12
Jun
2007

Siamkater (3)

Eine Schweißperle machte sich von der kleinen Grube ihrer Kehle auf den Weg zwischen ihre Brüste. Julie war heiß. Nicht nur weil sie seit Tagen kein Fenster mehr öffnen konnte, ohne im Staub zu ersticken. Und das während sie stundenlang am Computer saß und die erotischen Geständnisse einer Studentin der französischen Elite-Uni ENA im Catherine-Millet-Stil übersetzte. Und dann natürlich Özgür. So hieß der junge Mann, der immer wieder durch das Fenster grüßte. Mittlerweile hatte sie einen Morgenmantel im Schlafzimmer und sich daran gewöhnt, ihren Kaffee mit ihm zu teilen. Nachmittags servierte sie ihm manchmal Zitronenlimonade. Gerade 17 war er und seine Muskeln kamen vom Taekwondo-Training. Das hatte er ihr im offenen Fenster in seiner türkisch-österreichischen Sprachmischung stolz erzählt. "Ein Bub", dachte sie und betrachtete hungrig seinen Männerkörper. Wenn er wie jetzt freundlich beim Fenster herein sah, fühlte sie sich immer ein wenig ertappt. Sie lächelte zurück und konzentrierte sich wieder auf den Text voller Schenkel und Schwänze. Bhumipol hatte sich für die Zeit der Renovierungsarbeiten in den Vorraum zurückgezogen. Darüber war sie erleichtert, denn seine Gewohnheit, sie fast regungslos bei der Arbeit zu beobachten, hatte ihren Hass auf ihn nur genährt. Er schien sich mit den Arbeiten abgefunden zu haben, denn seit drei Tagen benutzte er wieder ausschließlich sein Katzenklo.
Flucht in ein Schwimmbad war nicht drinnen. Das Manuskript musste fertig werden. Irgendwo war doch noch ein Ventilator, erinnerte sie sich. Draußen im Vorraum suchte sie ihn und fand ihn ganz oben in einem der Kästen. Sie presste drei Zitronen aus, füllte das Glas mit Wasser auf, gab Eiswürfel dazu und suchte Özgür, der gerade vor ihrem Schlafzimmerfenster beschäftigt war. Breit grinsend sagte er zu, als sie ihn um Hilfe bat.
Als sie ihm die Leiter hielt, fiel ihr sein fester Hintern auf. Sie roch seinen Schweiß und sah die kleinen Perlen auf seinen Achselhaaren. Er sprach mit ihr, aber sie nahm seine Worte nicht wirklich war. Sie lächelte zu ihm hinauf. Bhumipol strich durch den Vorraum und beobachtete die Szene. Julie griff nach dem Ventilator. Der Geruch seines Schweißes war scharf aber nicht unangenehm. Sie wollte mehr davon, mit ihrer Nase in seine Achseln eintauchen. Eine leichte Drehung hätte gereicht und sie hätten sich umarmt. Sie fragte sich, ob er all das genauso wahr nahm wie sie. Kurz blickte sie auf seine Hose, dann war sie wieder verstrickt in ihrer eigenen Begierde. Der Kater würgte hinter ihr plötzlich sein Luxusmahl hervor. Özgür rümpfte die Nase, dieses Grinsen. "Komisches Viech", sagt er und machte sich daran den Ventilator im Wohnzimmer aufzustellen und einzuschalten. Vergeblich. Jetzt wusste Julie wieder, wieso er dort oben im Kasten verstaut war. Er war kaputt und Christian, der Sparsame, wollte ihn damals nicht weg werfen. "Mein Schwager verkauft", erklärte der Bursche: "20 Euro, für dich, weil du Freundin. Ich bringe." Sie nahm das Angebot an. Sie hatte keine Ahnung, ob das günstig oder teuer war. Sie wusste nicht einmal, ob sie einen neuen Ventilator wollte. Sie wollte Özgür und dass der Moment möglichst lange andauert. Sie wollte Abkühlung. "Sechs", sagte er und nachdem sie sich kurz in die Augen sahen zur Erklärung: "Ich komme." Dann ging er wieder an die Arbeit. Julie wischte die Katzenkotze auf und nahm eine kalte Dusche. (Fortsetzung folgt)
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