Lektionen in DeMut
„Ich habe mir nicht gedacht, dass es so schwer wird“, sagt Mama mit Blick aus dem Fenster. Wir weinen. Die starke kleine Frau drückt sich an die Schulter der zu groß geratenen Tochter. So schön ist der Frühling, der Garten, ihr Garten, als wolle er noch einmal eine letzte große Referenz vor seiner Königin erweisen. Das sage ich und weiß nicht, ob es richtig ist. Und dass ich mir auch nicht gedacht habe, dass es so schwer würde. Aber da lüge ich, denn eigentlich habe ich mir gedacht, dass es noch viel, viel schwerer würde. Ich denke sogar, dass es noch viel, viel schwerer wird.

Wir essen Spinat mit Spiegelei und Salzkartoffeln. Es ist Gründonnerstag. Das Essen schmeckt Mama und sie genießt den frischen Spinat, weil es ja im kleinen Gemüsegeschäft in unserer Gasse keinen Tiefgekühlten gibt. Ich war gestern seit wohl 40 Jahren das erste Mal wieder dort, alle anderen Wege wären zu weit, von hier aus kann ich in zehn Minuten zuhause sein. In Volksschulzeiten haben wir immer hier eingekauft, später nie mehr. Eine dumpfe Erinnerung lässt mich vermuten, dass ein Zwist der Grund dafür war, vielleicht war es aber auch der wöchentliche Großeinkauf mit dem Vater. Aus dem Gemüseladen ist ein perfekter Nahversorger geworden, inklusive Zigaretten- und Leberkäseverkauf. Aus den pummeligen Töchtern sind runde, freundliche Frauen geworden, die Mütter zweier bunter Kinder von afrikanischen Vätern, Asylanten „Zeitungsverkäufern“. Gegenüber die ererbte Gärtnerei mit dem ewig gleiche Logo – einem fröhlichen Gärtner. Wiewohl ich mich keines solchen entsinnen könnte, der Betrieb ist und war in meinen Erinnerungen stets in zupackender Frauenhand. Jetzt spielt sich Dorfleben hier ab und ich fühle mich fremd in meiner Heimat, versuche Laune zu machen und stammelnd zu erklären. Brot für die Pferde könne ich abgehen, sagt die lyrische Nachbarin. Ich bringe auch ihr Blumen vorbei, ein schneller Kaffee und wieder ans Krankenbett. Nur die Kartoffeln waren zu hart gekocht: „Die kochst du immer zu kurz…“

„Ja, Mama“, ich freue mich über den Widerspruch, die Kritik. Ihre Augen sind traurig wenn sie in die Bettdecke gekuschelt gegen den unerträglichen Juckreiz ankämpft. Vielleicht ist es die Müdigkeit oder die Krankheit. Immer wieder versuche ich sie davon zu überzeugen, dass sie wenigstens ein Kopfwehpulver nimmt, ein halbes. Ich will ihr keine Medikamente gegen ihren Willen verabreichen oder möglichst wenig. Es ist so gut so für mich. Ich streife Teppiche gerade, erfülle Wünsche, bereite kleine und größere Tellerchen und immer wieder einen kräftigenden Saft, dazwischen räume ich auf, verwische meine Spuren, verwalte ihr Reich. Wie sie wohl in dem Bewusstsein, dass Teppichfalten oft das Einzige sind, dass man kontrollieren kann. In vielen Kleinigkeiten merke ich, wie sehr sie die Botschaft der buddhistischen Bücher, die sie manchmal gegen die Schlaflosigkeit anlas versteht. Es ist das ganz große Naikan, das große Jujukinkai, es ist die Innenschau mit meiner Mama den Blick in die nahe Ferne zu werfen. In dieser Karwoche.

Und draußen vor dem Erkerfenster sperren drei hungrige Amselkücken ihre Schnäbel auf. Hungrig auf das Leben.


Wir essen Spinat mit Spiegelei und Salzkartoffeln. Es ist Gründonnerstag. Das Essen schmeckt Mama und sie genießt den frischen Spinat, weil es ja im kleinen Gemüsegeschäft in unserer Gasse keinen Tiefgekühlten gibt. Ich war gestern seit wohl 40 Jahren das erste Mal wieder dort, alle anderen Wege wären zu weit, von hier aus kann ich in zehn Minuten zuhause sein. In Volksschulzeiten haben wir immer hier eingekauft, später nie mehr. Eine dumpfe Erinnerung lässt mich vermuten, dass ein Zwist der Grund dafür war, vielleicht war es aber auch der wöchentliche Großeinkauf mit dem Vater. Aus dem Gemüseladen ist ein perfekter Nahversorger geworden, inklusive Zigaretten- und Leberkäseverkauf. Aus den pummeligen Töchtern sind runde, freundliche Frauen geworden, die Mütter zweier bunter Kinder von afrikanischen Vätern, Asylanten „Zeitungsverkäufern“. Gegenüber die ererbte Gärtnerei mit dem ewig gleiche Logo – einem fröhlichen Gärtner. Wiewohl ich mich keines solchen entsinnen könnte, der Betrieb ist und war in meinen Erinnerungen stets in zupackender Frauenhand. Jetzt spielt sich Dorfleben hier ab und ich fühle mich fremd in meiner Heimat, versuche Laune zu machen und stammelnd zu erklären. Brot für die Pferde könne ich abgehen, sagt die lyrische Nachbarin. Ich bringe auch ihr Blumen vorbei, ein schneller Kaffee und wieder ans Krankenbett. Nur die Kartoffeln waren zu hart gekocht: „Die kochst du immer zu kurz…“

„Ja, Mama“, ich freue mich über den Widerspruch, die Kritik. Ihre Augen sind traurig wenn sie in die Bettdecke gekuschelt gegen den unerträglichen Juckreiz ankämpft. Vielleicht ist es die Müdigkeit oder die Krankheit. Immer wieder versuche ich sie davon zu überzeugen, dass sie wenigstens ein Kopfwehpulver nimmt, ein halbes. Ich will ihr keine Medikamente gegen ihren Willen verabreichen oder möglichst wenig. Es ist so gut so für mich. Ich streife Teppiche gerade, erfülle Wünsche, bereite kleine und größere Tellerchen und immer wieder einen kräftigenden Saft, dazwischen räume ich auf, verwische meine Spuren, verwalte ihr Reich. Wie sie wohl in dem Bewusstsein, dass Teppichfalten oft das Einzige sind, dass man kontrollieren kann. In vielen Kleinigkeiten merke ich, wie sehr sie die Botschaft der buddhistischen Bücher, die sie manchmal gegen die Schlaflosigkeit anlas versteht. Es ist das ganz große Naikan, das große Jujukinkai, es ist die Innenschau mit meiner Mama den Blick in die nahe Ferne zu werfen. In dieser Karwoche.

Und draußen vor dem Erkerfenster sperren drei hungrige Amselkücken ihre Schnäbel auf. Hungrig auf das Leben.

katiza - 17. Apr, 16:50
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