31
Mai
2007

Nachtrag zu den Zuckermelonen

Soundtrack
473 mal erzählt

Zuckermelonen (5. und letzter Teil)

"Gute Nacht", sagte Karl mit schmierigem Blick und plötzlich waren sie allein. Sie musterte ihre Nägel – sauber, trotz der Küchenarbeit. Schon ihre Mutter hatte gelästert, dass sie nie saubere Fingernägel hatte. Er starrte auf die Melonen. Dann sahen sie sich an. Als er sie auf die Anrichte hob, dachte sie kurz darüber nach, wie sich das mit seiner Zwangsneurose vereinbaren ließ, dann gab sie sich ganz seinen verschlingenden Küssen hin. Erst jetzt merkte sie, wie hungrig sie war. Wie lange sie auf so einen gierigen Mund gewartet hatte. Sie züngelten nacheinander, rissen die Mäuler weit auf, um sich gegenseitig zu verschlingen. In ihrer Gier stießen sie immer wieder mit den Zähnen aneinander. Und dann die Hände. Sie spürte wie seine Hände ihre Brüste kneteten, wie sie sich nach und nach in die zu engen Jeans drängten. Sie hatte heute Morgen zu den knapp sitzenden Hosen und ihren alten Cowboyboots gegriffen – eine unbewusste Sicherheitsmaßnahme, die wohl vergebens war. Denn schon öffnete er den Hosenknopf und ruckelte am Bund. Sie küssten sich weiter, während sie versuchte ihm entgegen zu kommen. "Die Stiefel", dachte sie: "Mit den Stiefeln an, geht da gar nichts." Dabei wollte sie so sehr. Sie wand sich, streckte ihm ihr Becken entgegen und konnte ihren Mund nicht von seinem lassen. Endlich verstand er, drehte sich um und machte ihr den Stiefelknecht. Sie lachten beide, als sie ihn in den Hintern trat. Dann zog er ihr die Jeans und den Slip aus. Sie rutschte von der Anrichte und stand etwas verloren in der Küche, die Füße auf ihren Hosen, unten ohne, in BH und Hemd. Er ging zwei Schritte zurück und musterte sie voller Vorfreude – wie ein besonders schönes Stück Fleisch, auf dessen Zubereitung er sich freute. Die Zuckermelonenfrau ganz nackt und appetitlich und er, der Koch, in voller Montur. Bevor er vor ihr auf die Knie ging, zog er ihr noch das Hemd und den BH aus. Sie ließ es mit sich geschehen. Er hielt ihre Brüste in seinen nach oben gestreckten Händen, während er ihr Geschlecht einatmete. Er war berauscht von ihrem Duft und drang mit Nase und Mund immer weiter durch ihr weiches Schamhaar. Sie stöhnte. Sie wankte und griff nach seinen Haaren. Er umklammerte ihre Beine und hob sie wieder auf die Anrichte, um besser an sein Amuse Bouche zu kommen. Er hörte ihren Atem, ihr Gurren, und als er kurz aufblickte, sah er den Genuss in ihrem Gesicht. Ebenbürtig seinem Genuss. Nach der Vorspeise zwischen ihren Schenkeln gingen beide zum Hauptgang über: lustvolle Schweinereien in der ganzen Küche, die jeder HACCP-Kontrolle widersprachen. Sie war so hungrig.

Irgendwann saßen sie sich am kleinen Küchentisch gegenüber. Zwischen ihnen eine Flasche Redmont von Markowitsch und ein Teller mit Schweinereien der anderen Art: feine Blutwurst, kalter Braten, Grammelschmalz und kräftigem Speck. Daneben ein Käseteller und köstliches Brot. Sie hatte seine Kochjacke um, ein Bein angezogen und tunkte genüsslich Blunzenstücke in scharfen Senf. Hinter ihr am Boden lagen ihre Boots, daneben die Hose und irgendwo Hemd und BH. Was für ein Stillleben. Er betrachtete sie, während er Wein trank. Worte waren unangebracht, die Stille trotzdem schwer zu ertragen. Er stand auf und schaltete seinen Küchen-CD-Spieler an. "The world was moving and she was right there with it" – die Talking Heads "Little Creatures". Das hatte sie schon ewig nicht mehr gehört. Zu "Creatures Of Love" tanzten sie dann beide durch die Küche: die Zuckermelonen mit seiner Kochjacke bekleidet und der Koch mit freiem Oberkörper.

Später, viel später, als sie sich, längst wieder angezogen, das letzte Stück Blutwurst vom Teller nahm, sah er das ihre Nägel wieder Trauer trugen. Schnell schloss er die Augen und küsste sie noch einmal voller Leidenschaft. Das Blutwurst-Senf-Gemisch in ihrem Mund schmeckte köstlich.

Die Buchpräsentation war ein rauschendes Fest. Kompositionen des gefeierten Kochs wurden auf kleinen Tellerchen gereicht. Stella verkostete eben das "Tartare von Blutwurst und Zuckermelone mit Balsamico Trauerrand" als sie ihren Namen hörte. "Ohne meine Frau wäre dieses Buch wohl kaum zustande gekommen", erklärte Daniel soeben. Er, der Koch und die vielen Gäste blickten in ihre Richtung. Sie errötete. Irgendwann putzte sie sich mit einem Zahnstocher verstohlen die Nägel. Sie hatte das kleine Schwarze an, High Heels und kein Höschen. "Tartare von Blutwurst und Zuckermelone mit Balsamico Trauerrand" – wie war er bloß darauf gekommen?
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