Vom kleinen Prinzen
Das Schaf hat die Blume nicht gefressen. Glaub ich zumindest. Weil der kleine Prinz damals nämlich nicht auf seinen Planeten zurückgekehrt ist. Sondern eines Tages am 25. Geburtstag der Mock Turtle, der sich ein wenig wie der 250ste anfühlte, in ihrem Bett gelandet ist. Irgendwie war er ihr vom Feste übrig geblieben, damals in der brechtigsten Zeit ihres Lebens, als sie verletzt, bereit war das Messer zu nehmen, das Mann ihr reichte. Der kleine Prinz war aber kein Mann, mehr Knabe und von einem anderen Stern.
Und so warnte sie ihn und küsste ihn trotzdem. Sie beschwor ihn, ihr fern zu bleiben, und zog ihn fest an sich. Dann zog sie ihn aus, streifte das seidene Hemd vom schmalen Körper und nahm ihn mit in ihr quietschendes Messingbett. Am nächsten Tag hatten beide blaue Flecken an den Hüften. Und obwohl gewarnt, kehrte der kleine Prinz immer wieder.
Die Mock Turtle rezitierte Brecht für ihn und er erzählte ihr von Zeppelinen. Sie fotografierte ihn auf Friedhöfen. Sie küssten sich und manchmal fürchtete sie, dass er sie zähmen könnte. Aber er versprach ihr, sie nicht zu lieben.
An manchen Tagen war sie Königin und er ihr Untertan. "Küss mich", befahl sie: "Ich habe das Recht, Gehorsam zu fordern, weil meine Befehle vernünftig sind."
An anderen Tagen war sie eitel und er ihr Bewunderer. "Ich bewundere dich", sagte der kleine Prinz, indem er ein bisschen die Schultern hob, "aber wozu nimmst du das wichtig?"
Manchmal trank sie, um zu vergessen, dass sie sich schämte, weil sie soff.
Oft, wenn sie gemeinsam tranken, zahlte sie für beide. Und sie erklärte ihm, dass er nicht ewig von Luftschiffen träumen könne, sondern dass er auch daran denken müsse, Geld zu verdienen: "Wenn du als erster einen Einfall hast und du lässt ihn patentieren, so ist er dein. Und ich, ich besitze die Sterne, da niemand vor mir daran gedacht hat, sie zu besitzen."
Wenn die Tage wie Minuten vergingen und die Mock Turtle herum wirbelte, versuchte er ihr beizuspringen: "Weißt du ... ich kenne ein Mittel, wie du dich ausruhen könntest, wenn du wolltest..." »"ch will immer", sagte die Turtle.
Doch letztendlich war es aussichtslos. Irgendwann erklärte ihm die Mock Turtle, dass ihre Küsse und die Nächte in dem quietschenden Messingbett vorbei gehen würden, dass auch die Nicht-Liebe vergänglich sei. "Aber was bedeutet 'vergänglich'?", wiederholte der kleine Prinz, der in seinem Leben noch nie auf eine einmal gestellte Frage verzichtet hatte. "Das heißt von baldigem Entschwinden bedroht'."
Schließlich bewegte sie sich weiter und weiter weg von ihm. Und küsste einen anderen, der mehr Mann war und weniger zerbrechlich. Als der kleine Prinz sie wieder einmal besuchen wollte, verschlief sie sein Klingeln in ihrem Messingbett. Sie traf sich noch einmal mit ihm, bevor der andere in dieses Bett einzog. "Du hast es doch gewusst, kleiner Prinz, dass du mich nicht lieben sollst, Ich hab dir doch vom Messer erzählt", erklärte die Mock Turtle, Und er lachte wieder. "Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein", versprach sie.
Ein Jahr später war die Mock Turtle eingeladen zur Jungfernfahrt eines silbernen Zeppelin.
Der kleine Prinz hatte ihn gebaut. Doch der Prototyp stürzte ab.
Dann ist der kleine Prinz aus ihrem Leben entschwunden.
Das Schaf lebt bei der Mock Turtle und ihrem Mann.
Der kleine Prinz streichelt hoffentlich den Fuchs, der seine Liebe mehr verdient als alle Rosen.
Und mögen seine Zeppeline fliegen.
Wie sagte Anousch 0.: Prototypen können so rührend sein.
Und den kleinen Prinzen lieben wir alle, auch wenn er kein Mann ist, auch wenn er nie der Richtige sein wird. "Du darfst mich nicht lieben, verlieb dich nicht in mich!"... wenn das so einfach wäre.
Turtle Fragment
Er qietschte im Bett, bereit. Bequem
war es weder ihr noch ihm. Ein Prinz
mit blauen Flecken in jeder Provinz
seines Koerpers. Es ging nicht um Zaehmung,
nicht um Befreiung von Laehmung,
nur um praechtige brechtische Liebe.
Er folgte ihr, im Wechselspiel der Triebe,
vom Koeniginsein zum Untertan. Untaenig
beide; und gegenseitige Beherrscher. Sie wenig
gehorsam, wenn sie alles Bereitstehende soff.
Doch er, auch wenn er aus allen Poren troff,
wollte ihr noch immer noch beispringen
beim Wirbeln. Sie wollte sich nicht abbringen
lassen und schrie: Ich will, will immer, immer!
Will eine Welt im Glanz, kein Gewimmer!
(Koproduktion mit meiner Freundin, die mir die Reime zugefluestert hat.)
Gruessli von Audrey
was für ein schöner, rätselhafter, subtiler Text! Und wie wunderländisch sich der Irrsinn der Erfahrung mit dem Wahnsinn der Fiktion mischt - das vermag nur Mock Turtle! Und Sätze wie
Und sie erklärte ihm, dass er nicht ewig von Luftschiffen träumen könne..., ...dass auch die Nicht-Liebe vergänglich sei
...(man tröstet sich immer)... sind wie Risse in empfindliche Zeppelinhaut. Mag der kleine Prinz auf einem anderen Planeten glücklich geworden sein, wir freuen uns für das Glück seines Nachfolgers...
Danke*
Herzlich Ihre
Anousch
Herzlichst
Ihre Katiza
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