Voll das Leben
„Too much living to do“ singt Lou Rawls in meinem Kopf, leider gibt es kein Tube davon. Meine Abende sind verplant, untertags schleichen wir aneinander vorbei durch die Wohnung. Abends aber sitze ich am Podium der Buchhandlung und Blicke auf vertraute Gesichter im Publikum. Schneewittchen, von manchen als Schneekönigin gefürchtet und trotz Kühle verwandte Seele ist so freundlich im Gespräch, der bekannte Kollege, der vom Bildschirm in die Politik gewechselt ist, ist mehr bekannt als Kollege. Er kann sich an mich wohl nicht erinnern, aber ich mich auch nicht immer. Im Publikum – und mit diskutierend – ein Bloggerkollege, die Welten überschneiden sich und ich halte es aus.
Am nächsten Tag eine andere Bühne, größer, europäisch irgendwie und doch in einem Haus, das mir aus meinen beruflichen Anfängen in diesem Bereich wohl vertraut ist, genau in diesen Räumen war die Buchhandlung des Vortags früher beheimatet. Am Tag bevor ich meinen Mann kennen lernte, bin ich beim wilden Tanz mit einem Buchhändler dort ausgerutscht. Das hat mir ein dickes Lippchen eingetragen und einen genialen Ruf, sowohl unter den Anwesenden, als auch unter denen, mit denen ich später in jenem kleinen Sender, in der wohl prägendsten Zeit meines Lebens zusammen gearbeitet hat.
Doch es ist auch die Zeit davor, die mich in diesen Tagen wieder erreicht. Studentisches Engagement, politische Diskussionen, junge, glühende Menschen, verrauchte Kellerlokale mit Graffities an den Wänden, kämpfen für Gerechtigkeit und gegen Windmühlen. Einen Abend lang bin ich auch „undokumentierte kolleg*in“, der Iraner, der vor Khomeini geflohen ist, erzählt mir seine Geschichte, der ver.di-Kollege zahlt mir ein Bier an der selbst verwalteten Theke. Wir schichten die Brötchen um, die jene Gewerkschaft bezahlt hat, die ich in ihren Gründungstagen begleitet habe, auf Teller um. Der junge Landsmann, der mit mir durch den Abend geführt hat, ist Vegetarier und trinkt auch kein Bier, er hat schon viel erlebt und gemeinsam unterhalten wir die Runde mit Geschichten aus der Bergheimat „Piefke Saga“ und so. 20 Jahren liegen wohl zwischen und. „Kennst du den Moser?“ frag ich, weil sein Dialekt mich so an den Moser erinnerst, den Moser, der (mir) fehlt. Die meisten sind jünger, aber ich merk es kaum,nur an Details der Sozialisation. Um Mitternacht geh ich nach Hause.

Am Freitag dann wieder Kampf-Kunst; endlich schlagen, treten, ranggeln, dabei lachen und laufen, die Hände gerade, die Fäuste geballt, den Schwerpunkt finden und halten, stetig atemlos und glühend heiß.
Das gute Gefühl trägt mich durch den Schnee nach Hause, wo ein Stück Glück und Wärme und Freundschaft und - ja, irgendwie - „tätige Liebe“ deutschen Handwerks FRAGILE im Postkasten wartet. So dankbar für all das.

Rasch ziehe ich mich um, das Lieblingsgöttinenkleid mit dem tiefen Dekolletee und die Schnürstiefel, knallrote Lippen, ein wenig Puder. Und wieder durch den Schnee zum Klavierkonzert in das prächtige Palais, in dessen Kellergewölben ich vor Tagen getanzt habe. Diesmal muss ich in den zweiten Stock, ich bin allein, die meisten kommen paarweise. Für mich ist es auch ein wenig ein Canossagang, eine geschäftliche Beziehung, die den privaten Schwierigkeiten zum Opfer gefallen ist, schon am Weg habe ich Rechtfertigungen, Erklärungen geprobt. Die sind alle nicht notwendig, die wunderbare Professorin nimmt nur Bezug auf eine frühere, erfolgreichere Zusammenarbeit, sie freut sich aufrichtig mich zu sehen.

Ich genieße das Konzert, Beethoven, Schumann, Schubert; denke dankbar an das Sechseck, das mir die Klassik nahe gebracht hat. Man flirtet mit mir, ich übe mich im Small-Talk, komme gut an, bringe Männer zum Lachen und bin interessiert. Sparringpartner wie bei der Kampfkunst, die Energie des anderen nutzen, beim Gegner bleiben, nicht aus der Deckung gehen. Als Eine der letzten gehe ich, stapfe durch den Schnee nach Hause, lächelnd…
So viele Leben zu leben.

Am nächsten Tag eine andere Bühne, größer, europäisch irgendwie und doch in einem Haus, das mir aus meinen beruflichen Anfängen in diesem Bereich wohl vertraut ist, genau in diesen Räumen war die Buchhandlung des Vortags früher beheimatet. Am Tag bevor ich meinen Mann kennen lernte, bin ich beim wilden Tanz mit einem Buchhändler dort ausgerutscht. Das hat mir ein dickes Lippchen eingetragen und einen genialen Ruf, sowohl unter den Anwesenden, als auch unter denen, mit denen ich später in jenem kleinen Sender, in der wohl prägendsten Zeit meines Lebens zusammen gearbeitet hat.
Doch es ist auch die Zeit davor, die mich in diesen Tagen wieder erreicht. Studentisches Engagement, politische Diskussionen, junge, glühende Menschen, verrauchte Kellerlokale mit Graffities an den Wänden, kämpfen für Gerechtigkeit und gegen Windmühlen. Einen Abend lang bin ich auch „undokumentierte kolleg*in“, der Iraner, der vor Khomeini geflohen ist, erzählt mir seine Geschichte, der ver.di-Kollege zahlt mir ein Bier an der selbst verwalteten Theke. Wir schichten die Brötchen um, die jene Gewerkschaft bezahlt hat, die ich in ihren Gründungstagen begleitet habe, auf Teller um. Der junge Landsmann, der mit mir durch den Abend geführt hat, ist Vegetarier und trinkt auch kein Bier, er hat schon viel erlebt und gemeinsam unterhalten wir die Runde mit Geschichten aus der Bergheimat „Piefke Saga“ und so. 20 Jahren liegen wohl zwischen und. „Kennst du den Moser?“ frag ich, weil sein Dialekt mich so an den Moser erinnerst, den Moser, der (mir) fehlt. Die meisten sind jünger, aber ich merk es kaum,nur an Details der Sozialisation. Um Mitternacht geh ich nach Hause.

Am Freitag dann wieder Kampf-Kunst; endlich schlagen, treten, ranggeln, dabei lachen und laufen, die Hände gerade, die Fäuste geballt, den Schwerpunkt finden und halten, stetig atemlos und glühend heiß.

Das gute Gefühl trägt mich durch den Schnee nach Hause, wo ein Stück Glück und Wärme und Freundschaft und - ja, irgendwie - „tätige Liebe“ deutschen Handwerks FRAGILE im Postkasten wartet. So dankbar für all das.

Rasch ziehe ich mich um, das Lieblingsgöttinenkleid mit dem tiefen Dekolletee und die Schnürstiefel, knallrote Lippen, ein wenig Puder. Und wieder durch den Schnee zum Klavierkonzert in das prächtige Palais, in dessen Kellergewölben ich vor Tagen getanzt habe. Diesmal muss ich in den zweiten Stock, ich bin allein, die meisten kommen paarweise. Für mich ist es auch ein wenig ein Canossagang, eine geschäftliche Beziehung, die den privaten Schwierigkeiten zum Opfer gefallen ist, schon am Weg habe ich Rechtfertigungen, Erklärungen geprobt. Die sind alle nicht notwendig, die wunderbare Professorin nimmt nur Bezug auf eine frühere, erfolgreichere Zusammenarbeit, sie freut sich aufrichtig mich zu sehen.

Ich genieße das Konzert, Beethoven, Schumann, Schubert; denke dankbar an das Sechseck, das mir die Klassik nahe gebracht hat. Man flirtet mit mir, ich übe mich im Small-Talk, komme gut an, bringe Männer zum Lachen und bin interessiert. Sparringpartner wie bei der Kampfkunst, die Energie des anderen nutzen, beim Gegner bleiben, nicht aus der Deckung gehen. Als Eine der letzten gehe ich, stapfe durch den Schnee nach Hause, lächelnd…
So viele Leben zu leben.

katiza - 4. Dez, 12:23
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