Ausgeblendet
Heute vor sechs Jahren hat sich mein Freund, der Fotograf, ausgeblendet. Als ich ein junges Mädchen war, hat er mir Selbstbewusstsein geschenkt. Weil ich in seinen Augen schön war, auf seinen Bildern etwas Besonderes war, konnte ich mich lieben und wurde geliebt. Doch derselbe Blick, der Frauen schön sah, sah die Welt bitter. Der liebevolle Blick durch die Linse, wurde hart ohne den Schutz der Kamera. Er verehrte Newton und musste Hotels fotografieren. Er fotografierte mich im Dirndl und am Herrenklo. Manche Teile meines Seins erkannte ich erst auf seinen Bildern. Er sah mir zu beim erwachsen werden und mochte mich trotzdem, später sogar mehr, glaub ich. Die letzten Bilder von mir machte er ein Jahr vor seinem Tod. Damals war ich 35 und Monroeblond. Kein androgynes Nymphchen mehr, sondern Weib. Allein zu zweit in einer Burg erzählten wir uns Bildgeschichten, ein Wochenende lang. Ohne meinen Liebsten, ohne seine Liebste. Mit Respekt – alle Lust lag in den Fotos. Bei der Fahrt zur Burg in seinem Bus hat er mir aus seinem Leben erzählt und ein bisschen konnte ich ahnen, woher die Bitterkeit gekommen war. Und doch hätte ich nie geahnt, wie weit die Bitterkeit ging. Die Frau, die ihn liebte, war so voll Wärme, oft fröhlich und so gut. Sie hat ihn gefunden, erhängt in seinem Atelier. Das hat sie mir am Telefon erzählt, am 7. September 2001. Vier Tage später war diese Welt eine andere. Er musste es nicht mehr sehen. Sie konnte nicht mit ihm darüber sprechen.
Das Auge hat sich geschlossen. Manchmal schau ich seine Bilder an, dann mag ich mich, gefalle ich mir, dann finde ich mich wieder, das Mädchen, die Frau, Manchmal ist er bei mir. Oft vermiss ich ihn.
Sie wohl auch.
Das Auge hat sich geschlossen. Manchmal schau ich seine Bilder an, dann mag ich mich, gefalle ich mir, dann finde ich mich wieder, das Mädchen, die Frau, Manchmal ist er bei mir. Oft vermiss ich ihn.
Sie wohl auch.
katiza - 6. Sep, 18:54
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