In Memorian the Sepp
Wir waren die letzten Gäste gestern abend im Kokoro - wie immer, wenn wir dort waren.
The Sepp setzte sich nach getaner Arbeit zu uns - wie immer wenn wir dort waren.
Seine Frau Sook machte irgendwo im Hintergrund die Abrechnung - wie immer wenn wir dort waren.
Das Essen war fantastisch - wie immer, wenn wir dort waren. Irgendwie lag noch ein wenig Sommer in der Luft und doch auch schon Herbst in den Gesprächen.
Heute morgen ein Anruf: The Sepp – Joseph Hausberger – ist nicht mehr. Nie wieder wird es wie immer sein.
Das erste Mal war ich mit meinem Papa in Hausbergers Global Bistro "Kokoro" im November 2005. Irgendwo hatte ich gelesen, dass ein Alpbacher mit internationaler Erfahrung ein Restaurant in Wien aufgemacht hat. Beides zog Vater und Tochter magisch an. Es war ein Erlebnis der besonderen Art. Das Kokoro - japanisch für Herz – liegt in einem hässlichen Gebäudekomplex in der Innenstadt, angesiedelt wohl in einer ehemaligen Pizzeria, wie ein obskures Venediggemälde vermuten ließ, die Möblage mehr Bistro als global. Der Koch, ein kantiger Bär mit ebenso kantiger Sprache und Spruch - the Sepp, geboren in Alpbach, gelernt in der Welt – hatte schon für die internationale Prominenz gekocht – Anna Freud, John Lennon, Yoko Ono, Sirikit von Thailand, Stars, Könige und Diktatoren etc. pp..Zuletzt im Hilton in Korea. Dort hatte er auch seine Frau, die Koreanerin Sook kennen gelernt. Heimgekehrt war er wegen der beiden Kinder und so.
Mit einem blauen Stirnband werkte er in einer winzigen offenen Küche unter einer gigantischen kupfernen Dunstabzugshaube mit der Aufschrift "Ora et labora - A History of tremendous Pride in Workmanship and Quality". Sook, betreute uns liebevoll.
Wenn Sepp kochte war das Zen – er konzentrierte sich voll Achtsamkeit auf jeden Handgriff. Eine Speisekarte war überflüssig – es gab weder Lager noch Tiefkühltruhe, nur das, was der Chef morgens am Markt erstanden hatte. Wer sich damit abfinden konnte, wurde mit wundervollen kulinarischen Erfahrungen belohnt. Wer nicht, kam einfach nicht wieder. Alle, die ich kannte, kamen immer wieder.
Ein klassischer Dialog:
Gast: Ich mag keinen Lachs.
Sepp: Falsch, du hasch no kann Lachs gessen, der da gschmeckt hat.
Und er hatte recht.
Spezialität des Hauses war die Piratensuppe – eine Symphonie aus Fischen, Meeresfrüchten und Lotus. Wir blieben Stammgäste und feierten Geburts-, Hochzeits- und Alltage dort. Und als sich irgendwann eine ganz spezielle Tafelrunde – das Sechseck – zusammenfand, wurde und blieb das Kokoro eine Art Heimat für diese Tischgesellschaft. Auch wenn wir nur einmal als komplettes Hexagon dort feierten – den Geburtstag jener Freundin, die durch eine Kette von Zufällen den letzten Abend im Kokoro mit uns verbrachte. Wann immer wir uns zu zweit, dritt oder viert dort trafen, waren die anderen, fehlenden mit am Tisch Und the Sepp auf ein Glas oder mehr. Und Sooks Lächeln.
Ich habe es stets geliebt, Menschen, die mir am Herzen lagen, ins Kokoro zu entführen und zu beobachten, wie sich ihr Verwunderung langsam in satte Glückseligkeit verwandelte. Alpbach und die Welt und Heimat. Und the Sepp.
Mein Freund, der Moser, war Sepps Cousin. Irgendwann ist auch er endlich im Kokoro angekommen. Ich weiß nicht mehr, wer von beiden mir die Geschichte ihres Wiedersehens nach mehr als 20 Jahren erzählt hat.
Der Moser kam ins Lokal.
Der Sepp, in seiner Küche, schaute auf: Griass di.
Der Moser erwiderte den Gruß.
Hasch an Hunger? fragte Sepp.
Ja.
Dann setz di hin und iss.
Und der Moser kam immer wieder.
Der Sepp hat sein Grab besucht: Eh schian.
Und damals, als wir mit dem anderen querköpfigen Koch dort Mittagessen waren und ich fast ein wenig Angst hatte, dass die Sturschädeln aneinander geraten und die beiden nach ganz kurzer Zeit erkannt haben, dass sie zusammen auf der Berufsschule waren und sich immer wieder begegnet sind - am Schiff und so - und so begeistert über ihr Handwerk ihre Kunst philosophierten – tremendous Workmanship and Pride.
Ich habe wunderbar gegessen im Kokoro, ein paar Mal ziemlich gesoffen, viel gelacht und auch um meinen Vater geweint. Herz, eben. Gestern gab es Piratensuppe, heute haben mir Tränen den Tag versalzen. Wenn ein Koch stirbt, gibt er den Löffel ab, hat dieJüngste gesagt, die gestern dabei war, es war ihr ein bisschen peinlich, the Sepp hätte wohl gelacht – ich werde ihn vermissen. Kochen, so wie Joseph Hausberger gekocht hat, ist sowohl Zen als auch eine wunderbare Form tätiger Liebe.
Er hinterlässt eine wunderbare Frau und zwei Kinder und eine Lücke im Leben einiger Menschen.
Memento!
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben…
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr
- und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andren muss man leben!
Mascha Kaléko
The Sepp setzte sich nach getaner Arbeit zu uns - wie immer wenn wir dort waren.
Seine Frau Sook machte irgendwo im Hintergrund die Abrechnung - wie immer wenn wir dort waren.
Das Essen war fantastisch - wie immer, wenn wir dort waren. Irgendwie lag noch ein wenig Sommer in der Luft und doch auch schon Herbst in den Gesprächen.
Heute morgen ein Anruf: The Sepp – Joseph Hausberger – ist nicht mehr. Nie wieder wird es wie immer sein.
Das erste Mal war ich mit meinem Papa in Hausbergers Global Bistro "Kokoro" im November 2005. Irgendwo hatte ich gelesen, dass ein Alpbacher mit internationaler Erfahrung ein Restaurant in Wien aufgemacht hat. Beides zog Vater und Tochter magisch an. Es war ein Erlebnis der besonderen Art. Das Kokoro - japanisch für Herz – liegt in einem hässlichen Gebäudekomplex in der Innenstadt, angesiedelt wohl in einer ehemaligen Pizzeria, wie ein obskures Venediggemälde vermuten ließ, die Möblage mehr Bistro als global. Der Koch, ein kantiger Bär mit ebenso kantiger Sprache und Spruch - the Sepp, geboren in Alpbach, gelernt in der Welt – hatte schon für die internationale Prominenz gekocht – Anna Freud, John Lennon, Yoko Ono, Sirikit von Thailand, Stars, Könige und Diktatoren etc. pp..Zuletzt im Hilton in Korea. Dort hatte er auch seine Frau, die Koreanerin Sook kennen gelernt. Heimgekehrt war er wegen der beiden Kinder und so.
Mit einem blauen Stirnband werkte er in einer winzigen offenen Küche unter einer gigantischen kupfernen Dunstabzugshaube mit der Aufschrift "Ora et labora - A History of tremendous Pride in Workmanship and Quality". Sook, betreute uns liebevoll.
Wenn Sepp kochte war das Zen – er konzentrierte sich voll Achtsamkeit auf jeden Handgriff. Eine Speisekarte war überflüssig – es gab weder Lager noch Tiefkühltruhe, nur das, was der Chef morgens am Markt erstanden hatte. Wer sich damit abfinden konnte, wurde mit wundervollen kulinarischen Erfahrungen belohnt. Wer nicht, kam einfach nicht wieder. Alle, die ich kannte, kamen immer wieder.
Ein klassischer Dialog:
Gast: Ich mag keinen Lachs.
Sepp: Falsch, du hasch no kann Lachs gessen, der da gschmeckt hat.
Und er hatte recht.
Spezialität des Hauses war die Piratensuppe – eine Symphonie aus Fischen, Meeresfrüchten und Lotus. Wir blieben Stammgäste und feierten Geburts-, Hochzeits- und Alltage dort. Und als sich irgendwann eine ganz spezielle Tafelrunde – das Sechseck – zusammenfand, wurde und blieb das Kokoro eine Art Heimat für diese Tischgesellschaft. Auch wenn wir nur einmal als komplettes Hexagon dort feierten – den Geburtstag jener Freundin, die durch eine Kette von Zufällen den letzten Abend im Kokoro mit uns verbrachte. Wann immer wir uns zu zweit, dritt oder viert dort trafen, waren die anderen, fehlenden mit am Tisch Und the Sepp auf ein Glas oder mehr. Und Sooks Lächeln.
Ich habe es stets geliebt, Menschen, die mir am Herzen lagen, ins Kokoro zu entführen und zu beobachten, wie sich ihr Verwunderung langsam in satte Glückseligkeit verwandelte. Alpbach und die Welt und Heimat. Und the Sepp.
Mein Freund, der Moser, war Sepps Cousin. Irgendwann ist auch er endlich im Kokoro angekommen. Ich weiß nicht mehr, wer von beiden mir die Geschichte ihres Wiedersehens nach mehr als 20 Jahren erzählt hat.
Der Moser kam ins Lokal.
Der Sepp, in seiner Küche, schaute auf: Griass di.
Der Moser erwiderte den Gruß.
Hasch an Hunger? fragte Sepp.
Ja.
Dann setz di hin und iss.
Und der Moser kam immer wieder.
Der Sepp hat sein Grab besucht: Eh schian.
Und damals, als wir mit dem anderen querköpfigen Koch dort Mittagessen waren und ich fast ein wenig Angst hatte, dass die Sturschädeln aneinander geraten und die beiden nach ganz kurzer Zeit erkannt haben, dass sie zusammen auf der Berufsschule waren und sich immer wieder begegnet sind - am Schiff und so - und so begeistert über ihr Handwerk ihre Kunst philosophierten – tremendous Workmanship and Pride.
Ich habe wunderbar gegessen im Kokoro, ein paar Mal ziemlich gesoffen, viel gelacht und auch um meinen Vater geweint. Herz, eben. Gestern gab es Piratensuppe, heute haben mir Tränen den Tag versalzen. Wenn ein Koch stirbt, gibt er den Löffel ab, hat dieJüngste gesagt, die gestern dabei war, es war ihr ein bisschen peinlich, the Sepp hätte wohl gelacht – ich werde ihn vermissen. Kochen, so wie Joseph Hausberger gekocht hat, ist sowohl Zen als auch eine wunderbare Form tätiger Liebe.
Er hinterlässt eine wunderbare Frau und zwei Kinder und eine Lücke im Leben einiger Menschen.
Memento!
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben…
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr
- und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andren muss man leben!
Mascha Kaléko
katiza - 17. Sep, 23:48
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