurgisnacht ist Punk.“ Wir werden sie wieder sehen.

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Später dann Balkongelächter bei strömendem Regen in dicke Decken gehüllt. Geschichten erzählen, geben, nehmen und viel Lachen. Die Leben verschränken sich behutsam und stetig ein wenig sicherer wie unsere Hände, wenn wir sie zärtlich umeinander schlingen und fast nicht mehr erkennen, welcher Finger zu wem gehört. Spinal Tap und das Fest des Huhns und Landleben und Feuerwehrfest und Grillhendel und Bier und Seifenblasen, immer wieder Seifenblasen.

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Am nächsten Tag dann Tauchen – so lange habe ich vom Eintauchen in Bergseen gesprochen, jetzt will ich es auch tun. Doch ob ich das wirklich will, in einen Anzug gequetscht ins 14 Grad kalte Wasser zu steigen, ausgerechnet ich, die ich diesen Sport stets nur als kleines Urlaubsextra, meist überredet und immer nur von bunten Fischen zu tröstenden Angstgefühlen ausgeübt habe. Ironie des Schicksals, auf der Hochzeitsreise habe ich Tauchen gelernt, und dieser Mini-Honigmond lockt mich erstmals in heimisches Süßwasser. Doch die Angst überwinde ich; und dabei hilft mir auch die fröhliche junge Freundin, die diese Angst teilt. Und dann tauche ich in klaren Bergseen, schwerelos und sicher, ich höre meinen Atem und ich drehe mich auf den Rücken und schaue nach oben. Nur kurz verliere ich die Orientierung und bekomme Panik, aber während ich von Blasen umtanzt aufsteige, sehe ich in die Augen, die die Farbe des Sees haben. Der Mut hat sich ausgezahlt. Die Jugend bleibt, so hoffe ich, länger. So viele Wunder-volle Menschen – danke.

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3920 mal erzählt

7
Jun
2011

Someone good….

Just a perfect day,

Der ungarische Radiosender spielt das Lied, das mich wohl mehr als 20 Jahre begleitet, unsere Freunde haben es auf unserer Hochzeit gesungen, immer wieder erklingt es auf wunderbare Weise in besonderen Augenblicken und ich wünsche mir, dass es mich noch weiter an Punkten meines Lebens berührt, bis es schließlich bei meinem Begräbnis gespielt wird. Ich sitze auf der Rückbank eines vollbepackten Autos. Meine Reisebegleiter an diesem Vorsommermittag habe ich erst vor wenigen Stunden kennen gelernt, es sind so angenehme Menschen und die Unsicherheit, die mich noch am Morgen umfangen hielt, ist längst verflogen. Urlaubsreisegefühle auf einer ungarischen Landstraße, wie so oft auf meinen Reisen von Lou Reed begleitet. Wir fahren an einem blühenden Mohnfeld vorbei.

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Problems all left alone,


Kilometer für Kilometer fällt der Streß der letzten Tage von mir ab, eben noch in Brüssel und gewaltige ToDo-Listen für die nächsten Wochen, ein fast fertiger Artikel und die schrittweise Auflösung meiner Ehe. Ich bin unterwegs in ein anderes Leben, auch wenn Filme vergangener Urlaube in meinem Kopf auftauchen. So oft in fröhlicher Runde in vollbepackten Autos oder der Mann und ich allein in Mietautos in fremden Ländern, Musik auf Anschlag. Und während das junge Paar von seinen Reisen erzählt, trage ich weniger bei, als ich könnte, müsst ich doch wir sagen und will es nicht erklären. Und wann und über alte Zeiten reden und das will ich auch nicht.

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Weekenders on our own.

Und irgendwann komme ich an bei diesen neuen Menschen, bei dem Teil von mir, der hierher gehört. Manche könnten meine Kinder sein und dann wäre ich sehr stolz auf sie. Doch im Grunde sind wir wieder einmal nichts anderes als eine glückliche Wochenendwohngemeinschaft am Balaton. Zu Land und zu Wasser. Piraten und Piratenköniginnen; FreibeuterInnen.

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It's such fun.

Trinken und lachen und teilen: Freude, Wasser, Langos. Seifenblasen und Schlachtgesänge, kleine und große Abenteuer, Verwandte und Wahlverwandte. Musik. Party, blitzende Augen und schöne Gesichter und ein Quäntchen stilles Drama und Tränen und Blues. Tanzen und trinken. Vertrauen, Wärme, Nähe und lachen - bis der Bauch weh tut.

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Just a perfect day,

Rosenbüsche am Wegesrand, Leben mischen sich, Bands, Songs, Werbesprüche, Kreuzungen des Seins, Sonne über dem See, ein gelöstes Kreuzworträtsel. Die Yellow-Brick-Road zum Strand. Totes Fleisch vom heißen Grill und das Kompliment einer ungarischen Mama. Nachts barfuss in den Nachbarort spazieren, während es langsam hell wird. Von der Sonne geweckt werden.

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You made me forget myself.

All die Parameter meines Seins wie Alter, Beruf, Familienstand, Vermögen, persönliche Geschichte, der gemeinsame Weg und seine Knoten, der mich sonst auf diesen Festen mit den Mitfeiernden verbindet, fallen von mir ab. Ich vergesse, dass ich zu laut bin, zu alt, zu betrunken, zu fordernd, zu chaotisch, zu politisch.

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I thought I was someone else,

Sie rufen mich mit meinem Kindernamen, so wurde ich auch damals gerufen, vor langer Zeit von Dino, dem Gastgeber, treuer Herzensfreund, der immer da war über die Jahre, wie ein Zeitloch verbindet mich all das mit dem Lebensgefühl jener Jahre. Ich bin noch immer die, denke ich mir.

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Someone good.

Vielleicht ein bisschen besser, hoffe ich, nicht so egoistisch, nicht so selbst eingenommen, nicht so triebhaft. Und kurz fühlt es sich auch so an.

Bis ich zu Hause registriere, dass ich den Geburstag der Seidenen vergessen habe. So viele Perfect Days habe ich mit der geliebten Freundin verbracht; so oft hat sie mich getröstet, wenn ich gekränkt wurde und jetzt bin ich die Kränkende. Ich schäme mich. Zutiefst.

I thought I was someone else,
Someone good.



You just keep me hanging on,

You're going to reap just what you sow...
2369 mal erzählt

25
Aug
2010

Carmen-Story

Sacromonte mittags im August ist mindestens so heiß, wie ich mir Sacramento vorstelle. Zugegeben der Kalauer ist irgendwie billig, begleitet aber um 14 Uhr in glühender Hitze jeden meiner Schritte. Immer bergauf durch verwinkelte Gassen vorbei an Flamenco-Bars, Häusern und Höhlen, weit und breit kein Mensch, nicht einmal Touris wie wir.

Und dann dieses wunderbare Stilleben: Am Ende einer Steigung sitzt eine alte Frau auf einem Schattenbankerl, zu ihren Füßen Katzen. „Fotografier das“, weise ich den Liebsten an, der den Fotoapparat schussbereit um den Hals hängen hat. Später merke ich, dass die Frau in der lila Kittelschürze wahrscheinlich so alt wie ich ist und mit dem Handy telefoniert.

Wort für Wort dringt das Gift über ihr Ohr in ihre Seele ein. Carmen hatte sich vor die Türe geflüchtet als der Anruf kam, Jose zelebriert seine Siesta lang ausgestreckt im gemeinsamen Ehebett. Er war spät nach Hause gekommen. Drei bis vier Mal die Woche spielt er Gitarre in einer der Flamenco-Zambras. Früher hatte sie dazu getanzt aber das war lange her, fünf Kinder und ein Leben. Heute zieht er allein los und sie weiß, dass er nicht allein bleibt. Carmen fühlt sich alt und müde. Und jedes Wort, das ihre Freundin Ana ins Telefon zischte, machte sie noch älter und müder. Wut, Verzweiflung, Einsamkeit treiben ihr die Tränen in die Augen.

Ausgerechnet jetzt schwitzten Touristen den Hügel herauf, ein langhaariger Typ mit Fotoapparat, eine Frau, wie blöd musste man sein, um in der Mittagshitze durch die Gegend zu spazieren? Carmen hofft, dass sie vorbeigehen, aber die fremde Frau mit dem roten Rucksack nimmt auf der Bank neben dem Brunnen in der prallen Sonne Platz und der Langhaarige fotografiert sie. Carmen will weg.

Kurz begegnen sich unsere Augen – die Frau in der Kittelschürze weint. „Setz dich dahin“, sagt der Liebste und leicht genervt leiste ich seiner Aufforderung Folge, hatte ich mich doch so oft beklagt, dass er mich so selten fotografiere. So halte ich also still, schau schön, während die Frau ins Haus gegenüber eilt. Warum sie wohl weint? Die Katzen weinen auch. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper kommt mit der Schubkarre vorbei, er lächelt mich an. Der Liebste steigt weiter nach oben in Richtung Kirche. Die Hitze ist unerträglich. Auf dem kleinene Brunnen steht ein Satz, den ich nicht verstehe, von dem ich aber weiß, dass er schön ist.

Fremd fühl ich mich, als Eindringling. Auch dort oben gebe es Höhlen, neuere, frisch gegrabene, berichtet der Liebste, Aussteiger wohnten dort. Ich soll sie mir ansehen. Ich will nicht weiter stören, dränge darauf weiter zu gehen, das Museum zu suchen. Wir gehen an dem Haus vorbei, in dem Carmen verschwunden ist. „Esta mujer, esta mujer, esta mujer..“, höre ich sie drinnen schreien, Jose wird wohl jetzt wach sein.

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1525 mal erzählt

16
Aug
2010

Villa Verdi(e)n(t)

Es ist schon seltsam mit den kleinen elektronischen Freunden, die uns Leben und Kommunikation erleichtern, manchmal scheinen sie lebendig, wie mein neues Handy dessen Rechtschreibprogramm den Namen meines derzeitigen Aufenthalts elegant in Villa Verdient umgewandelt hat. Und verdient hab ich sie mir die drei Tage Sommerfrische am Millstätter See, noch Sommer, schon frisch. Dabei hatte ich gerade Urlaub, hab mit dem Mann Andalusien erfahren mit allem Drum und Dran, Sevilla, Cordoba, Granada, Alhambra, Landschaft, Moscheen, Kirchen und gutes Essen, feine Weine, verloren geglaubte Nähe beim gemeinsamen Reisen. So scheint es mir fast unverschämt, dass wir uns jetzt noch Urlaub vom Urlaub nehmen, hier in dem feinen, kleinen Hotel.

Es schüttet, als wir ankommen und das türkise Zimmer beziehen, Seeblick haben Gianni und Tom für uns reserviert. Wir haben hier einmal Silvester gefeiert, vor keine Ahnung wie vielen Jahren, mit Freunden und Bekannten, auch solchen, die nicht nur uns bekannt sind, Medienmenschen, Szeneleuten. Und doch war es fein und besonders und hat den Wunsch keimen lassen, wiederzukommen.

Das erste Bier hole ich unten an der Bar, direkt bei Gianni, dem zarteren der beiden Hausherren und melde uns gleich fürs Abendessen an. Das Auge freut sich über all die vertrauten Bilder, die kitschig schön gestalteten Winkel und Ecken der alten Villa. Hier ein Buddhagesicht, dort eine Kleiderpuppe mit Pelzjäckchen. Eine Diskokugel zaubert bunte Lichter in den Vorraum, Kerzen erhellen die Tische. Schöne Menschen sieht man hier. Kein Fernseher weit und breit, nur Bücher und Zeitschriften überall, stapelweise in den Gängen auf den Zimmern. Als wir oben mit dem Bier anstoßen klingt von unten „Somewhere over the rainbow“ durchs geöffnete Fenster. Passt.

Die Bobos machen Urlaub hier, die schönen, jungen, hetero- und homosexuell, paarweise, mit Kindern und Hunden. Zwei alte Damen aus Ungarn ebenfalls. Den großen Tisch teilen wir mit Einheimischen, vertrauten Kärntner Singsang im Ohr, Vorurteile im Kopf. Nordslowenien.

Im kühlen klaren See schwimmend denke ich an meinen Vater. Er hat Wasser geliebt, ist so gerne geschwommen. Das Wasser hat ihn wohl leicht gemacht, die dünne Haut sanft umspült und das Schwimmen hat ihm das Atmen erleichtert. „Er hätte so gerne noch einmal ein Vollbad genommen“, hat die Mutter irgendwann erzählt.

Heute dann Massage. Evas wissende Hände erreichen schnell den Schmerzpunkt - „zwischen Herz und Kopf ist ein Knoten“, sagt sie und spricht von Liebe und Loslassen. „Ich lasse los“, sage ich, stoße die Worte aus, wie die Atemzüge und merke doch, wie ich etwas zurückhalte im Gewirr der Gedanken Eva arbeitet es aus meine Körper, manchmal hält sie inne und atmet für mich aus, lässt für mich los, ich spüre, wie sie spürt. Es ist gut, tut gut.

Auf dem Kleid, das ich trage steht: Danke mir geht’s gut!
In meinen Augen auch.

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1411 mal erzählt
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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Im Bilde

18-03-13-2

Soundtrack

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Wenn ich schon geahnt...
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katiza - 22. Feb, 15:42
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Alle Kraft für ihn!
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