21
Nov
2010

20. November: Tolstois hunderster Todestag

„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie jedoch ist auf ihre besondere Weise unglücklich." Kaum ein Artikel zum runden Todestag Leo Tolstois, der ohne diesen Satz aus „Anna Karenina“ auskommt, so viele unglückliche Familien.

Ich hatte Zeit, diese Artikel zu lesen, durch die Kanäle zu zappen, im Netz zu surfen. Mit einer Freundin habe ich telefoniert, die es weiß. Wenn ich den Mut hätte, sagte sie und „Ich hab ihn noch nicht.“Unser Telefonat wird kurz unterbrochen, ein anderer Freund, der inder Wochenendwohngemeinschaft Zuflucht gesucht hat, verabschiedet sich von ihr. Seine Freundin hat sich getrennt.

Dazwischen arbeitete ich ein wenig, kochte mir ein Topinambur-Curry. Allein sein üben. In der großen Wohnung voller Erinnerung. Nachts ging ich dann tanzen, machte mich hübsch und lachte und flirtete und tanzte, tanzte, tanzte. Ich trafe eine junge Frau, die ich seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie hat damals meinen Brautsrauß gefangen. Jetzt habe sie zwei Kinder, erzählte sie mir. Ob der Braustrauß ihr Glück gebracht hatte, frug ich nicht, ich wollte nicht über die Hochzeit reden, nicht über den Mann. Sie hatte mir damals eine Kopie des Straußes anfertigen lassen, er verstaubt in der Wohnung. Um vier Uhr früh ging ich nach Hause, allein und glücklich. Wie schrieb Tolstoi in seinTagebuch: "Das Glück ist mit Müdigkeit und Muskelkater billig erkauft."

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profiler1 - 21. Nov, 20:04

das mit dem brautstrauss schmeissen, da ist ja so eine sache, sie hätten die schwarze katze anlässlich dieser hochzeit in kärnten sehen sollen, oliver kahn in seinen besten zeiten war ein lehrbub dagegen, ich hab mir fast alle nägel von den fingern gebissen, aber, LEIDER nicht gefangen :-)
und, topinamburcurry :-/, kein wunder, sie sollten sich wirklich etwas ordentliches kochen, irgendwas was leib UND, nicht und, vor allem, seele zusammen hält.

katiza - 21. Nov, 20:15

das Biokisterl hat mir alle möglichen Wurzeln beschert: Karotten, Zeller, Kohlrabi (eine Rübe halt, keine Wurzel) und Topinambur eben, da bot sich das an, das soll ja nicht schlecht werden das Zeugs. Ach Herr Profiler, das mit dem für niemanden kochen gehört mit zum Schwersten...
profiler1 - 21. Nov, 20:48

ich weiss GANZ genau wovon sie sprechen. ist schon lange her, ich hatte ein paar tage frei und ich dachte, was soll ich blöd allein zuhause herumsitzen und ins narrenkastl schauen, also, ich setz mich in meine karre, auf zur johanna maier, sie müssen wissen, ich bin leidenschaftlicher fliegenfischer (in ermangelung an vernünftigen gewässern momentan auf eis gelegt) und quartierte mich dort ein paar tage ein, abends dann, ich hatte ein bischen muffensausen, davor, in so ein restaurant alleine hinein zu gehen, meine bedenken waren umsonst, ich bekam zwar nur den katzentisch, ABER, man kümmerte sich um mich, als ob ich ein lange ersehnter onkel aus amerika wäre, der sommelier füllte mich drei tage hintereinander mit sachen ab, von denen ich bis zu diesem zeitpunkt lediglich aus genusszeitschriften gelesen habe. unter tags fing ich trotz meines unsäglichen zustandes, in traumhafter landschaft, tatsächlich ein paar akzeptable forellen und saiblinge, die ich selbstverständlich wieder frei ließ, und nach vier tagen fing ich an wieder mensch zu sein. dass mich der dietmar maier, jeden abend während des hauptgeschäfts, genötigt hat seine frau in der küche zu besuchen, um ein tratscherl zu halten, erwähne ich nur der vollständigkeit halber.
was ich mit dieser geschichte sagen will, liebe frau katiza, die dinge wohnen im kopf.
(über das essen schreib ich nix, weil ich niemals kollegen kritisiere)
katiza - 21. Nov, 20:59

Eh wohnen sie im Kopf, sogar oft nur dort, die Geschichte ist schön, den Zusammenhang versteh ich nicht ganz. Als Frau ist es noch ein Stück unangenehmer allein essen zu gehen und vor allem muss ich daran gewöhnen, für mich allein regelmäßig und gut zu kochen, aber am meisten muss ich mich gewöhnen, nicht verwöhnen zu können. Das Topinambur-Curry war übrigens gar nicht mal schlecht, Bockshornklee, Schwarzkümmel, Lorbeer, Senf angeröstet in Butterschmalz und guter selbstgemachter Gemüsefond. Aber ich versprechs: Morgen, nein übermorgen mach ich mir ein feines Bio-Steak!
profiler1 - 21. Nov, 21:09

der zusammenhang, nein, der rat, sofern sie einen solchen annehmen wollen, ist der, (ich hab meine geschichte nicht zur gänze erzählt, sie wissen, der vorhang) versuchen sie, sich selbst, von einem standpunkt als dritter aus zu sehen, es hilft ungemein, sie werden fast nur vorteile in ihrer situation finden, auch wenn das zum jetzigen zeitpunkt möglicherweise unverständlich klingt.
und das bedürfnis wieder verwöhnen zu können, da mach ich mir bei ihnen keine sorge.
acqua - 21. Nov, 21:16

Ich verstehe Sie, Frau Katiza (wenn vielleicht auch nur teilweise): Das verwöhnen Können fehlt auch mir am Meisten. - Neben dem getröstet Werden.
steppenhund - 21. Nov, 22:05

Wirklichkeit und Fiktion

Liebe Katiza, ihre Wirklichkeit tut mir leid, ihren derzeitigen Zustand hab ich einmal bei meiner Frau verursacht. Es grenzt an ein Wunder, dass wir heute wieder zusammen sind. Es waren vermutlich die Kinder und der Wunsch, die Regelmäßigkeiten des Familienlebens hinsichtlich der Feier- und Geburtstage zu erhalten. Und das hat dann irgendwo noch eine ganz dünnes Verbindungsband am Leben erhalten, dass mittlerweile wieder stärker geworden ist.
Ich hab keine Ahnung, ob ich Ihnen etwas Ähnliches wünschen soll. Das wissen vermutlich nicht einmal Sie selbst, denn im Augenblick sieht es ja so aus, als ob es das Letzte wäre, woran man denken könnte.
Was aber die Fiktion angeht, ist Tolstoi für mich ein unsympathischer Schriftsteller, der es auf dem Gewissen hat, dass Rachmaninov nach einem Besuch bei ihm in tiefe Depression verfallen ist und eine lange Kompositionssperre hatte. Dadurch, dass er es nicht nur zugibt sondern auch stolz darauf ist, stockunmusikalisch zu sein, ist er für mich ein Mensch, der in diesem Universum in einer anderen, klar abgegrenzten Welt lebt.
Interessanterweise habe ich diese Ablehnung auch bei sehr gebildeten, musizierenden Russen feststellen können. Das war in den Achtzigerjahren und ich war noch ziemlich naiv und habe die Russen damals nicht verstanden. Heute teile ich ihre Meinung.
Im Übrigen habe ich die Einladung in die Eden-Bar ernst gemeint. Vielleicht kann die kurzfristig etwas Zerstreuung bringen.

katiza - 24. Nov, 11:17

Schwierig, Herr Steppenhund, ist auch, dass ich die Trennung anstrebe, ich tue es mir also selbst an, ich tue es auch dem Mann an - nach langen Versuchen zu retten, was zu retten wäre und weder er noch Geliebte haben. Es ist ein Versuch über längere Sicht die Freundschaft zu erhalten und die vergangenen zwanzig Jahre nicht durch Lügen und Betrug zu zerstören. Ich weiß, dass er jetzt sehr zornig auf mich sein muss, um die Trennung annehmen zu können, meine große Hoffnung ist aber, dass er - und seine Familie, die auch meine geworden ist - irgendwann in näherer oder fernerer Zukunft halt auf anderer Ebene Teil meines Lebens bleiben.
Vielen Dank für die freundliche Einladung, die ich sehr gerne annehmen würde, eventuell erst im Jänner?
ConAlma - 22. Nov, 11:35

Mit dieser Todestag-Erweckung hab ich so meine Schwierigkeiten.
Tanzen Sie sich lebendig!

katiza - 24. Nov, 11:09

Lieber Herr Steppenhund, liebe Frau Alma,
das mit Dichtung und Wahrheit, Realien oder wie auch immer man es nennen möchte, ist so eine Sache - so liebe und schätze ich "meinen" Brecht trotz (oder vielleicht auch ein wenig wegen) der Widersprüche zwischen Werk und Leben, der geistigen Ausbeutung von, des geistigen Diebstahls an großartigen Frauen wie Elisabeth Hauptmann, Ruth Berlau oder sterbend verlassenene Margarethe Steffin. Die literarische Kraft von "Anna Karenina" oder "Krieg und Frieden" möcht ich nicht missen. Ich gebe ihnen, liebe Alma, allerdings recht, dass in den zahlreichen Huldigungsartikeln sehr oft Sofja als zänkisches, geiriges Weib dargestellt wird, neben einem nicht nur künstlerisch bewunderswert potenten Mann.

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