21
Jun
2008

Schwanengesänge und Siegeshymnen

Ich habe mich getäuscht – Ende Januar habe ich nicht zum letzten Mal das Alban Berg Quartett gesehen sondern gestern. Geladen – wie könnte es anders sein - vom gebenden Freund, an meiner Seite die rohseidene Freundin, an seiner eine weitere wunderbare Frau aus dem Harem der Verwöhnten. Erst vor kurzem habe ich sie kennen gelernt und mit ihr die Frauenwelt bestehend aus Töchtern und Freundin, die den Freund derzeit auffängt, wenn er stolpert. Fallen lassen kann er sich nicht, aber alte Ängste erweckt von neuen Gespenstern trüben seinen Blick. Ereignisse wiederholen sich, ähnlich aber nicht gleich. Wie stets gibt er – nur lacht er weniger dabei, seine Augen blitzen seltener stolz und schelmisch und scheinen öfter von Tränen zu glänzen.

Irgendwie passend dazu das Wiener Abschiedskonzert des Alban Berg Quartetts. Während sich draußen die Fans von Kroatien und der Türkei in ihren mannigfaltigen Verkleidungen aufs Spiel einstimmten, stimmten sich drinnen andere Fans in anderen Verkleidungen auf ein anderes Spiel ein. Bei ersteren war es unklar, wer gehen würde, bei letzteren waren alle bereit, Abschied zu nehmen.

Gespielt wurde Schubert: Das Klavierquintett A-Dur D 667 "Forellenquintett" machte den Anfang. Begleitet von Alois Posch am Kontrabass und Elisabeth Leonskaja am Klavier. Ach, wie klang es nach Sommer. Wenn ich die Augen schloss, sah ich blühende Wiesen und tatsächlich ein Bächlein. Bilder einer fröhlichen Landpartie im Freundeskreis tauchen vor meinem inneren Auge auf. Wohl gemalt von Kuppelwieser, der aus demselben Ort wie der Liebste kommt, dort wo auch wir unsere Landpartien feiern und dem Schubert-Film "Mit meinen heißen Tränen", der mein Bild des Komponisten entscheidend geprägt hat – muss ich Musik doch sehen, mit Bildern und Geschichten begreifen, um mich ihr zu nähern. Da waren auch Bilder vom letzten Sommer, die die Streicher und das munter plätschernde Klavier hinter meine geschlossenen Augenlider zauberten: Fuschl, Plainlinde, die wunderbaren Freundinnen, der Geiger, der gebende Freund und sein schelmisches Lachen, ganz Bub, wiewohl der Älteste von uns, und schließlich der Liebste und ich. All das hörte ich gestern Abend und mehr, denn wenn ich die Augen öffnete, ließ die Rohseidene mit einem Blick Sonnen aufgehen.

Ganz anders nach der Pause: Da spielte das ABQ, begleitet von Heinrich Schiff am Violincello das Streichquintett C-Dur D 956. Ein banges Herz klopfte, verhaltener Atem, viel Angst hörte ich und Ringen, Unsicherheit und Schmerz. Melodien wie Erinnerungen, nie ganz ohne Bitterkeit, der Blick nach hinten gerichtet auf das Gewitter, das den schönen Sommertag zerstörte statt auf die Sonne, die Enttäuschung durch den Freund statt auf die Liebe. So klang es mir und auch der Seidenen schnürte es die Kehle zu. Und doch war die Musik voll unendlicher Schönheit, wie in jedem Abschied, in jedem Schmerz ja Schönheit liegt, manchmal nimmt man sie – wie auch die Liebe – in solchen Momenten eher wahr als im Glück, vertraut ihr mehr. Im Ernsthaften nimmt man ernst. Plötzlich fiel mir Oscar Wildes Märchen von der Nachtigall und der Rose ein. "Du sollst deine rote Rose haben. Ich will sie beim Mondlicht bilden aus Liedern und färben mit meinem eigenen Herzblut." Und ich sah die Rose im Straßengraben und den Studenten mit seinem Buch. Aber dann schenkte mir die Musik doch noch ein letztes Lächeln mit Tränen in den Augen. Ganz ähnlich wie die Stimmung beim Schlussapplaus. Standing Ovations berührt und voll Abschiedsschmerz, die nicht enden wollten. Als es dem verbleibenden Publikum gelang, die Musiker des ABQ – und die Geigerin – ein letztes Mal auf die Bühne zu klatschen, wurden verschwörerische lächelnde Blicke getauscht. Ein Stück Glück im Abschied.

Die Türkei hat gewonnen und das Singen und Hupen dauerte die ganze Nacht an. Auf dem Heimweg stimmte auch der gebende Freund in das Hupkonzert ein. Und ich sah endlich wieder sein Bubengesicht.

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