14
Jul
2015

Verschwyzt – das Fest

Toll3st aufgeputzt, die für den 1. Offizier und mich unvermeidlichen Seifenblasen geschultert, Geschenke und Texte im Gepäck machten wir drei Königinnen - die bezaubernde B. und Madame Lamamma - uns vom Hotel der drei Könige auf zum blauen Haus jenseits der Schienen. Mit (heimlich) entliehen Tüchlein – hierzulande Fetzn - kühlten wir die heißen Nacken, an den zahlreichen Brunnen, die frisches, klares Trinkwasser spenden. Erfolgreich mit nur minimalen Umwegen navigierten wir in Richtung Geburtstagshafen. Die wunder-volle Fröschin hatte uns als Gäste und zum Gastspiel geladen. Ihre – und damit unsere – Bühne an diesem Sommersonntag war das Atelier, das kleine Museum der famosen Sammlerin Ursula Stalder.

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Schon im Stiegenaufgang bin ich angekommen in den Werken der Künstlerin. Sammlungen kostbarster Kleinigkeiten, liebevoll aufgelesene Details, jeder Kasten, jedes Kästchen, jeder Blick ein Universum. Und dann beim Betreten des kleinen Museums eine noch schönere Sammlung von Menschen, Familie, Freundinnen, Freunde, die geladen und gekommen, Frau Frosch zu feiern. Sie selbst sah wunderschön aus mit einem Touch of Tudor. Die Küche ist Herz des Raumes und ein Frauentrio der besonderen Art – Ursula und ihre Schwestern – brachten dieses Herz zum Schlagen. Der zentrale Küchentisch bog sich von mediterranen Köstlichkeiten, wieder Sammelgut, verschiedenste Rezepten, Geschmäcker, Inspirationen, wie das Strandgut rundherum mitgebracht vom Ufer der Meere. Sogar die Weinblätter selbst gesammelt.

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Die drei Frauen umsorgten uns diskret und liebevoll. Und so konnten wir Menschen sammeln, jede, jeder für sich und auch gemeinsam, im Ländervergleich, im Lebensvergleich mit allen Sinnen, viele Stunden. Und was waren auf diesem Fest für interessante Menschen versammelt, Kinder, Männer Frauen mit Namen wie Marla, Pirmin oder Basil, mit dieser Sprache. Mit dieser Sprache – ja, auch mit der haben wir uns versucht bei unserem dreigeteilten Toll3sten Auftritt in Emils Geburtsstadt. Danke dem großartigsten Publikum, das wir je bei einem Auslandsgastspiel hatten.

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Applaus gab es auch für die Rede des Herrn Steppenhund zwischen Genie und Wahnsinn. Ebenso fasziniert wie wir von ihrer waren die Schweizer von unserer Sprache. Noch spät nachts wurde der Tschurifetzen erörtert. Ein Grillerbrand auf einem Balkon gegenüber lieferte uns auch noch die Demonstration der präzisen und sicheren Arbeit der Schweizer Feuerwehr und ein Quäntchen Abenteuer während wir Bubbles auf der Raucherterasse fliegen ließen.

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Am Klo begegnete mir Nietzsche und irgendetwas in meinem Gehirn begann zu rattern, das Strandgut des Wissens durchforstend. Ich hab es wiedergefunden, herausgesiebt aus dem Netz und dem Bücherregal. Nietzsche, Paul Rée und Lou Salomé – „Lous Dreieinigkeit“ war zusammen in Luzern gewesen – und vor dem sterbenden Löwen machte der 38-jährige bereits leidende Philosoph der 21-jährigen Russin einen zweiten erfolglosen Heiratsantrag. Später arrangiert er im Atelier des Luzerner Starphotographen Jules Bonnet das berühmte Peitschenbild. Das war 1882, die Krankheit plagte den Philosophen bereits, er war pensioniert, er hatte begonnen sich mit Zarathustra zu befassen, er war ein Frühpensionist, reisend zwischen der Schweiz und dem Mittelmeer: im Sommer in Sils-Maria oder am Vierwaldstättersee, wo er in Tribschen seinen Freund Wagner besuchte, im Winter in Rapallo oder Nizza. Sieben Jahre später, nachdem er weinend den Turiner Droschkengaul umarmt hatte, zeichnete er in der Irrenanstalt Friedmann in Basel ein kleines Bildchen das Löwendenkmal. "Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch" – der tanzende Stern fiel mir ein an jenem Abend der tanzenden Sterne.

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Längst vertraut schienen mir die Menschen, die ich dort kennengelernt. Viele in „unserem Alter“, zwei Toll3ste und das Geburtstagskind sind ein Jahrgang, das verrieten graue Schläfen und kleine Fältchen da oder dort und über Ländergrenzen geteilte, gemeinsame Erinnerungen. Doch wie es bei wirklich guten Festen so ist, lösten sich Altersgrenzen fließend auf, vermischten sich. Und mitten drin die Fröschin mit ihrem Lächeln. Danke – es war wunderbar, grossartig und auch ziemlich rauschend. Aus meiner „Bloggerfreundin“ ist nun meine „Schweizer Freundin“ geworden. Was für wundervolle Menschen wir doch im Laufe unseres Lebens sammeln dürfen.

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Irgendwann saßen wir noch mit der Künstlerin und einer letzten Flasche Wein inmitten des Raums, von Linz 09 erzählte sie und die Kreise schlossen sich wieder. Falls jetzt wer in Österreich neugierig auf Ursula Stalder geworden ist – bis 1. November 2015 kann man ihre Werke mit anderen im Daniel Spoerri Museum in Hadersdorf am Kamp bei der Ausstellung „Lieben und Haben“ bewundern. Spät brachen wir auf, wankten nach Hause, weil die vielen Gedanken und Erinnerungen in unseren Köpfen kreisten, nicht – nur – weil wir zu viel getrunken hätten.

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Die Köpfe konnten wir dann am nächsten Tag bei einer am Vierwaldstätter See auslüften – am Raddampfer „Gallia“, ausnahmsweise am Hinterdeck. Der Kulturflaneur, erfahrener Dampfschifffahrer, begleitete uns und erläuterte uns die verblassende Pracht der historischen Tourismusregion zwischen von Russen gekauften Grandhotels und Golfplätzen.

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Schön war es in der Schweiz – merci vielmals! (sagt Ihr doch?)
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