14
Aug
2020

Pfiad di, Wolf

Bitte Nini, keine Lyrik.

Das hast du mir geschrieben damals, Wolf, als Elisabeth gestorben ist. Ich hatte Rilkes Schlussstück – mein Mantra zu Tod und Sterben - zitiert. „Der Tod ist groß.“ Zwei Tage vorher hattest du mich angerufen: „Nini, du kennst di aus mit dem Tod, Elisabeth stirbt“. So hat unsere Freundschaft begonnen. Wir kannten uns aus dem Grätzel, dem PoC, der Bar. Wir mussten uns nicht verabreden, wir trafen uns so. Und redeten, erzählten. Wir mochten uns. Wir waren im selben Alter, eben langsam auch Alter. Mit gelebten Leben. Manchmal hat mich dein Raucherhusten vom 4. Stock ins Cafe gerufen. Wir hatten gute Gespräche, auch damals schon. Auch über den Tod. Und nachher mehr.

Reden, reden konntest du, konnten wir. Du warst interessiert. Du warst immer interessiert. An so vielen Dingen. An Wissen, an Handwerk, an Leben. Ein Genussmensch. Mit Tiefgang. Du wusstest – so schien es mir zumindest – was du essen, trinken, rauchen, reden, tun wolltest. Und weshalb genau das jetzt und wie. Ein guter Wolf warst du, kein einsamer, schon ein Rudeltier. Mit Narben und manchmal hatschend, knurrend und heulend hast du dein Revier durchstreift hast, dein Wissen geteilt. Und welche Wissensschätze. All das, was du für dich erforscht hast. Ewig Lernender. Und Lehrender. In jener Zufallsakademie, dem Grätzel.

Ich sitze hier auf Terrassien, wo du dich auch Zuhause gefühlt hast. Wo du damals auf unsere Wohnung aufgepasst hast und sie auf dich. Wo wir an Hausfreunde-Abenden gemeinsam gekocht, gegessen und geredet haben. Viele der Menschen und Geschichten, die damals bei uns waren sind mir in den letzten Tagen wieder begegnet. Ich habe viel von dir gelernt. Übers Kochen, übers Leben, übers Trauern. Auch über die Wut, die Teil deines Lebens war und den Schmerz, den du von klein auf kanntest.

Wie schön war es, als du und Andrea ein Paar wurden. So viel Liebe, Leben, Freude. Zweisamkeit wieder. Ein warmes Feuer. Ein Herd, auf dem du kochen konntest, ihr kochen konntet. Zutaten, Wissen und Handwerk kombinieren, wie in allen Dingen deines Lebens. Und das Ergebnis teilen. Mit deinem echten Gentleman-Style hast du meinen Mann bei den Hochzeitsvorbereitungen begleitet. Ihm die Hosenträger geschneidert. Deine Freude bei unserer Hochzeit werden wir wohl nie vergessen.

Der Lock-Down hat uns noch einmal näher aneinander rücken lassen. Du hast mir einen Marschtornister genäht, der mich durchs Leben begleiten wird. Alles was ich brauche, hat darin Platz. Wohl gedacht, maßgeschneidert. Ostern haben wir gefeiert und den 1. Mai in unserer Neigungsgruppe Campari. Viel gelacht, geblödelt, philosophiert. Es war eine gute Zeit.
„Seltsame Leut ziehen seltsame Leut an, deswegen sind wir wohl befreundet“, das war wohl einer der letzten Sätze, den du zu mir gesagt hast. Gut ist es, dankbar bin ich dafür, dass ich wir befreundet waren, sind.

„Wer wird mich jetzt füttern?“ hat Andrea mich am Abend nachher gefragt. Ja. Wer wird uns jetzt füttern? Mit seinem Wissen, seinen Erfahrungen, seinen Ideen, seinen Widersprüchen, seinem Interesse, seiner Neugier? Der Wolf hat das Rudel verlassen. Ich werde seinen Ruf vermissen. Ich heul ihm nach.

Keine Lyrik, Wolf, ich weiß schon. Du warst nicht Lyrik, dein Leben war ein Roman. Und doch ein Zitat von Viktor Frankl, das mir in den Tagen nach deinem Tod zugefallen ist. „Der “Roman“, den einer gelebt hat, ist noch immer eine unvergleichlich größere schöpferische Leistung als der, den jemand geschrieben hat.“

Du hast uns gefüttert, das bleibt, du bleibst, wann immer wir an dich denken.

Wie sagtest du
F*ck!

RIP Wolf Andreykow und lebe weiter in unseren Herzen.

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18
Jul
2017

Der Tod und das Grätzl: Adieu Elisabeth!

Eine Freundin ist gestorben. Und ich weiß nicht einmal, ob ich sie Freundin nennen kann, darf, soll. 1.100 Freunde habe ich auf Facebook, manche würde ich auch im wirklichen Leben so bezeichnen. Sie gehörte nicht dazu, sie war nicht auf Facebook. Ich hatte keine Telefonnummer von ihr und keine E-Mailadresse. Ich weiß nur ungefähr, wo sie wohnte. Wir waren in einem ähnlichen Alter. Dass sie heuer 50 geworden wäre, habe ich erst nach, durch ihren Tod erfahren.

Wir haben uns auf der Gasse kennengelernt, im Grätzl, meinem physischen Lebensmittelpunkt. Irgendwann redeten wir ein wenig, wenn wir uns im PoC oder im 28 trafen. Zuletzt vor etwa zwei Wochen, auf der Alserstraße im Baustellenlärm. Vielleicht hat Wolf damals am Anfang das Gespräch eröffnet. Es waren immer Wolf und Elisabeth, manchmal Wolf wartet auf Elisabeth, seltener Elisabeth wartet auf Wolf. Vertraut war das und gut anzusehen und mitzuspüren, während der 1. Offizier und ich gerade erst die Segel setzten. Von meinem Fenster im 4. Stock aus konnte ich sehen, wenn die Beiden auf dem kleinen Bankerl vor dem PoC saß, Kaffee, Zigarettchen, Fahrräder. Manchmal beeilte ich mich dann, um unten mit ihnen noch einen Kaffee zu trinken, während oben der Brotteig ging. Im Lauf der Jahre – etwa sechs - führten wir mehr, oft gute Gespräche, manchmal über Rezepte, Lokalempfehlungen, immer öfter Persönliches. In der Zeit des langen Abschieds meiner Mutter war ich froh, wenn ich bei meinen Heimatbesuchen Elisabeth und Wolf in unserem Kaffeehaus traf. Wir sprachen über viel, vielleicht sprach auch mehr ich als sie – wie es meine Art ist. Elisabeth Huemer war fein – ganz und gar nicht in der Art von foin, sondern fein im Sinn von gut, von angenehmer Gegenwart, im Sinn von zart und doch nicht zerbrechlich. Ein feiner Mensch. Ich kam mir vor allem Anfangs oft zu viel zu laut vor in ihrer Gegenwart - ich glaub sie mochte mich trotzdem, vielleicht auch ein bisschen deswegen. Fein war es neben ihr zu sitzen, klug und überlegt ihre Worte mit feiner sicherer Sprache und Stimme.

„Ich habe eine Freundin, ich kenne eine Frau, die unterrichtet auf einem islamischen Gymnasium Biologie“, erzähte ich manchmal fast stolz. NaturwissenschafterInnen imponieren mir, im religiösen Kontext erschien mir das besonders spannend. Sie lehrte aber mehr, lehrte wohl auch Leben, sie kochte mit den jungen Menschen, sie erzählte von einem Musical, sie berichtete mit leuchtenden Augen von Aktionen und vorwissenschaftlichen Arbeiten. Ich bewunderte sie, wenn sie von ihren SchülerInnen sprach, voll Anerkennung und Klarsicht. Sie war eine jener LehrerInnen, die Leben verändern, glaube ich, behutsam, respektvoll, achtsam, fördernd. Das ahnte ich, wissen konnte ich das nicht. Manche der Postings unter ihrer Todesnachricht auf Facebook bestätigen das. Sie bedeutete vielen Menschen sehr viel.

Einmal waren wir Essen zu Sechst, ein-, zweimal waren sie beim Salon. Sie und der Wolf, gut in ihrer Wirsamkeit. Nie haben wir uns allein getroffen. Sie hat uns geholfen die Küche auszuräumen. Den Gewürzkoffer, auch der Feinheit ihrer Sinne wegen. Eine, die zupackte, in die Pedale trat. Ich seh das Rotkäppchen T-Shirt, den grauen Haarhelm und immer wieder das Lächeln und die Augen. Und dieses Lächeln. Und diese Stimme.

Biologie ist die Lehre vom Leben. Der Tod gehört dazu. Eine Lektion, die wir immer wieder lernen müssen. Und wenn wir in diesen Tagen in unserer Gasse in unserem Grätzel einander in die Augen sehen, dann teilen wir diese Erkenntnis in Schmerz und Trost. Biologie und Umweltkunde, Elisabeths rascher, plötzlicher Tod lehrt mich – und andere – zu leben, zu lieben. Jetzt und so lange wir sind.

RIP Elisabeth Huemer und lebe weiter in unseren Herzen.

Elisabeth
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31
Dez
2016

Aus dem Logbuch: Brief an das alte jahr (geslammt!)

He Zwanzig sechzehn,
es war sehr schön,
ausgezeichnet sogar
warst ein gutes Jahr.
Was halt mich betrifft,
andre nennen dich versifft.
Mir ist’s auch nicht gut bekommen,
dass du ordentlich hast genommen.
Wie wir es halt nie verstehen,
wenn Heldinnen und Helden gehen.
Auch wenn sie schon seit vielen Jahren
Für uns eh unsterblich waren.
Unsterblich: manche sind gegangen
Mit denen hab ich angefangen,
das Leben zu verstehen –
und nicht bemerkt wie sie vergeh‘n.
Nur zufällig erfahren, man sieht sich nicht,
sie sind nicht mehr, sie waren.
Für mich warst du ein gutes Jahr,
begnadet für all das, was war.
Es wurden Narben aus alten Wunden;
Ich hab ein neues Heim gefunden.
Und eines glaubt mir: es ist dies,
ganz sicherlich das Paradies.
Wofür es sich zu leben lohnt –
Als hätten wir schon immer hier gewohnt.
Und nun schon seit manchem Jahr
Sammelt sich der Freunde Schar
Immer wieder zum Verweilen
Und zum liebevollem Teilen.
Des Lebens allerschönster Zweck
ist Liebe (und ein Sonnendeck).
Und einfach eigne Werte leben
Und zuhören und auch gerne geben
Manchmal was Verrücktes wagen,
täglich einmal Danke sagen.
Jede Idee einmal wenden
Und auch manchmal Kohle spenden.
Und all das feiere ich hier
Mit meinem 1. Offizier,
mein Vizekönig, mein guter Mann,
hier und jetzt, statt dann und wann.
Und zum guten Schluss
Viel Respekt und viel Genuss.
Und leben, leben, leben
Eben.
Danke!

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2017 ist das Ziel – ich lieb das Leben und ich lieb es viel.
So viel Glück ist mir beschieden. Allzeit gute Fahrt und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel…
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28
Jun
2016

Der Panther

In der U6, Wien

Am Bahnsteig der U6 – Alser Straße. Die U-Bahn fährt ein. Viele Menschen, einer fällt mir auf. Es sind die Augen, blaugrün mit stecknadelgroßen Pupillen. Niemanden scheint er wahrzunehmen, als er mit mir die einfahrende U-Bahn betritt. Ich kann meine Augen nicht von ihm lösen, von seinem Blick. Er bemerkt mich nicht, niemanden.

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.


Ein magerer Junge. Hübsch, denke ich. Er trägt ein Muskelshirt, weiß, ziemlich weiß. Sein zäher Körper zeichnet sich darunter ab, er hat keine Tattoos. Armbänder trägt er. Er bewegt sich Katzenartig geschmeidig durch die Menschen, kommt niemandem zu nahe und streift nicht an. Er wirkt trainiert.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.


Er hat kein Handy, keine Kopfhörer, die Musik, die ihm den Rhythmus seiner schlingenden Bewegungen in der U-Bahn vorgibt, gehört ihm allein. Er scheint nichts zu haben als seinen Kopf, das T-Shirt und die engen Hosen an seinen dünnen Beinen. Da hat nichts Platz, denke ich mir, wo hat er seine Habseligkeiten?

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.


Er steigt bei der Station Gumpendorfer Straße aus. Ich schaue ihm nach. Seine Habse(e)ligkeiten hat er wohl in seiner Hosentasche. Ein paar zerknüllte Scheine oder ein Päckchen von dem Stoff, aus dem seine Träume sind. Ein hübscher Junge. Wenig später sehe ich Schiele auf einer Litfaßsäule. Er sah ihm ähnlich.

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Eine Variation auf Rainer Maria Rilke „Der Panther. Im Jardin des Plantes, Paris“ für Dominik Leitner schönes Projekt *txt - das fünfte Wort: Habseligkeiten.
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18
Apr
2016

Alles klar?

„Einen Klaren, bitte“, sagte sie und dann blickte sie tief ins Glas. Langsam wurden die Konturen scharf. Sie sah die alten Bilder. Präzise bis ins kleinste Detail. Hochaufgelöst, sagte man ihr. Sehen, sie hatte viel gesehen, immer schon. Die Stäbe des Gitters mit ihren Augen, Legosteine, die sie in präzisen Mustern Stunde um Stunde aufschlichtete in stets neuen Ordnungen, den Teller, der nicht zu den anderen passte, die Unordnung im Bücherregal, die ungleichen Kuchenstücke auf der Geburtstagstorte, Botschaften, Buchstaben, Augen, Münder.

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„Du siehst alles“, sagte die Mutter – wütend. Sie schämte sich und konnte gleichzeitig das Gesehene nicht ungesehen machen; es schien stets abrufbar in großer Schärfe. Sie las alles. Sie sah Briefe und die finanziellen Schwierigkeiten der Familie, die kleinen Geheimnisse ihrer Mama, die nackte Angst ihres Vaters beim Telefonieren, sie sah die Blicke, die niemand sehen hätte sollen, die geballten Fäuste, die feuchten Lippen. Sie sah ungeweinte Tränen und Zähne, die Worte vom Entkommen abhielten, sie sah Schultern sich hochziehen und kaum merkliches Zittern. Sie las in den Menschen. Klar. Sie sah all die Bücher, die sie las in Technicolor, 3 D, Seite für Seite mit dem gesamten Text. Klar. Ins Kino ging sie nie. Und trotzdem sah sie all die alten Filme auf dem kleinen Fernseher, den sie aus ihrem Kinderzimmer mitgenommen hatte. Sie hatte auch einen Videorekorder. Irgendwann hörte sie auf Filme zu sehen. Zu viele Bilder zu den eigenen.

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Für alle war es klar, dass sie Fotografin werden musste. „Bei deinem Blick“, meinten sie. Schon als kleines Mädchen war sie für ihr „Auge“ gelobt worden. Ihr Talent wurde gefördert. Die Menschen ließen sich gerne von ihr fotografieren, sie waren stolz auf die Bilder. „So schön bin ich ja gar nicht“, kicherten ihre Freundinnen. „Klar bist du das.“ Sie versuchte sich mit Makrofotografie am Gartenteich der Eltern. Sie liebte die Klarheit der Wassertropfen und Libellenflügel. Und den Tod, dort groß im kleinen. Die Mutter ließ die Bilder vergrößern fürs Wohnzimmer – später ersetzte sie sie durch Familienbilder. „So glücklich sind wir doch gar nicht“, kicherte sie. „Klar sind wir das“, - sie sah die zuckenden Mundwinkel, die nie geweinte Träne, das Beben der Halsschlagader. Und sie hatte die Mutter gesehen; letzte Woche, klar das Teleobjektiv half, aber sie hatte es nicht gebraucht, um sie zu erkennen.

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Sie wurde Fotografin. Studierte auf der Angewandten. Arbeitet für Agenturen und Zeitungen und manchmal gab es auch eine Ausstellung. Und irgendwann wich das „So schön ist das gar nicht“ dem „Mach das schöner“. Photoshop. Alles war möglich. Klar, dass ihre Fähigkeiten weniger gefragt waren, sie konnte nicht verändern, wollte es nicht, wollte das Schöne, den Augenblick sehen und nicht erschaffen. Eine Zeitlang versuchte sie sich als Portrait- und Eventfotografin. Alles von der Hochzeit über die Taufe, den 30er, 40er, 50er, 65er usw. bis zum Begräbnis. „So schön war das ja gar nicht“, sagten die Leute noch immer und während sie „Klar war es das“ log, sah sie all die anderen Augenblicke, in denen sie nicht abgedrückt hatte. Die verheulten Augen, das hämische Grinsen, die sich berührenden Beine unterm Tischtuch, der weiße Staub im Nasenloch, den Onkel mit der 14-jährigen.

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Abends taten ihr die Augen weh, aber die Bilder hörten nicht auf. Nicht einmal wenn sie vögelte die Augen fest aufeinander gepresst, um nur ja keine Schatten, Konturen, Spinnen, Lichtspiele wahrzunehmen; selbst dann liefen die Bilder Amok in ihrem Kopf, bevor sie sich endlich in eine gewaltige Explosion in dunklen Tönen auflösten. „Wie das Gegenteil von Heroin“, hatte Adrian gesagt. Ihr Drogenprinz, gezeichnet von Gift, Verderbnis und doch so schön. Irgendwo lagen noch die Kisten mit den Aktfotos in Schwarz-Weiß. In ihrem Kopf waren sie klarerweise stets in voller Farbe präsent. Das Ozeangrün der Augen, das blonde struppige Haar, die Zähne, bevor die Droge ganze Arbeit geleistet hatte. Adrian malte, sehr abstrakt. Ihre Liebe beruhte darauf, dass sie anders sehen als alle anderen und ging daran zugrunde, dass sie sich nie wahrnehmen konnten. Sie hatte den Hass in seinem Gesicht gelesen. Nach sechs Jahren.

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Später tat sie sich immer härter mit längerem Partnerschaften. Sie hatte zu viel gesehen, jeden Seitenblicken, jedes verborgene Augenrollen, die Botschaften auf den Handy – egal wie schnell sie sich zwang wegzusehen – die Bilder, die Worte blieben klar vor ihren Augen. Nur des Nachts, da schlief sie traumlos, da ließen sie die Bilder in Ruhe. Man hatte ihr erklärt, dass sie sich bloß nicht mehr an die Träume erinnern können – wie auch, ihr Tag begann indem sie die Augen öffnete und tausende Bilder, alte und neue in ihren Kopf strömten. Manchmal sogar zukünftige bildete sich ein.

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So hatte sie wohl die Arztpraxis gesehen, heute Morgen. Auch den Arzt mit den Befunden und den Bildern in seinen Händen, den Lichtkästen, die für Kundige den Unterschied zwischen krank und gesund signalisierten und für Unkundige unglaubliche Gemälde zeigen konnten. Sie sah Krebse und Wolken, Dämonenfratzen und Gesichter. Der Arzt sagte was von trüben Aussichten und „So schlimm wird das hoffentlich gar nicht.“ „Klar“, sagte sie.

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„Alles klar?“, der Barkeeper stand vor ihr. Sie sah das Brandloch auf der Theke und den feinen Schmutzrand auf ihrem Glas. Sie blickte ihn an, er sah müde aus, kurz zuckte sein Mundwinkel verächtlich, bevor er breiter, unechter, grinste. Sie lächelte unwillkürlich und er erwiderte ihren Blick. Sie trank jeden Abend hier. „Klare“ erst im letzten Jahr. Die Bilder wurden ihr zu viel, sie musste sie wegschwemmen, runterschlucken, den „Klaren“ als Zerrspiegel für das benutzen, was hier an weiteren Bildern auf sie einströmte. Die Spur eines Eherings, verwischter Lippenstift, eine geheime Umarmung, der Schmerz vergangenen Ruhms, Lüge, Betrug, Sehnsucht. All das sah sie bis der „Klare“ endlich sein Werk tat und ihren Blick trübte. Dann ging sie. „Solange ich noch das Schlüsselloch finde.“

„So klar ist das noch gar nicht.“ „Klar ist es das.“ „Ach, nur kein Trübsal blasen.“

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Trüb – das vierte Wort für Dominik Leitners wunder-volles Projekt *txt 2016.
3052 mal erzählt

22
Mrz
2016

Wahn

Was
Außer
Herz
Nützt?
Sinn!

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Wahn – das dritte Wort für Dominik Leitners wunder-volles Projekt *.txt 2016.
3167 mal erzählt

11
Feb
2016

Stöckchen: Elf Fragen

Uuuups gefangen – und dabei hat sich Frau Fröschin gar nicht wirklich zu werfen getraut…Ich mag Stöckchen – sie machen Spaß, man kann daran herumknabbern und manches über sich und andere erfahren.

1. Eine Abenteuerreise wartet auf Sie. Was wäre für Sie das absolute Abenteuer?
Mimis Heimat besuchen…

2. Wie halten Sie es mit Geld: Ausgeben oder horten? Opulent oder asketisch?
Ausgeben…

3. Sie dürften bestimmen, wer eine Spende von 10000 € bekommt. Wer wäre das und warum?

z.B. Projekte wie dieses oder dieses – vielleicht aufteilen?

4. Für einen Tag dürften Sie in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen. Von wem wüssten sie gerne, wie sich sein Leben anfühlt?
Ach, da tu ich mich schwer – vielleicht würde ich gerne wissen, wie sich eine dunklere Haut anfühlt, vielleicht in die Haut eines Mannes, niemand Bestimmter, Prominenter, nur ein anderes Leben, nur einen Tag lang, wenn es denn sein müsste….

5. Und welches Tier wären Sie gerne, wenn das möglich wäre?
Eine Schildkröte – eine real turtle….

6. Hat schon mal ein Traum Ihr Leben beeinflusst?
Einmal habe ich die Lösung der Welt geträumt – ein Brettspiel, aus dem sich der Sinn des Ganzen ergibt – als ich aufwachte konnte ich mich nur mehr daran erinnern – an keine Details – vielleicht haben die Würfel ja 4 und 2 angezeigt…

7. Lieblingsbücher liest man gerne mehrfach. Welches haben Sie am häufigsten gelesen?
Das Lieblingsbuch.

8. Wenn Sie in ein anderes Land fliehen müssten, dessen Sprache sie nicht sprächen und wo Ihre Berufsausbildung nicht anerkannt würde, mit welchen Fähigkeiten könnten Sie sich den Lebensunterhalt verdienen?
Kochen und Backen – kommunizieren und daher bald die Sprache lernen….

9. Welcher Song müsste an Ihrer Beerdigung gespielt werden?
Da gibt es mittlerweile sogar schon zwei: Der Song, der mich schon lange durch mein Leben begleitet und der, der mir so aus der Seele spricht

10. Auf welche fünf Lebensmittel können Sie nicht verzichten?

Auf was ich ungerne verzichte: Suppe, Butterbrote, Kaffee oder zumindest Tee, Pasta und ein Glas Wein von Zeit zu Zeit .

11. Die Elf ist die Zahl des Narren. Wenn Sie sich denn verkleiden würden, als was würden Sie zum Karneval gehen?

Piratenkönigin, arrrrrghhhhhhh

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Nehme das Stöckchen wer will….
3010 mal erzählt

8
Feb
2016

Heimat

Ich wurde mitten hineingeboren. Früh nahm ich sie wahr – nicht bewusst. Später dann an den Sonntagen in fröhlicher Erkundung, schnellen Schritts – auch jammernd und klagend, aber doch voller eindrucksvoller Erlebnisse. Einen Schritt vor den anderen setzen, manchmal vorlaufen und wieder zurück, mit den Erwachsenen reden, mit den Kindern tollen. Sich verirren, verloren gehen in nasser Kälte am Rande des Abgrunds. Die Eltern weit weg. Und doch gerettet – was für ein Glück. Wie das Glück manchmal, wenn sich die Natur in aller Schönheit zeigt, wenn sie mit Silberdisteln und Walderdbeeren belohnt, mit Eichkatzeln und Rehen, mit Hüttenrast und Gipfelsieg, mit Würfelpoker und Waldtschick, mit wundervoller Aussicht. Weit, ganz weit, aber dann muss man wieder hinunter, wenn man zu den Menschen will. Oben ist es einsam. Oder auf Schiern, erst hinauf getreten, dann hinauf gefahren, hinunter geglitten. Weniger einsam. Was für ein Erlebnis. Ein wenig klettern – nicht extrem, nicht wie die Cousins, die mit der Gefahr, der Angst, dem Tod kokettieren. „Vermisst du sie nicht?“, wurde ich in Wien gefragt – von den Daheimgebliebenen und den dortigen. Nein, ich vermisse sie nicht. Allzu oft haben sie mir das Gefühl gegeben am Boden der Suppenschüssel zu sitzen, den Blick nach oben wenden müssen, um Himmel zu sehen und Anstrengungen zu überwinden um frei zu sein. Und außerdem: Ich verzichte nicht auf sie, ich habe sie nur aus meinem Alltag verbannt, ihre Omnipräsenz, hart und rau und immer mit Trutz verbunden, mit Kanten, Ecken, scharf, jeder Sturz tut weh, Steine bohren sich in Hände und Knie, die Natur verdreht einen, bringt einen zu Fall. Immer ein bisschen im Schweiße deines Angesichts – immer ein bisschen kalt auch. Nein, ich vermisse sie nicht. Wie die Sprache, immer wieder sind scharfe Kanten da, unter den Alpenrosen verborgen, unter Blumen, zwischen sprießendem Gras. Schon schön auch, aber irgendwie gefährlich. Bei Föhn ganz nah, klar, ein wenig auch wie die Spiegelsplitter des Teufels verzerrend. Schöne Welt, böse Leut, bis zum Kopfschmerz. Sie waren immer da oder ich war immer dort. Erst immer, dann oft, dann seltener, dann lange, dann öfter, jetzt länger nicht mehr. Ich denke an sie, sehr Bilder von ihnen, in den sozialen Medien, in meinen vier Wänden, in meinem Kopf. Ich bin mir bewusst, dass sie die Landschaft meiner Seele formten. Steine, Kupfer, wie aus der Spenglerwerkstätte des Großvaters, Silber, wie die Olympiamünzen, die der Vater gegen Neujahrswünschte verschenkte, Feldspan, Quarz und Glimmer, das vergess‘ ich nimmer, Kristallin, da und dort ein Bergkristall, Granaten, Schiefer, Katzengold, Werkzeug und Waffe in naturgegebener Schärfe, glucksendes Wasser, verborgen, sprudelnd, sich einen Weg bahnend, wie schön die Steine im Wasser, wie verblassen sie im Rucksack. Die Hände in einer Quelle baden, Speckknödelsuppe ans warme Dach einer Hütte gelehnt, die Aussicht von dort oben, die Heldinnen und Helden, mitten drin aufwachsen, den Kopf nach oben richten, schon schön, Wälder, abgetrotztes Leben, scheinbarer Überblick bis zum Nächsten. Und doch Abstand. Und trotzdem viel zu eng. Über allem der Herrgott, dort oben. Ich liebe sie, irgendwie, immer schon, noch, wieder. Nein ich vermisse sie nicht. Sie sind immer da, seit Menschheitsgedenken. Die Berge Tirols.

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Berg, das Zweite Wort für Dominik Leitners wunder-volles Projekt *.txt.
3013 mal erzählt
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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Wenn ich schon geahnt...
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