Sommerbuch: Fliegen ohne Flügel/Tiziano Terzani
Genoussemousse habe ich nicht nur einige herausragende Rezepte (auch) heimatlicher Genüsse zu verdanken sondern auch eine kleine Reise im Kopf - eine Empfehlungsrallye auf der Suche nach dem Sommerbuch.
Wir waren eine erlesene Reisegesellschaft: Die Lofties on Tour, böse Menschen würden sagen zwischen eso- und hysterisch, aber wir glaubten nicht an böse Menschen. Auf verschlungenen Wegen hatte uns das Schicksal in diesen Tagen zusammen gewürfelt und wir mögen uns noch immer, auch wenn wir uns seltener sehen. Damals teilten wir Tage und Nächte, Brot und Wein, Informationen und Drogen an ungezählten Wochenenden in den Räumen einer alten Kammgarnspinnerei. Aber das tut nichts zur Sache.
Und dann flogen wir gemeinsam auf Urlaub: Acht Personen, darunter zwei Pärchen, darunter der Liebste und ich. Aber auch das tut nichts zur Sache. Eine Woche Malediven, drei Wochen Sri Lanka. Gitarre am Strand. Dieses besondere Licht. Lächeln. Und warmer weicher Regen. Tausend Gerüche. Ein Walhai. Bunte Stoffe. Tempel, Tempel, Tempel. Orange Mönche, junge, alte. Lächeln. Früchte. Elefanten, Buddhas, ein Abend am Klavier, eine bunte Torte, „Mach‘s guat, Teegärten, scharfe Curries, ein Huhn am Fahrradträger, Kinder am Straßenrand, Trommeln am Strand, Freundschaften über alle Grenzen hinweg, Götter und Menschen.
Und immer wieder sehe ich dazwischen ein gelbes Buchcover. „Tiziano Terzani: Fliegen ohne Flügel. Wenn ich das Buch öffne, rieselt noch immer Sand zwischen den Seiten hervor. Das gelbe Cover ist am Rücken verletzt. Erstaunlich wenig Schaden nach der langen Reise. „Eine Reise zu Asiens Mysterien“, lautet der Untertitel des Buches. Gerne würde ich jetzt berichten, wie es mir zugeflogen ist, wie es mich erreicht hat. Eine Geschichte, wie Liebe beginnt, denn es ist ein Lieblingsbuch. Aber daran, kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war einfach zu seiner Zeit da. In meinem Rucksack.
Der 473-Seiten Wälzer ist mittelweile längst als Taschenbuch erschienen. Ich hatte damals im roten Bus der uns durch Sri Lanka karrte immer das Hardcover in Griffweite, auch wenn auf den holprigen Straßen vor lauter Staunen über das bunte Treiben auf den Straßen an lesen nicht zu denken war. Manchmal war mir danach abrupt zwischen den Reisen zu wechseln. Jener, die der italienische Spiegel-Journalist Terziani, der vor fünf Jahren an Krebs gestorben ist, ein Jahr lang ohne Benutzung eines Flugzeuges unternimmt und unserer Reise durch die Insel. Buddha, nicht nur am Buchcover, sondern hier wie dort allgegenwärtig. Nachdem ich es ausgelesen hatte, machte es die Runde. Immer dabei im Bus, wie die Wasserflaschen und der CD-Walkman mit Govinda Jaya Jaya. Fanta unser Fahrer, 19 Jahre alt, wenn er’s war, kicherte vor sich hin. Und dann zeigte er uns doch sein Zuhause, die Lehmhütte. Aber ich schweife ab.
Die Prophezeiung eines alten Chinesen nimmt der Journalist Tiziano Terziani zum Vorwand im Jahr 1993 kein Flugzeug zu benützen. Sein Arbeitgeber – der Spiegel - ermöglicht ihm das, er verspricht im Gegenzug auch seinem Job als Südostasienkorrespondent gerecht zu werden. Unterwegs besucht er auch mit Propheten und WahrsagerInnen, Tempel und Hütten, mit dem Zug fährt er 20.000 Kilometer nach Florenz zur alten Mama, mit dem Schiff zurück nach Singapur.
“Jeder Ort ist eine Fundgrube. Man muss sich nur treiben lassen. Sich Zeit nehmen, im Teehaus sitzend die Leute beobachten, sich in einen Winkel des Marktes stellen, zum Friseur gehen und dann dem Faden des Knäuels folgen, der mit einem Wort oder einer Begegnung anfangen kann - und schon wird der unscheinbarste Ort der Erde zu einem Spiegel der Welt, zu einem Fenster, das sich auf das Leben öffnet. Diese Fundgrube befindet sich immer genau da, wo man gerade ist: Man muss nur graben.”
Für mich war das Buch – auch in Verbindung mit der Reise – eine erste Begegnung mit dem Ausatmen. Es entschleunigt, es lehrt viel über das Reisen, das Sehen, den AugenBlick, die Zeit und Südostasien. Und es bietet darüber hinaus eine hervorragende Lektion in Sachen Zeitgeschichte.
Mittlerweile habe ich alles von Tiziano Terzani gelesen und kann nur empfehlen, sich mit Leben und Werk dieses besonderen Menschen zu befassen.
„Ihr müsst ihn eurem letzten Leben sehr gute Menschen gewesen sein“, sagte der Mönch vor dem Felsentempel von Dambulla: „Weil ihr in diesem Leben hierher reisen konntet.“
Ausatmen.
Wir waren eine erlesene Reisegesellschaft: Die Lofties on Tour, böse Menschen würden sagen zwischen eso- und hysterisch, aber wir glaubten nicht an böse Menschen. Auf verschlungenen Wegen hatte uns das Schicksal in diesen Tagen zusammen gewürfelt und wir mögen uns noch immer, auch wenn wir uns seltener sehen. Damals teilten wir Tage und Nächte, Brot und Wein, Informationen und Drogen an ungezählten Wochenenden in den Räumen einer alten Kammgarnspinnerei. Aber das tut nichts zur Sache.
Und dann flogen wir gemeinsam auf Urlaub: Acht Personen, darunter zwei Pärchen, darunter der Liebste und ich. Aber auch das tut nichts zur Sache. Eine Woche Malediven, drei Wochen Sri Lanka. Gitarre am Strand. Dieses besondere Licht. Lächeln. Und warmer weicher Regen. Tausend Gerüche. Ein Walhai. Bunte Stoffe. Tempel, Tempel, Tempel. Orange Mönche, junge, alte. Lächeln. Früchte. Elefanten, Buddhas, ein Abend am Klavier, eine bunte Torte, „Mach‘s guat, Teegärten, scharfe Curries, ein Huhn am Fahrradträger, Kinder am Straßenrand, Trommeln am Strand, Freundschaften über alle Grenzen hinweg, Götter und Menschen.
Und immer wieder sehe ich dazwischen ein gelbes Buchcover. „Tiziano Terzani: Fliegen ohne Flügel. Wenn ich das Buch öffne, rieselt noch immer Sand zwischen den Seiten hervor. Das gelbe Cover ist am Rücken verletzt. Erstaunlich wenig Schaden nach der langen Reise. „Eine Reise zu Asiens Mysterien“, lautet der Untertitel des Buches. Gerne würde ich jetzt berichten, wie es mir zugeflogen ist, wie es mich erreicht hat. Eine Geschichte, wie Liebe beginnt, denn es ist ein Lieblingsbuch. Aber daran, kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war einfach zu seiner Zeit da. In meinem Rucksack.
Der 473-Seiten Wälzer ist mittelweile längst als Taschenbuch erschienen. Ich hatte damals im roten Bus der uns durch Sri Lanka karrte immer das Hardcover in Griffweite, auch wenn auf den holprigen Straßen vor lauter Staunen über das bunte Treiben auf den Straßen an lesen nicht zu denken war. Manchmal war mir danach abrupt zwischen den Reisen zu wechseln. Jener, die der italienische Spiegel-Journalist Terziani, der vor fünf Jahren an Krebs gestorben ist, ein Jahr lang ohne Benutzung eines Flugzeuges unternimmt und unserer Reise durch die Insel. Buddha, nicht nur am Buchcover, sondern hier wie dort allgegenwärtig. Nachdem ich es ausgelesen hatte, machte es die Runde. Immer dabei im Bus, wie die Wasserflaschen und der CD-Walkman mit Govinda Jaya Jaya. Fanta unser Fahrer, 19 Jahre alt, wenn er’s war, kicherte vor sich hin. Und dann zeigte er uns doch sein Zuhause, die Lehmhütte. Aber ich schweife ab.
Die Prophezeiung eines alten Chinesen nimmt der Journalist Tiziano Terziani zum Vorwand im Jahr 1993 kein Flugzeug zu benützen. Sein Arbeitgeber – der Spiegel - ermöglicht ihm das, er verspricht im Gegenzug auch seinem Job als Südostasienkorrespondent gerecht zu werden. Unterwegs besucht er auch mit Propheten und WahrsagerInnen, Tempel und Hütten, mit dem Zug fährt er 20.000 Kilometer nach Florenz zur alten Mama, mit dem Schiff zurück nach Singapur.
“Jeder Ort ist eine Fundgrube. Man muss sich nur treiben lassen. Sich Zeit nehmen, im Teehaus sitzend die Leute beobachten, sich in einen Winkel des Marktes stellen, zum Friseur gehen und dann dem Faden des Knäuels folgen, der mit einem Wort oder einer Begegnung anfangen kann - und schon wird der unscheinbarste Ort der Erde zu einem Spiegel der Welt, zu einem Fenster, das sich auf das Leben öffnet. Diese Fundgrube befindet sich immer genau da, wo man gerade ist: Man muss nur graben.”
Für mich war das Buch – auch in Verbindung mit der Reise – eine erste Begegnung mit dem Ausatmen. Es entschleunigt, es lehrt viel über das Reisen, das Sehen, den AugenBlick, die Zeit und Südostasien. Und es bietet darüber hinaus eine hervorragende Lektion in Sachen Zeitgeschichte.
Mittlerweile habe ich alles von Tiziano Terzani gelesen und kann nur empfehlen, sich mit Leben und Werk dieses besonderen Menschen zu befassen.
„Ihr müsst ihn eurem letzten Leben sehr gute Menschen gewesen sein“, sagte der Mönch vor dem Felsentempel von Dambulla: „Weil ihr in diesem Leben hierher reisen konntet.“
Ausatmen.
katiza - 4. Jul, 12:31
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
3454 mal erzählt