19
Aug
2007

Ein ganz normaler Samstagnachmittag auf dem Land

"Nein", sagt die kleine Elfe und schon macht den beiden Prinzen das Schaukeln auf der Krokodilswippe auch keinen Spaß mehr. Eben noch haben die beiden Brüder versucht, die Prinzessin ihrer Herzen zum Wippen zu verführen, jetzt sitzen sie enttäuscht und ein wenig verloren auf dem grünen Monster herum. Miteinander spielen? Dazu haben sie keine Lust. Wo es doch um sie geht. Der Fünfjährige und der Dreijährige buhlen um die Sechsjährige wie die Großen. Und sie, die Spielleiterin, Lenkerin ihrer Fantasie und vertraute Freundin von klein auf, weiß ihre Gunst aufzuteilen – oder zu entziehen – wie eben.

Es ist ein ganz normaler Samstagnachmittag auf dem Land. Kinder und Hunde tollen durch den Garten, die Männer bauen einen Teich und ich kehr langsam ins Hier und Jetzt zurück. Gerade den Kleinen fühle ich mich an diesem Sommertag so besonders verbunden. Während ich sie beobachte, wärmen mich die Erinnerungen. So ähnlich muss es wohl gewesen sein, als ich mir damals immer neue Spiele für die beiden Cousins ausdachte. Und obwohl ich unbändige Lust hätte mitzumachen, halte ich mich zurück. Mich brauchen sie jetzt nicht, nicht einmal für die heiß geliebte Mutter ist jetzt Zeit, jetzt sind sie ganz weg und doch bei sich.

Wir fabrizieren in der Küche Kindersauce für die Grillerei am Abend: Mayonnaise, Joghurt, Sauerrahm, die unvermeidliche Sojasauce - Lieblingssauce der kleinen Elfe und somit auch Leibspeise ihre Hoftstaats – ein wenig Wassermelone, Knoblauch und Rosmarin. Die Elfenmutter und ich bereiten die Zutaten vor, die Elfe und der größere der beiden Prinzen rühren. Zuerst in Achtern, dann so "wie meine Mama immer Saucen rührt". Dann wieder Achter, abwechselnd, und immer wieder mit dem Finger kosten und Zutaten ergänzen. Am Schluss erhält die Sauce ein Gesicht. Der Kleine ist im Garten bei den Eltern.

Ein Heißluftballon fliegt über den Garten. Wir rennen alle hinaus, schreien winken, die Ballonfahrer antworten – "Das sind ja junge Leute." "In unserem Alter." "Sag ich doch: Junge Leute wie wir." Der Ballon landet zwei Grundstücke weiter. Die Kinder stürmen hin. Und während wir Erwachsenen ganz gebannt vom Wunder des nahen Ballons sind, ist für die Kleinen bald wieder alles vorbei. Wenn man noch nie einen Heißluftballon aus der Nähe gesehen hat, ist es wohl auch nicht verwunderlich, wenn er beinahe im heimischen Garten landet.

Sojasauce hat er geholt, der größere Prinz, für sich und die Elfe, wie er mir erklärt hat. Jetzt sitzt er da, nascht mit dem Finger von der Elfenspeise und unterhält sich mit mir. SIE hat gerade keine Zeit und seine Mutter versenkt Wasserpflanzen im kleinen Teich. Wir sprechen über Sojasauce, wozu man sie essen kann, über die Kindersauce und die Cocktailsauce. "Ketchup, Mayo und einen Spritzer Orangensaft" verrate ich im mein Geheimrezept der Kindervariante des Klassikers unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Dann kommt die Elfe. Ich bin abgemeldet, ja fast unsichtbar. "Ich schlaf heute bei meiner Mama", verkündet sie. Also nicht im gemeinsamen Nest, an dem die beiden verliebten Buben den ganzen Nachmittag gebaut haben. "Wieso?" er ist enttäuscht. "Weil ich will." Er bettelt noch ein wenig, aber nicht einmal Sojasauce hilft.

Schön ist der Teich geworden und zufrieden sitzen wir beim Essen. "Weißt du was da drinnen ist?" fragt mein kleiner Freund seine Mutter während er sich Cocktailsauce nimmt. "Ketchup, Mayo und einen Spritzer Orangensaft", verrät er unser Geheimnis und dann sagt er noch: "Heut ess ma sie halt, Mama, heut ess ma sie." Die kleine Elfe sitzt am andern Ende des Tischs. Sie hat ihre eigene Sojasauce. Seine schmeckt ihm daher momentan auch nicht recht. Als es dunkel wird zünden wir Kerzen an und hängen Lampions auf.

"Mama, Mama, Mama, Mama", kommt der Kleinste gelaufen. "Was ist denn?" "Da bin ich!" Wenn er die geliebte Mutter ganz für sich allein haben kann, darf sich ruhig der Bruder ein wenig von der Elfe herum kommandieren lassen. Er schmiegt sich an die Hauptperson seines Universums. Der Onkel fotografiert die Innigkeit. Interessiert studiert der kleine Prinz das Bild auf der Digitalkamera. Er ist droben, die Mutter, im Hintergrund der Vater. "Du nit dauf", er probiert den Satz ein paar Mal aus: "Foto nit dauf." Später kommt der Große. Die Elfe hat anderes zu tun. Die Mutter ist belegt und zur Tante unter die Decke kuscheln möchte er jetzt auch nicht. "Weg jetzt" sagt er zur Mutter. Das Kinn auf beiden Händen am Bankrand abgestützt, beobachtete er die Elfe beim Laufen. In seine Augen Liebe und Schmerz.

Lange nach Mitternacht, die Eltern liegen längst bei ihren Kindern, die Onkels und Tanten trinken noch ein Glas. Und endlich löschen wir die Kerzen und räumen die Lampions weg. Es war ein ganz normaler Samstagnachmittag auf dem Land: Mit einer koketten Elfe, zwei verliebten Prinzen, drei verwunschenen Hunden, sechs jungen Leuten, einem Teich, einem Heißluftballon und einer aufkeimenden jungen Liebe.

Teich1
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testsiegerin - 19. Aug, 18:52

du schaffst es wunderbar, stimmungen einzufangen und in worte zu kleiden. man sieht das nicht nur vor sich, man kann es spüren. wunderschön.
ich kenn übrigens kein kind, das sojasoße mag.

katiza - 19. Aug, 19:01

Danke, liebe Testsiegerin,

das freut mich - tja, die kleine Elfe ist tatsächlich ein außergewöhnliches kleine Mädchen und die beiden Prinzen? Wenn die Liebe wie Sojasauce schmeckt, dann löffelt man eben Sojasauce...
ConAlma - 19. Aug, 22:46

*seufz* Diese Kinder haben die besten aller Tanten!

katiza - 20. Aug, 07:17

Wenn sie gut aufpassen, dass sie nichts anstellt und nicht zu wild ist, dann vielleicht...
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