7
Jun
2007

Siamkater (1)

"Scheiße!", fluchte Julie – genau die hatte Bhumipol im Vorraum hinterlassen. Und während sie in die Küche abbog, um einen Fetzen zum Aufwischen des stinkenden Protestsignals zu holen, folgten ihr seine blauen Augen. Als sie wiederkam, hatte er es sich auf dem Korbstuhl in der Ecke gemütlich gemacht und beobachtete sie beim Saubermachen. Julie spürte den Zorn in sich aufsteigen. Sie konnte gar nicht mehr sagen, wie oft sie auf allen Vieren den Dreck des Katers weg geputzt hatte. Angefangen hatten die übel riechenden Unmutsignale direkt nach Christians Auszug. Immerhin war er es, der vor drei Jahren mit der Hand voll Siamkatze vor der Türe gestanden ist. Dabei wollte sie gar keine Haustiere. Sie wollte auch keine Kinder. Niemanden zum Versorgen und Erziehen. Christian auch nicht. Bis er dann zu Sonja gezogen ist. Heute haben sie zwei Kinder und weil Sonja eine Katzenallergie hat, blieb Julie schließlich Bhumipol. Anfangs war ihr das recht – eine letzte Erinnerung an diese große Liebe. Der Siamkater reagierte auf die Trennung auf seine Art. Drei Wochen lang verging kein Tage, ohne dass sie die Spuren seines Protests entsorgte. Vielleicht lag es daran, vielleicht an den kühlblauen Augen, an der edlen Rasse oder schlicht am Charakter des Tieres – Julie mochte ihn nicht. Und sie war sich ziemlich sicher, dass auch er sie nicht leiden konnte. Und trotzdem behielt sie ihn. Warum wusste sie selbst nicht mehr. Und so strafte er sie, wann immer sie eine Nacht weg blieb und er protestierte, wann immer jemand bei ihr übernachtete. Die wenigen Männer, die seit Christians Auszug in Julies leben getreten waren, hatten kaum Verständnis für die Allüren des Katers. Aber wer hat schon Verständnis für Katzendreck im Schuh und Erbrochenes auf grauem Kaschmir?Julie und Bhumipol teilten ihr Schicksal, wie eines jener alten Ehepaare, die nie auch nur ein wenig gemeinsames Glück erfahren hatten, an dem sie sich festhalten konnten.
Die Ursache für Bhumipols Ärger war - wie sie mutmaßte - das Baugerüst, das die vorderen Räume ihrer Wohnung fast völlig verdunkelte. Die Fassade des Wohnhauses wurde restauriert und dabei sollten auch gleich die Fenster ausgetauscht werden. Und auch Julie war nicht gerade entzückt von den wochenlangen Bauarbeiten, die Schmutz und Lärmbelästigung mit sich brachten. Schließlich arbeitete sie als Übersetzerin von Zuhause aus und all das würde ihre Arbeit ziemlich beeinträchtigen. Sie fuhr den Computer hoch und spazierte unterdessen die Fensterfront ab. Weil sie im vierten Stock wohnte, hatte sie nie Vorhänge gebraucht. Einzig im Schlafzimmer hatte Christian - der Langschläfer - damals ein Rollo montiert, um nicht vor der Zeit von der Sonne geweckt zu werden. In allen anderen Räumen war nie Sichtschutz notwendig gewesen. Der Computer begrüßte sie mit vertrautem Geräusch. (Fortsetzung folgt.)
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