Mops (2)
Erika erwachte leicht verkatert. So viel Wein wie am Abend zuvor hatte sie schon lange nicht mehr getrunken. Überhaupt, dieser Abend. Sie hatte das Gespräch mit Andreas so genossen. Schon lange hatte sie mit niemanden mehr über Gefühle geredet. Und gelacht. Und getrunken. Sie hatte keine Freundinnen, mit denen sie das hätte tun können. Rudolf trank keinen Alkohol. Seine Abende verbrachte er am liebsten daheim, vor dem Computer oder bei einem Fachbuch. Sie gingen kaum aus – "Ich bin beruflich genug unterwegs." – und hatten auch wenige Freunde – "Findest du die beiden nicht auch niveaulos?" Hin und wieder gingen sie zusammen in die Oper, die mochte er, das war's aber auch. Manchmal spielte er mit einem Bekannten Billard. Dabei hatten sie alle Freundinnen beneidet, als sie damals den Piloten geheiratet hatte. Rudolf sah hervorragend aus und hatte ein gutes Einkommen. Und es war eine sehr romantische Geschichte gewesen. Sie hatte Dolmetsch studiert: Französisch und Japanisch und träumte von einer Japanreise. Und hatte Angst vorm Fliegen, immer schon. Ihre Eltern schenkten ihr das Antiflugangstseminar, am Programm stand ein Flug nach Paris. Sie durfte oder besser musste ins Cockpit und dort saß Rudolf. Er wirkte so souverän und beruhigend von der ersten Minute an. Sie verstanden sich großartig und ein paar Tage später lud er sie in die Oper ein - "La Boheme". Ihr erster Opernbesuch und sie war sehr beeindruckt. Beeindruckend war auch wie er ihr den Hof machte. So dezent und angenehm. Er war so ganz anders als seine Vorgänger, er behandelte sie wie eine Lady. Es verging ein halbes Jahr, bis sie zum ersten Mal miteinander schliefen. Das "Herumgevögel der Kollegen mit den Stewardessen" widere ihn an, erklärte er ihr. Nach Japan ist sie nie geflogen, auch das Studium hat sie nie beendet. Sie wurde mit Tristan schwanger und von schwangeren Studentinnen hielt Rudolf nicht viel: "Ich verdiene gut, mein Schatz. Dolmetsch kannst du immer noch studieren, wenn unser Kind aus dem Ärgsten heraus ist." Sie weckte Tri. Der fing, kaum hatte er die Augen offen, gleich wieder von Marcel zu sprechen an: "Er ist so schlau, Mama und er versteht alles, was ich sage." Wie das Herrl, dachte sie und schmunzelte. "Warum kann ich nicht einen Hund haben? Glaubst du, darf ich ihn jeden Tag besuchen?" Er plapperte in einer Tour bis ihr Handy läutete – "Der Walkürenritt" – der Göttergatte. Rudolf fand den Klingelton überhaupt nicht komisch, ganz abgesehen davon, dass er es hasste, wenn sie sich "so Kindskram" aus dem Netz herunter lud. Deswegen durfte sie auch nicht an seinen Laptop. "Es reicht, wenn ein Computer virenverseucht ist." "Hallo", sie hob ab. "Hallo, ich hab schon gedacht, ihr hättet verschlafen. Bei euch ist es ja schon Sieben." Sie hasste auch seine Weckrufe, seine kontrollierende Art. "Aber nein doch. Wir machen uns gerade fertig."Sie schaute sich in den Spiegel während sie telefonierte. Der Abend hatte Spuren hinterlassen. Tri sah sie an. Er hatte großen Respekt vor dem strengen Vater. Angst nannte Erika das insgeheim, wollte es aber Rudolf gegenüber nicht ansprechen, der gerne behauptete, das Kind hätte ihre furchtsame Natur geerbt. "Kann ich Tristan sprechen?"Sie reichte dem Buben das Telefon. Irgendwie war sie erleichtert, dass Tri den gestrigen Abend seinem Vater gegenüber mit keinem Wort erwähnte.
(Fortsetzung folgt)
(Fortsetzung folgt)
katiza - 22. Sep, 10:58
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