Bis ich mich geflochten und geschnatzt
Arm dran – Kalauer, Zwölftonmusik aus dem Radio und welke Rosen am Esszimmertisch. Mama hat sich heute Nacht den Arm gebrochen. Um 2:22 ist sie hingefallen, ihr Schreien hat mich, uns aufgeweckt. In einer Art verdrehter Pieta ruhte sie auf den Schenkeln des 1. Offiziers, während ich die Rettung rief. Noch zu Mittag waren wir im Fischrestaurant gesessen, nachdem ich sie auf den Einkaufswagen gestützt durch den noblen Fruchthof gejagt habe. Sie sah großartig aus, mit dem weißen Leiberl, dem pinken Twinset, den grauen Hosen und der passenden Trachtenjacke, „ordentlich“, mehr als. Die Gesichtsfarbe könnte auch von einer Bräunungscreme stammen. Leider keine Hummernudeln, Garnelen aber und Tunfischspaghetti. Arztbesuch am Mittagstisch; Blumen musste ich noch besorgen, im besten Blumengeschäft in der Stadt, „Die müssen meinen Grabschmuck machen.“ Von „Contenance“ sprach Poldi, der Arzt. „Was ist das?“ fragt die Mäuseprinzessin – „Cool mit Würde“, antworten der 1. Offizier und ich. Contenance trifft es: Ich berichte Mama von all dem und wie stolz ich bin.

„Ihr seid verdammt cool“, sagt der, den ich liebe, als wir um fünf Uhr früh aus dem Krankenhaus heim kommen. Ein Heim, das er still und diskret auch als seines angenomen hat, wie ich stets bedacht, Geräusche zu vermeiden und Ordnungen herzustellen. Befehle zu befolgen, noch ehe sie ausgesprochen und zu dulden, dass sie trotzdem immer wieder ausgesprochen werden. Contenance, nur kein Kontrollverlust, nicht einmal die Anzeichen davon. Nun, da sie endlich Herrscherin ist über all jenes, was ihrem Gefühl nach nie ihr gehört hat, aber Zeit meines Denkens von ihr beherrscht wurde – wie das Universum, ergänzt die kleine Turtle. Kein Fleck entgeht ihr, jede Sünde, jeder Verstoß werden offensichtlich. Und so räume ich im Morgengrauen den Kübel, den ich geholt habe, falls sie erbrechen müsse, noch schnell hinter die Kellertüre. Irgendwann dann liegen wir am Wasser, irgendwo dort draußen ist das Vorderdeck und mit der Lust schreie ich den Schmerz und die Angst hinaus in das Haus, das bald meines sein wird.

Ich muss die Treppe wischen, drei Rettungsmänner in groben Schuhe kamen durch die regnerische Nacht und haben ihre Spuren hinterlassen. Aus Mamas kritischen Blick war heraus zu lesen, was sie immer wieder gerne zum Amusement des Publikums erzählte. „Ich habe diese blöde Notfalluhr nur wegen meiner Tochter, wenn ich den Knopf drücke kommen sechs Zivis mit schmutzigen Schuhen und schleppen mich ins Krankenhaus zum Röntgen und stecken mich wieder in diese blöde Röhre." Jawoll, so ist es - bis auf die Röhre und dass es nur drei waren. Morgen hole ich sei heim, weg von der alten Frau, die im Schlaf röchelt, dem Christus an der Wand und den hinten offenen Hemden heim, ich muss nur noch aufräumen.

Und meine Haare, irgendwann morgens in der Unfallambulanz fuhr sie mir mit ihrem Blick wie mit einer harten Haarbürste durchs frisch gewaschene, lockige Haar. Wenn ich mit ihr bin, trage ich es nicht mehr offen, zu „unordentlich“. Meine Haare waren ihre Haare, gute gebürstet im schmerzlichen "Gogl" am Oberkopf zusammengesteckt mit spitzen Nadeln, bis der Friseur vor Haarausfall warnte, blond, blond liebt sie mich, die knallrote Locke hingegen führte zu ganz großem Drama, Enterbung und viele, viel schlimmer, wochenlanges Schweigen, Heimatbesuche nur mit Kopfbedeckung inklusive diverser Geburtstagsfeiern, Ächtung. Haarrevolutionen, Haarspaltereien: "Blond hast du mir am Besten gefallen". Der Arzt würde enttäuscht sein, dass ich nicht mehr so schön blond sei, fürchtet sie. Grau ist er geworden, der Schulfreund. Ich binde meine Haare zusammen. Seltsam, oder? Vorauseilender Gehorsam ist nicht so meine Sache dachte ich, aber vielleicht doch. „Überdurchschnittliche Anpassungsfähigkeit. Von der Königinnentochter bis hin zur Gänsemagd.

Alles, was ich weiß, weiß ich schon so lange, Märchen, Mythen, Zitate, Buch-Staben, stets vor Augen, das Rätsel geht immer auf, das Spiel wird immer wieder gewonnen. Einst in einem anderen Leben vor 30 Jahren träumte mir eines Nachts, ich hätte in einem Spiel die Antwort gefunden auf alle Fragen des Lebens - 42 erfuhr ich erst später – ich hatte die Antwort aber vergessen. Auf einem knatternden Moped, brüllte ich die Geschichte damals meinem Freund ins Ohr, es war staubig und heiß. Und doch stimmt es, seit damals und länger, trage ich die Antwort mit mir herum und langsam formt die sich. Die Antwort war immer da. Schon vor 42 Jahren. Aber oder und: „Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen, Lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen. Wagt er zu weinen. Mitten in uns.“ Rainer Maria Rilke


„Ihr seid verdammt cool“, sagt der, den ich liebe, als wir um fünf Uhr früh aus dem Krankenhaus heim kommen. Ein Heim, das er still und diskret auch als seines angenomen hat, wie ich stets bedacht, Geräusche zu vermeiden und Ordnungen herzustellen. Befehle zu befolgen, noch ehe sie ausgesprochen und zu dulden, dass sie trotzdem immer wieder ausgesprochen werden. Contenance, nur kein Kontrollverlust, nicht einmal die Anzeichen davon. Nun, da sie endlich Herrscherin ist über all jenes, was ihrem Gefühl nach nie ihr gehört hat, aber Zeit meines Denkens von ihr beherrscht wurde – wie das Universum, ergänzt die kleine Turtle. Kein Fleck entgeht ihr, jede Sünde, jeder Verstoß werden offensichtlich. Und so räume ich im Morgengrauen den Kübel, den ich geholt habe, falls sie erbrechen müsse, noch schnell hinter die Kellertüre. Irgendwann dann liegen wir am Wasser, irgendwo dort draußen ist das Vorderdeck und mit der Lust schreie ich den Schmerz und die Angst hinaus in das Haus, das bald meines sein wird.

Ich muss die Treppe wischen, drei Rettungsmänner in groben Schuhe kamen durch die regnerische Nacht und haben ihre Spuren hinterlassen. Aus Mamas kritischen Blick war heraus zu lesen, was sie immer wieder gerne zum Amusement des Publikums erzählte. „Ich habe diese blöde Notfalluhr nur wegen meiner Tochter, wenn ich den Knopf drücke kommen sechs Zivis mit schmutzigen Schuhen und schleppen mich ins Krankenhaus zum Röntgen und stecken mich wieder in diese blöde Röhre." Jawoll, so ist es - bis auf die Röhre und dass es nur drei waren. Morgen hole ich sei heim, weg von der alten Frau, die im Schlaf röchelt, dem Christus an der Wand und den hinten offenen Hemden heim, ich muss nur noch aufräumen.

Und meine Haare, irgendwann morgens in der Unfallambulanz fuhr sie mir mit ihrem Blick wie mit einer harten Haarbürste durchs frisch gewaschene, lockige Haar. Wenn ich mit ihr bin, trage ich es nicht mehr offen, zu „unordentlich“. Meine Haare waren ihre Haare, gute gebürstet im schmerzlichen "Gogl" am Oberkopf zusammengesteckt mit spitzen Nadeln, bis der Friseur vor Haarausfall warnte, blond, blond liebt sie mich, die knallrote Locke hingegen führte zu ganz großem Drama, Enterbung und viele, viel schlimmer, wochenlanges Schweigen, Heimatbesuche nur mit Kopfbedeckung inklusive diverser Geburtstagsfeiern, Ächtung. Haarrevolutionen, Haarspaltereien: "Blond hast du mir am Besten gefallen". Der Arzt würde enttäuscht sein, dass ich nicht mehr so schön blond sei, fürchtet sie. Grau ist er geworden, der Schulfreund. Ich binde meine Haare zusammen. Seltsam, oder? Vorauseilender Gehorsam ist nicht so meine Sache dachte ich, aber vielleicht doch. „Überdurchschnittliche Anpassungsfähigkeit. Von der Königinnentochter bis hin zur Gänsemagd.

Alles, was ich weiß, weiß ich schon so lange, Märchen, Mythen, Zitate, Buch-Staben, stets vor Augen, das Rätsel geht immer auf, das Spiel wird immer wieder gewonnen. Einst in einem anderen Leben vor 30 Jahren träumte mir eines Nachts, ich hätte in einem Spiel die Antwort gefunden auf alle Fragen des Lebens - 42 erfuhr ich erst später – ich hatte die Antwort aber vergessen. Auf einem knatternden Moped, brüllte ich die Geschichte damals meinem Freund ins Ohr, es war staubig und heiß. Und doch stimmt es, seit damals und länger, trage ich die Antwort mit mir herum und langsam formt die sich. Die Antwort war immer da. Schon vor 42 Jahren. Aber oder und: „Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen, Lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen. Wagt er zu weinen. Mitten in uns.“ Rainer Maria Rilke

katiza - 13. Apr, 20:29
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