24
Apr
2011

Die Auferstehung und das Leben

„Frohe Ostern hat die Frau gsagt, he, die Frau hat mir frohe Ostern gwünscht“, ruft das kleine Mädchen durch den Park. Ich bin etwa 20 Meter von ihr entfernt, weit genug, um für sie weg zu sein. Eben noch habe ich mir neben ihr an dem kleinen Brunnen die Hände gewaschen, wir haben uns kurz angelächelt und in die Augen gesehen, schöne blaugrüne Augen. „Frohe Ostern“, habe ich gesagt, "Frohe Ostern", hat sie geantwortet.

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Drei Stunden bin ich durch meine Vergangenheit flaniert. Mit dem Bus wie früher in die Stadt, am Inn entlang - dort haben wir geraucht, dort Fotos gemacht - durch den Hofgarten, wo ein Pärchen einen blühenden Kirschbaum betrachtet und der Baum dankbar Blüten schneien lässt - und wir einst geraucht und geküsst haben, wo kleine Lieben begannen und verblühten - in die Altstadt. Im Dom, wo ich gefirmt wurde, entzünde ich eine Kerze für den Vater, wie er es mich gelehrt hat auf all den Reisen in den Kirchen, wo wir Kerzen für die Toten entzündeten; jetzt eben für ihn und die anderen, meine Toten.

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Touristin unter den Touristen spaziere ich über die modern umgestaltete Prachtstraße in das Kaffeehaus, in dem die junge Mock Turtle einst residierte, ein bisschen Lolita, ein bisschen verhurtes Gretchen, ein bisschen altkluges Geschöpf. Ich trinke ein Glas Wein auf der Terrasse, der Kellner kommt aus der Slowakei. Alles rundherum hat sich verändert, dort stand einst der Brunnen mit den Harfen. Fremd. Immer wieder schaue ich in Gesichter, versuche Vertrautes zu entdecken, Bekannte, Freunde von damals, die mich wieder erkennen könnten und mir beweisen, dass ich es war, die einst hier lebte.

Vorbei an der alten Schule, Osterferien, auch hier sieht alles anders aus und doch dort drüben habe ich mir am Auspuff der KTM des Schilehrer-Schulkollegen das Wadl verbrannt und kurz kann ich das verbrannte Fleisch riechen und höre mich gegen den Schmerz anlachen, Monate blieb die Narbe. Vor der Polizeidirektion werfe ich Ahorn-Hubschrauber in die Luft. Ich gehe durchs Villenviertel, das mich stets an den ersten Mann in meinem Leben erinnert. Am Vortag fuhr der Taxler an der Wohnung vorbei, wo ich zur Frau wurde. Kurz biege ich ab zum Haus in dem mein Freund, der Fotograf gelebt hat. Bei seinem Totenmahl war ich zuletzt dort. Sein Name steht noch immer an der Klingel, darunter der Name der liebenden Frau an seiner Seite. Ich überlege ob ich läuten soll, hebe sogar den Finger, später suche ich die Telefonnummer und nehme mir vor einen Brief zu schreiben.

Mit dem nächsten Bus fahre ich in meinen Heimatort, bis ganz hinauf zum Sanatorium und mache mich auf den Weg nach unten. Da hat der Komponist gewohnt, da der christliche Freund, dort war ich auf einem Grillfest. Und dann der letzte Weg, den ich an meines Vaters Arm gegangen bin. Ich lächle und die wenigen Menschen, die mir begegnen, antworten mit einem Lächeln, einem angedeuteten Gruß. Vorbei am Marterl, das die kleine Turtle wohl tausendmal gelesen hat zu jenem Platz, wo ich mit meinem Papa bin.

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Und da sitze ich und fühle Frieden und denke an Ostern. „Ich bin die Auferstehung und das Leben“, fällt mir ein. Ich nehme denselben Weg wie immer, ich gehe weiter, ich gehe die Schritte, die mein Vater nicht mehr gegangen ist, die meine Mutter nie mehr gehen wird. Am Straßenrand liegt eine leere Zigarettenschachtel, immer wieder Chesterfield, alls lei wegen die Chesterfield. Karsamstag.

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„Frohe Ostern“, wünscht euch die Frau.
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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