Drowned
Und kein Ende. Fast schon keine Tränen mehr. Der Moser ist tot. Ertrunken in Vietnam.
Plötzlich stand er neben mir. Ein blond gelockter, fröhlicher Bär mit blitzenden Augen. Er legte einen Stapel Schallplatten neben die Revox, Haindling, Capers, Söllner und allerlei Rares mehr und begann zu reden. Der Moser eben. Später fuhren wir gemeinsam zur Holzalm Vikt, einem heimischen Original. Ich machte eine Radioreportage fürs Tiroler Sommerradio, mein Ferialjob und Einstieg in die Branche. Die Frau hatte ihr Leben auf der Alm verbracht als Sennerin und Hüttenwirtin und erzählte jede Menge Geschichten, die mir der Moser dann im Studio übersetzen musste. Ich habe den Dialekt kaum verstanden. "Und wenns nit wohr isch, isch ös aft guat dalogen", beendete sie jede ihrer Geschichten.
Dem Moser gefiel ich und so unternahm er viel mir zu gefallen. Und so wie er mich für Tirol und Musik begeistern konnte, begeisterte er mich für sich. Der Moser war per Du mit der Welt. Er war per Du mit dem Leben. Das muss nicht immer schön sein. Aber mit Gedanken darüber hat sich der Moser nie aufgehalten. Er war kein Jammerer, manchmal war er vielleicht ein Angeber. Er wirkte vielleicht hin und wieder wie ein Dampfplauderer, aber diese heiße Luft bewegte eine Menge. "Ehrlich."
Plötzlich wohnte er in meinem Heimatort. Manchmal spazierte ich abends zu ihm und wir tranken und rauchten. Eine Freundin lebte bei ihm und seltsame Bands bevölkerten die seltsame WG. "Half Japanese" fallen mir ein. Abende im Bogen 13. Trommeln eines indischen Bergbauern. Jamaikanischer Glühwein. Die ganze Welt war für den Moser ein bissl wie die Wildschönau. Und umgekehrt. Van Morrison und Georgie Fame. Ein Abend in der Diana-Bar. Der Moser hatte "heißen Dienst" für die lokale Nachrichtensendung. Und den zweiten Whiskey. Er wurde ausgepiepst. Im Oberland sei eine Sennerin abgestürzt. Er solle ausrücken. "Und was soll i tuan? Weinende Kiah filmen?" Sein meckerndes Lachen ertönte. Wie wenn er davon erzählte, dass er verwarnt wurde, weil er einen Beitrag über Hochwasser in Innsbruck mit "Bridge over troubled water" unterlegt hatte. "Ehrlich", und er rollt die Bärenaugen. Er hat mich seiner Familie vorgestellt, in Brixlegg, der Mama und den Geschwistern mit den knuffeligen Moser-Gesichtern.
Aber verliebt war ich dann in einen anderen. Und als ich ihn küsste in Mosers Wohnung bin ich mir wie eine Betrügerin vorgekommen. Aber ich habe weiter gemacht. Ich war ja ein böses Mädchen. Der Moser ist mein Freund geblieben.
Plötzlich läutete er an meine Wiener Wohnungstür. Er wolle endlich das Beisl sehen in dem ich arbeitete, lachte er und stolperte mit einer Flasche Meisterwurz in mein Leben. Wir haben dann das G-Punkt versenkt und eine Kollegin aus dem Schlaf geklingelt. Ich schmecke Schnaps, wenn ich nur an diese Nacht denke. Ich hör den Moser meckern und sehe in seine Bärenaugen. Ich weiß bis heute nicht, ob wir miteinander geschlafen haben in meinem klapprigen Messingbett. Er hat gemeint: Ja "Ehrlich".
Plötzlich saß Mosers Schwester in der Daily Talk Show. Biobäuerin und unglücklich. Und der protzige Kollege, der sie im Luxushotel vögelte und ihr Leben ins wanken brachte. Und da war der Moser wieder da. Er und der Teufel wohnten zusammen. Bei den kostbarsten Menschen, den liebenden GrenzgängerInnen traf ich immer wieder den Moser. Und immer war er auch Tirol, im positivsten Sinn für mich. Er erschien mir wie jene Zillertaler Sänger, die im 19.Jahrhundert mit ihrer Musik die Welt bereisten.
Ich seh ihn auf meiner Hochzeit stehen, ein Sektglas in der Hand. Er sitzt mit einem Schnapsglas bei uns im Wohnzimmer. Kostbare Musik am Tisch ausgebreitet: Die Knödel, Dienz, Dancehallfieber, Texta, Attwenger, Sean Paul, begeistert und begeisternd. Immer, wenn etwas sehr gut und auch schräg war, hatte der Moser seine Finger im Spiel. Besessen von Musik und den Menschen die sie machten. Immer, wenn ich nicht damit rechnete, war der Moser plötzlich da. Fünf Stunden Speisewagen zwischen Wörgl und Wien. Kiffen am Klo zwischen Wien und Innsbruck. Konzerte, Szene, Feste. Einmal Silvester haben wir uns am Flugahfen getroffen. Er kam aus Jamaica, wir wollten irgendwo hinfliegen, egal wohin. Immer plötzlich, nie überraschend und schon gar nie erschreckend. Oft zu zweit, mit Birgit, seiner Frau. Das strahlende Erkennen, die feste Umarmung, Haare aus dem Gesicht streifen. "Ha, Du?" Meckern. "Ehrlich."
Plötzlich ist er vom Meer geholt worden. So viele Abschiede ohne Wiedersehen, ach Christoph. Moser. "Ehrlich."
Plötzlich stand er neben mir. Ein blond gelockter, fröhlicher Bär mit blitzenden Augen. Er legte einen Stapel Schallplatten neben die Revox, Haindling, Capers, Söllner und allerlei Rares mehr und begann zu reden. Der Moser eben. Später fuhren wir gemeinsam zur Holzalm Vikt, einem heimischen Original. Ich machte eine Radioreportage fürs Tiroler Sommerradio, mein Ferialjob und Einstieg in die Branche. Die Frau hatte ihr Leben auf der Alm verbracht als Sennerin und Hüttenwirtin und erzählte jede Menge Geschichten, die mir der Moser dann im Studio übersetzen musste. Ich habe den Dialekt kaum verstanden. "Und wenns nit wohr isch, isch ös aft guat dalogen", beendete sie jede ihrer Geschichten.
Dem Moser gefiel ich und so unternahm er viel mir zu gefallen. Und so wie er mich für Tirol und Musik begeistern konnte, begeisterte er mich für sich. Der Moser war per Du mit der Welt. Er war per Du mit dem Leben. Das muss nicht immer schön sein. Aber mit Gedanken darüber hat sich der Moser nie aufgehalten. Er war kein Jammerer, manchmal war er vielleicht ein Angeber. Er wirkte vielleicht hin und wieder wie ein Dampfplauderer, aber diese heiße Luft bewegte eine Menge. "Ehrlich."
Plötzlich wohnte er in meinem Heimatort. Manchmal spazierte ich abends zu ihm und wir tranken und rauchten. Eine Freundin lebte bei ihm und seltsame Bands bevölkerten die seltsame WG. "Half Japanese" fallen mir ein. Abende im Bogen 13. Trommeln eines indischen Bergbauern. Jamaikanischer Glühwein. Die ganze Welt war für den Moser ein bissl wie die Wildschönau. Und umgekehrt. Van Morrison und Georgie Fame. Ein Abend in der Diana-Bar. Der Moser hatte "heißen Dienst" für die lokale Nachrichtensendung. Und den zweiten Whiskey. Er wurde ausgepiepst. Im Oberland sei eine Sennerin abgestürzt. Er solle ausrücken. "Und was soll i tuan? Weinende Kiah filmen?" Sein meckerndes Lachen ertönte. Wie wenn er davon erzählte, dass er verwarnt wurde, weil er einen Beitrag über Hochwasser in Innsbruck mit "Bridge over troubled water" unterlegt hatte. "Ehrlich", und er rollt die Bärenaugen. Er hat mich seiner Familie vorgestellt, in Brixlegg, der Mama und den Geschwistern mit den knuffeligen Moser-Gesichtern.
Aber verliebt war ich dann in einen anderen. Und als ich ihn küsste in Mosers Wohnung bin ich mir wie eine Betrügerin vorgekommen. Aber ich habe weiter gemacht. Ich war ja ein böses Mädchen. Der Moser ist mein Freund geblieben.
Plötzlich läutete er an meine Wiener Wohnungstür. Er wolle endlich das Beisl sehen in dem ich arbeitete, lachte er und stolperte mit einer Flasche Meisterwurz in mein Leben. Wir haben dann das G-Punkt versenkt und eine Kollegin aus dem Schlaf geklingelt. Ich schmecke Schnaps, wenn ich nur an diese Nacht denke. Ich hör den Moser meckern und sehe in seine Bärenaugen. Ich weiß bis heute nicht, ob wir miteinander geschlafen haben in meinem klapprigen Messingbett. Er hat gemeint: Ja "Ehrlich".
Plötzlich saß Mosers Schwester in der Daily Talk Show. Biobäuerin und unglücklich. Und der protzige Kollege, der sie im Luxushotel vögelte und ihr Leben ins wanken brachte. Und da war der Moser wieder da. Er und der Teufel wohnten zusammen. Bei den kostbarsten Menschen, den liebenden GrenzgängerInnen traf ich immer wieder den Moser. Und immer war er auch Tirol, im positivsten Sinn für mich. Er erschien mir wie jene Zillertaler Sänger, die im 19.Jahrhundert mit ihrer Musik die Welt bereisten.
Ich seh ihn auf meiner Hochzeit stehen, ein Sektglas in der Hand. Er sitzt mit einem Schnapsglas bei uns im Wohnzimmer. Kostbare Musik am Tisch ausgebreitet: Die Knödel, Dienz, Dancehallfieber, Texta, Attwenger, Sean Paul, begeistert und begeisternd. Immer, wenn etwas sehr gut und auch schräg war, hatte der Moser seine Finger im Spiel. Besessen von Musik und den Menschen die sie machten. Immer, wenn ich nicht damit rechnete, war der Moser plötzlich da. Fünf Stunden Speisewagen zwischen Wörgl und Wien. Kiffen am Klo zwischen Wien und Innsbruck. Konzerte, Szene, Feste. Einmal Silvester haben wir uns am Flugahfen getroffen. Er kam aus Jamaica, wir wollten irgendwo hinfliegen, egal wohin. Immer plötzlich, nie überraschend und schon gar nie erschreckend. Oft zu zweit, mit Birgit, seiner Frau. Das strahlende Erkennen, die feste Umarmung, Haare aus dem Gesicht streifen. "Ha, Du?" Meckern. "Ehrlich."
Plötzlich ist er vom Meer geholt worden. So viele Abschiede ohne Wiedersehen, ach Christoph. Moser. "Ehrlich."
katiza - 4. Dez, 15:23
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
3058 mal erzählt
diefrogg - 6. Dez, 17:24
Jedenfalls...
hat er hier einen wunderschönen Nachruf bekommen, der Moser. Ehrlich!
testsiegerin - 6. Dez, 17:30
Du hast den Moser für uns wieder zum Leben erweckt. Wenigstens ein bisschen. Wenigstens mir kommt er nach deinem Nachruf sehr lebendig vor.
Trackback URL:
https://katiza.twoday.net/stories/5365870/modTrackback