„Und laß'n sich mit jagen“
Ich arbeite um mich abzulenken, um es allen zu beweisen, um die Arbeit fertig zu bringen, um an meinem Leben fest zu halten. Ich arbeite gegen die Angst an, gegen die Stille, gegen die Gedanken, die nicht zu Ende gedacht werden können, die Fragen die ich nicht stellen werde, will, kann. Eidechsen sonnen sich am Fenster und vor dem kleinen Erker haben die Amseln ihr Nest wieder bezogen, der Weihnachtsvogel bewacht sie und glitzert in der Sonne.

Die Zeit ist wie einer jenen besonders zähen Teige, die die Bewegung hemmen. „Wie ein Waschgang in der Waschmaschine“, erklärt Mama ihre Symptome den erstaunten Besucherinnen und Besuchern: „Und irgendwann ist fertig und dann ist aus.“ Heute würde sie gerne sterben, sagt sie. Die Bankfrau und ich schauen uns mit Tränen in den Augen an. Längst bleibt mir das „Aber nein“ im Hals stecken, weil ich ihr (und ja, auch mir) so sehr wünschen würde, dass sie an einem Tag wie heute gehen kann oder nach einem Besseren. Dass sie nicht pflegeleicht ist sondern Wolle oder Seide und der Schleudergang ihr erspart bleibt.

Auf einem kleinen Tischchen unter einem großen Orpheusbild steht das Bild des Vaters. Er hat die Waschgänge übersprungen, nur das Schleudern nicht. Daneben Wicken, so zart und leicht wie das Leben sein sollte. Und Blumen, Blumen, Blumen – zu viele – wie ein Begräbnis fast schon. Sie will keine Blumen mehr. Dass der Garten schön ist, freut sie. Gestern hat sie Artischocken gekocht. Manchmal hat sie Hunger. Manchmal Schmerzen. Schmerzmittel lehnt sie ab: „Die kommen noch früh genug.“

Die Augen sind müde; immer wieder drängt sich die spitze Zunge zwischen ihren Lippen und Zähnen hervor. Letzte Woche war sie bei der Friseurin, auch bei ihr – wie bei allen – verbessert sie das Ergebnis am Schluss. Großzügig entlohnt sie das „Darüber-Hinweg-Schauen“. Ich scheitere meist daran. Dann streiten wir. „Schrei mich nicht an“, sagt sie und ballt die Fäuste.

Doch um wieviel lieber ist mir diese unendliche Wut, die sie ihr Leben lang mitgetragen hat, als das erschöpfte Schweigen jetzt, der Blick der so oft an mir vorbei geht. Ich habe mein Leben lang immer ihre Mimik beobachtet, sorgsam darauf achtend wie ich den nächsten Wutausbruch vermeiden, verhindern oder zumindest abfedern kann – zugegeben manchmal auch, um zu erkennen, ob sie die Provokation, das Herausstellen der Unterschiede zwischen uns bemerkt hat. Jetzt will ich helfen, unterstützen und Freude bereiten. „Ordentlich“ – wie es in meinen Ohren gellt – die Haare zurück gebunden. Sie kann heute kaum gehen und doch streicht sie mit dem Fuß die stets verschobenen Teppiche glatt, entsorgt welke Blüten, kehrt da, wischt dort. Hilflos beobachte ich, strecke die Hand aus, meist vergebens. So kämpfen wir beide um unsere Normalitäten…

Die Zeit ist wie einer jenen besonders zähen Teige, die die Bewegung hemmen. „Wie ein Waschgang in der Waschmaschine“, erklärt Mama ihre Symptome den erstaunten Besucherinnen und Besuchern: „Und irgendwann ist fertig und dann ist aus.“ Heute würde sie gerne sterben, sagt sie. Die Bankfrau und ich schauen uns mit Tränen in den Augen an. Längst bleibt mir das „Aber nein“ im Hals stecken, weil ich ihr (und ja, auch mir) so sehr wünschen würde, dass sie an einem Tag wie heute gehen kann oder nach einem Besseren. Dass sie nicht pflegeleicht ist sondern Wolle oder Seide und der Schleudergang ihr erspart bleibt.

Auf einem kleinen Tischchen unter einem großen Orpheusbild steht das Bild des Vaters. Er hat die Waschgänge übersprungen, nur das Schleudern nicht. Daneben Wicken, so zart und leicht wie das Leben sein sollte. Und Blumen, Blumen, Blumen – zu viele – wie ein Begräbnis fast schon. Sie will keine Blumen mehr. Dass der Garten schön ist, freut sie. Gestern hat sie Artischocken gekocht. Manchmal hat sie Hunger. Manchmal Schmerzen. Schmerzmittel lehnt sie ab: „Die kommen noch früh genug.“

Die Augen sind müde; immer wieder drängt sich die spitze Zunge zwischen ihren Lippen und Zähnen hervor. Letzte Woche war sie bei der Friseurin, auch bei ihr – wie bei allen – verbessert sie das Ergebnis am Schluss. Großzügig entlohnt sie das „Darüber-Hinweg-Schauen“. Ich scheitere meist daran. Dann streiten wir. „Schrei mich nicht an“, sagt sie und ballt die Fäuste.

Doch um wieviel lieber ist mir diese unendliche Wut, die sie ihr Leben lang mitgetragen hat, als das erschöpfte Schweigen jetzt, der Blick der so oft an mir vorbei geht. Ich habe mein Leben lang immer ihre Mimik beobachtet, sorgsam darauf achtend wie ich den nächsten Wutausbruch vermeiden, verhindern oder zumindest abfedern kann – zugegeben manchmal auch, um zu erkennen, ob sie die Provokation, das Herausstellen der Unterschiede zwischen uns bemerkt hat. Jetzt will ich helfen, unterstützen und Freude bereiten. „Ordentlich“ – wie es in meinen Ohren gellt – die Haare zurück gebunden. Sie kann heute kaum gehen und doch streicht sie mit dem Fuß die stets verschobenen Teppiche glatt, entsorgt welke Blüten, kehrt da, wischt dort. Hilflos beobachte ich, strecke die Hand aus, meist vergebens. So kämpfen wir beide um unsere Normalitäten…
katiza - 11. Apr, 16:55
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