T(Raum)
Eine Frau streift nackt durch einen Raum. Es ist frühmorgens, der Geliebte ist eben gegangen. Es ist seine Wohnung und sein Bett, das nach ihnen beiden riecht. Sie liest die Titel der Bücher in den voll geräumten Regalen, betrachtet die Bilder, die einen glücklichen geliebten Menschen zeigen. Manchmal schmunzelt sie, nimmt ein Buch aus dem Regal, blättert. Manche Buchrücken berührt sie fast zärtlich, sie greift nach einem Photo im Regal, nimmt es in die Hand, studiert es, lächelt.

Dann geht sie in die Küche und kocht sich Kaffee. Es ist eine dieser altmodischen Espressokannen, wie sie selbst eine besitzt. Sie mag diese Kannen, die alle Sinne bedienen, mag das Geräusch, wenn der Kaffe unter dem Druck des erhitzten Wassers aus der Mitte sprudelt, mag den Geruch, der sich ausbreitet, mag es, wenn aus dem spitzen Ausguss Espressotropfen herausschießen, weil sie die Kanne zu spät vom Feuer genommen hat. Und während sie den Gasherd von den Spuren der übergekochten Flüssigkeit reinigt - sie mag auch Gasherde, daheim versaut sie immer das Ceranfeld -den ersten viel zu heißen Schluck Kaffee im Mund, fällt ihr auf, dass die Wohnung Parterre liegt und sie noch immer nackt ist. Sie lacht kurz auf und legt sich wieder ins Bett, den dampfenden Kaffee neben sich.

Eine andere Wohnung. Ganz früher, beim ersten Mal, als sie die Eltern belog, um die ganze Nacht bei ihm zu verbringen, die Freundin bot ihr das Alibi. Auch damals blieb sie allein in der Wohnung zurück, studierte voll Liebe Bücherregale und Bilder und hinterließ einen Brief, handgeschrieben wie jetzt auch. Damals hatte sie nicht bemerkt, dass zwei in dieser Wohnung lebten, zu jung, naiv oder es nicht merken wollen? Eine große Matratze am Fußboden, seine durchlöcherte Kleidung, Platten, Steve Reich „Music for 18 Musicians“, an all das erinnerte sich die nackte Frau auf der großen Matratze am Fußboden.
Wieder eine andere Wohnung, ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, Musik, überall im Raum, Schallplatten und Bücher, viele Bücher. Poster. Eine große Matratze am Fußboden. Einmal ist sie nächtens dorthin angereist, den ganzen weiten Weg in die Heimatstadt, zwei Flaschen Sturm im Gepäck, die im Zug übergingen, heimlich und sie hat zwei Tage fast nur in dieser Wohnung verbracht, in diesem Zimmer, damit sie niemand sehen und erkennen könne, die Eltern nicht und auch sonst niemand, einmal hat der Vater des damals Geliebten ein Regal montiert. Die Briefe, die sie dem Geliebten schrieb, machten ihm Angst, schrieb er in den Briefen, die er ihr schrieb. Neil Young „The woman I’m thinking of, she loved me all up.“
Ein Zimmer in einer anderen WG, Bücher, Schallplatten, ein großes Bett. Und dann im Vorraum weiße Collegeschuhe mit Pömmeln. Ihr Gesicht verzog sich, fast ohne, dass sie es wollte. Und sie ging durch die morgendlichen Straßen zu einem anderen, „im Mund noch den Geschmack des anderen Mannes“, es waren ihre brechtigsten Jahre. Gedichte unter der Türschwelle durchgeschoben. Die Frage „Zu mir oder zu dir?“ beantwortete sie stets mit zu ihr.

Die Frau schreibt, ihre große schiefe Schrift füllt Seiten, Entwürfe, die sie rasch wieder verwirft. Sie zerreißt sie nicht, faltet sie zusammen und steckt sie in ihre Tasche. Sie schreibt unsicher, sie hat lange nicht mehr mit der Hand geschrieben, mißtraut der eigenen Schrift aber auch den eigenen Worten. Da oder dort ergänzt sie, fuzzelt etwas dazu. Sie setzt Ausrufungszeichen, am Computer tut sie das fast nie. Sie schreibt mit Bleistift, gehört zu jenen vorsichtigen Menschen, die auch Kreuzworträtsel mit Bleistift lösen. Und zu den Unvorsichtigen, die Briefe hinterlassen; noch immer. Gerade jetzt. Wieder.

Sie scheint zu schlafen, hat sich in die fliederfarbene Decke eingewickelt und hört die Stimmen draußen vor den Fenstern, die Sonne scheint herein, die Temperatur ist angenehm, wie eine wohlige Katze räkelt sie sich unter den Laken. Vor dem Fenster ist es grün. Sie hat die Augen zu und atmet ruhig. Dann öffnet sie die Augen und tastet mit ihnen den Raum ab, sie lächelt. Sie duscht sich und streut Buchstaben in den Raum. Sie ist noch immer nackt. Jetzt erst zieht sie sich an und geht. Sie hat einen Schlüssel. Und hofft, dass sie nicht erwacht.

„Die Frage ist, wie tief will ich in das Mysterium eintauchen.“


Dann geht sie in die Küche und kocht sich Kaffee. Es ist eine dieser altmodischen Espressokannen, wie sie selbst eine besitzt. Sie mag diese Kannen, die alle Sinne bedienen, mag das Geräusch, wenn der Kaffe unter dem Druck des erhitzten Wassers aus der Mitte sprudelt, mag den Geruch, der sich ausbreitet, mag es, wenn aus dem spitzen Ausguss Espressotropfen herausschießen, weil sie die Kanne zu spät vom Feuer genommen hat. Und während sie den Gasherd von den Spuren der übergekochten Flüssigkeit reinigt - sie mag auch Gasherde, daheim versaut sie immer das Ceranfeld -den ersten viel zu heißen Schluck Kaffee im Mund, fällt ihr auf, dass die Wohnung Parterre liegt und sie noch immer nackt ist. Sie lacht kurz auf und legt sich wieder ins Bett, den dampfenden Kaffee neben sich.

Eine andere Wohnung. Ganz früher, beim ersten Mal, als sie die Eltern belog, um die ganze Nacht bei ihm zu verbringen, die Freundin bot ihr das Alibi. Auch damals blieb sie allein in der Wohnung zurück, studierte voll Liebe Bücherregale und Bilder und hinterließ einen Brief, handgeschrieben wie jetzt auch. Damals hatte sie nicht bemerkt, dass zwei in dieser Wohnung lebten, zu jung, naiv oder es nicht merken wollen? Eine große Matratze am Fußboden, seine durchlöcherte Kleidung, Platten, Steve Reich „Music for 18 Musicians“, an all das erinnerte sich die nackte Frau auf der großen Matratze am Fußboden.
Wieder eine andere Wohnung, ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, Musik, überall im Raum, Schallplatten und Bücher, viele Bücher. Poster. Eine große Matratze am Fußboden. Einmal ist sie nächtens dorthin angereist, den ganzen weiten Weg in die Heimatstadt, zwei Flaschen Sturm im Gepäck, die im Zug übergingen, heimlich und sie hat zwei Tage fast nur in dieser Wohnung verbracht, in diesem Zimmer, damit sie niemand sehen und erkennen könne, die Eltern nicht und auch sonst niemand, einmal hat der Vater des damals Geliebten ein Regal montiert. Die Briefe, die sie dem Geliebten schrieb, machten ihm Angst, schrieb er in den Briefen, die er ihr schrieb. Neil Young „The woman I’m thinking of, she loved me all up.“
Ein Zimmer in einer anderen WG, Bücher, Schallplatten, ein großes Bett. Und dann im Vorraum weiße Collegeschuhe mit Pömmeln. Ihr Gesicht verzog sich, fast ohne, dass sie es wollte. Und sie ging durch die morgendlichen Straßen zu einem anderen, „im Mund noch den Geschmack des anderen Mannes“, es waren ihre brechtigsten Jahre. Gedichte unter der Türschwelle durchgeschoben. Die Frage „Zu mir oder zu dir?“ beantwortete sie stets mit zu ihr.

Die Frau schreibt, ihre große schiefe Schrift füllt Seiten, Entwürfe, die sie rasch wieder verwirft. Sie zerreißt sie nicht, faltet sie zusammen und steckt sie in ihre Tasche. Sie schreibt unsicher, sie hat lange nicht mehr mit der Hand geschrieben, mißtraut der eigenen Schrift aber auch den eigenen Worten. Da oder dort ergänzt sie, fuzzelt etwas dazu. Sie setzt Ausrufungszeichen, am Computer tut sie das fast nie. Sie schreibt mit Bleistift, gehört zu jenen vorsichtigen Menschen, die auch Kreuzworträtsel mit Bleistift lösen. Und zu den Unvorsichtigen, die Briefe hinterlassen; noch immer. Gerade jetzt. Wieder.

Sie scheint zu schlafen, hat sich in die fliederfarbene Decke eingewickelt und hört die Stimmen draußen vor den Fenstern, die Sonne scheint herein, die Temperatur ist angenehm, wie eine wohlige Katze räkelt sie sich unter den Laken. Vor dem Fenster ist es grün. Sie hat die Augen zu und atmet ruhig. Dann öffnet sie die Augen und tastet mit ihnen den Raum ab, sie lächelt. Sie duscht sich und streut Buchstaben in den Raum. Sie ist noch immer nackt. Jetzt erst zieht sie sich an und geht. Sie hat einen Schlüssel. Und hofft, dass sie nicht erwacht.

„Die Frage ist, wie tief will ich in das Mysterium eintauchen.“

katiza - 29. Aug, 19:34
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