1
Okt
2007

Mops (8)

An dem einen speziellen Abend hatte Andreas Stunden vor Georgs i-Book verbracht. Irgendwann hatte er begonnen, die endlosen Mails und Bilder auf CD zu brennen. Immer wieder versank er in den fremden Worten. "Die hatten ein ganzes Leben neben mir. Ich wusste nichts", empörte er sich. Er sei an diesem Abend nicht Herr seiner Sinne gewesen, er habe alle Informationen, wie neben sich stehend, gesucht, gespeichert, gesucht, gespeichert. "Es war wohl Unrecht?", er lag mit dem Kopf in Erikas Schoß. Sie streichelte über seine Haare. Sie bewunderte, liebte seinen ungezwungenen Umgang mit Berührungen. "Nein, es war dein gutes Recht. Er war dein Mann, zwölf Jahre, da solltest du wissen, was er treibt." Andreas sprang auf, holte die CD und konfrontierte sie mit Dingen, die sie nicht sehen, nicht lesen, nicht wissen wollte. Sie sah Penisse von Männern, deren Gesichter ihr wohl ewig verborgen bleiben würden. Sie las Dinge über Sexualpraktiken, die ihr fremd waren und sie beängstigen. Und doch erregte sie das alles. Sie dachte an die vergangene Nacht und daran, wie selten Sex in ihrem Leben geworden war. Zur Selbstbefriedigung hatte sie kein Talent. Rudolf war heute mit Tri zu einem Flugtag aufgebrochen. Erwachen und Frühstück waren nett gewesen, auch wenn er das Geschehene mit keinem Wort mehr erwähnte. Nicht einmal eine Geste erinnerte daran, dass sie sich Stunden zuvor endlich wieder geliebt hatten.
Andreas saß dicht neben ihr und studierte die Fotos und Mails mit ihr, immer wieder beobachtete er sie und dann vertiefte er sich wieder in seine Beweisstücke, als würde er sie das erste Mal sehen. Rufus Wainwright begleitete sie wieder einmal. Und die übliche Flasche Wein. "Fabelhaft" stand am Etikett des Portugiesen und trotz oder wegen der Melancholie, die sie beide an diesem Spätsommer-Samstag umfangen hielt, fühlte Erika sich auch so.
Ein Handy piepste. Andreas fischte es aus seiner Hosentasche, las die SMS und grinste zufrieden. Sie sah in fragend an: "Ein Neuer?" "Ja", er wirkte glücklich und fast irgendwie stolz und setzte hinzu: "Internet." Dann stand er auf, um zu antworten. Kurz blieb sie noch hilflos vor den fremden Mails sitzen, dann hatte sie plötzlich den Drang, allein zu sein. "Ich geh jetzt einmal, den Germteig machen für Buchteln" Tri und Rudolf hatten sich die Süßspeise gewünscht. Sie machte sie gerne. Sie mochte Germteig. Ihn zu schlagen, zu kneten hatte auf Erika fast therapeutische Wirkung. Je nach Verfassung war es Aggressionen abbauend oder sinnlich oder beides. Sie mochte den Geruch, wenn der Teig aufging und die Tatsache, dass er aufging, dass sich sein Volumen mit der Kraft ihrer Sehnsucht und ihres Zorns verdoppelte. Sie stellte die Schüssel an einen warmen Platz und kehrte zu Andreas zurück. Marcel begrüßte sie Schwanz wedelnd bei der Türe. Sie hatte den Mops ins Herz geschlossen.
(Fortsetzung folgt)
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Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

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