21
Aug
2014

Von einer, die auszog, das Fürchten zu lernen

Vom Krankenhaus ins Sanatorium von Sanatorium ins Krankenhaus ins Sanatorium ins Krankenhaus…nur marginale Unterschiede in Pastell gehalten und im Baustil, alterwürdig das Eine, das Landeskrankenhaus, modern das andere, das Sanatorium der Kreuzschwestern. Trotzdem Pastell, hellgelb und rosa und jenes unerträgliche Grün, das an OP-Saal erinnerst und Blumenbilder, Topfpflanzen, Besuchernischen. Alles schreit nach „hell und freundlich“. Kaum rot, rot macht agressiv, rot erinnert an Blut, Die Rosen sind rot, in den tadellos gepflegten Gärten hier wie dort (und daheim) und auf den Blumenbildern und der Himmel manchmal in den Bergen.

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Jesus hängt überall, auf den Gängen, in den Zimmern, im Sanatorium sogar am Hauskapellenchannel und vor dem Fenster. Schmerzverzerrt das Gesicht, Schmerzens Reich? Das Heil’ge Land. Bunte Fotografien hängen auch hier und Schnitzereien, die die Schönheit der Heimat zum Verkauf anbieten. Den Patscherkofel, den Glungezer, die Nordkette, die ganze Bergherrlichkeit hat man vor dem Fenster, wenn man Klasse liegt, im Krankenhaus und im Sanatorium.

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Bunter Bilderrahmen mit Fotos der Pflegenden, Funktion und Vornamen, hängen da wie dort. Anfangs habe ich noch versucht sie mir einzuprägen, Beziehung aufzubauen, in langen bangen Stunden, wie man so sagt. Nicht zu viel natürlich, war auch nicht möglich bei dem Arbeitspensum, dass all die Judiths, Saras, Joses, Canans, Franks, Merles, Biancas, Drgaicas, Birgits, Günthers u.a. zu bewältigen haben. Da wie dort stetes Klingeln, weiße Gewänder mit besorgter Aufmerksamkeit oder genervt, müde, seelenvoll, achtsam. Alles.

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Der Brasilianer mit dem Irokesen, der sanfte Tischler, dem Mama die Buddhafigur geschenkt hat, das blonde Mädchen aus dem SOS-Kinderdorf, die andere Blonde mit dem „Vayaz con Tioz“-Tattoo, die Schwester der Fernsehmoderatorin, die junge Ärztin, die Mama in der Nachtschicht verarztet hat, die Röntgenassistentin, die mich in den Arm genommen hat, Herr Sommer, der mich gewarnt hat, die junge Türkin, die Weihnachten Dienst hatte…

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All die Namensschilder, die bunten Gummischuhe mit den Comicfiguren, Haarfarben, Haarschnitte, Herkunften, Pflegeredewendungen, professionelle Handgriffe, Hygiene, irgendwie zwischen Professionalität und Anteilnahme und Gesprächen von jener anderen Welt. Und die Mutter, ich schäme mich für sie, wenn sie die Nachtschicht quält, ich bin stolz auf sie, wenn sie das Personal zum Lächeln bringt. Ich bin ihr linker Arm, im Krankenhaus und auch im Sanatorium, selbst als ich selbst dort liege.

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Da wie dort schleichen die Seelsorgenden über die Gänge, ich erkenne sie schon von weitem, nicht nur die Geistlichen, die ihr Gewand verrät, auch die weltlichen in den weißen Mäntelchen. Ihr suchender Blick verrät sie und ihr sorgendes Lächeln. Padres, Schwestern, Freiwillige, wie Totenvögel mit Heilsbotschaften im Schnabel. Ich zücke meist das Handy und überprüfe meinen Nachrichtenstatus oder tue zumindest so, um sie abzuwehren. Auch die Mutter hat sie alnge mit dme Buddha-Kopf auf dem Nachtkästchen, aber unlängst konnte sie eine der weißen Schwestern im Sanatorium zur Kommunion überreden.

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Ihr Gott ist ein belohnender und strafender, um Hilfe ruft sie ihre Mutter an, verzweifelt wimmernd in den Krankenhausnächten. Oder die Nachtschwester oder mich. Ich habe sie kaum je beten gesehen, den Vater schon, verzweifelt. „Das hätte dein Vater nicht ausgehalten, er hat Krankenhäuser gehasst“, und ich sehe ihn auf den zu kleinen Stühlen hilflos zusammengesackt inmitten des Pastell bei den Krankenhausbesuchen früher, damals in den anderen verwechselbaren Krankenhäusern und Sanatorien. Verängstigt, verzweifelter Besucher.

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Ich warte auf die Visite, verwechselbar Ärztinnen und Ärzte hier wie dort, verwechselbar auch mit dem Pflegepersonal, die Frauen eher, neigen sie doch weniger zur klassischen Visitehaltung. Zuhören, wenig mitsprechen, sanfte Korrekturen, kleine Wortgefechte mit der Mutter. Hinterherlaufen. Wieder warten, während die Mutter schläft oder untersucht wird. Warten in den Kaffeehäusern, die wie Schleusen zwischen den Innen- und Außenwelten funktionieren. Hier vermischen sich Gesunde und Kranke, Pflegende und BesucherInnen; nur die Seelsorgenden trifft man hier selten, hier laben sich die Seelen an anderem.

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Die Bäckereikette in der öffentlichen und der ambitionierte private Pächter in der privaten Anstalt, bieten Abwechslung zur Krankenhauskost, die da wie dort…Man gönnt sich Verbotenes, das Stück Torte, die fette Wurst, den Schinken-Käse-Toast, echten Kaffee, Wien Bier. Da sitze ich und warte und schnappe Gesprächsfetzen auf, die mit voller Härte der Sprache, der Konsonanten, die Härte der Menschen hier untermalen. Wie genieße ich die Großstadt, wo ich nicht verstehen muss, was die anderen sprechen.

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Weg, raus aus dem Ganzen, meinen Hals retten. Doch ich habe in nicht aus der Schlinge gezogen, sie zieht sich zu aus 500 km Entfernung, ihr anderes Ende ist in dem Krankenhausbett in einem pastellfarbenen Raum mit Blumenbildern und nam- wie auch gesichtslosen Pflegepersonal. Ich warte am Vorderdeck. Ich hätte ihr gerne noch eine Zeit gegönnt in ihrem Haus. Ich hätte nicht gedacht, dass sich ihr unendlicher Zorn über mein Weggehen, unsere Trennung auch auf die Pflegerin erstreckt. Und doch nichts Neues, alles schon erlebt, auch vor der Krebsdiagnose, dem Todesurteil, das manches entschulden lässt.

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Alles schon gehabt, vertraute Muster von Kindesbeinen an. Da ist nichts was wir tun können. Nichts was ich noch tun kann. Warten. Contenance bewahren und der Mutter Würde ist in Pastell gebettet.
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