11
Mrz
2011

Illusionen

„Komm jetzt“ - mit diesen SMS lädt mich der Erstgeborene zu einem falschen Freitag. Er ist zwar noch kränkelnd aber auch neugierig und vielleicht auch sehnsuchtsvoll genug, das Wohnzimmer trotzdem zu öffnen. Ich packe also noch jede Menge Vitamine in den Salat und Wein in meine Tasche und mache mich auf, die Abenteuer, der letzten Tage und Wochen im Kopf und bereit, sie zu schildern, ergänzt von seinen spitzfindigen Kommentaren. Und der Soundtrack. Und das gelbe Sofa.

Qualitätszeit nennen wir das. Soulsugar, Im Einverständnis, viel Lachen und die kleinen Beichten, die Ängste und Lächerlichkeiten, die Kindereien der Liebe, Illusionen. Wir wechseln unsere Rollen wie er die Schallplatten, wenigstens sind es Anfangs Langspielplatten, jazzig und warm, „den Frühling herbei spielen“, sagt er. Die Scham und die Angst und die vielen Fragen und die Unsicherheit. Und er beruhigt erlaubt ermutigt und ich auch. Contact High.

Später dann endlich wieder die 100 Jahre, die 1950er, neu geschnitten. Die junge Knef. Verschwörerisch lacht der Erstgeborene mir zu und Herr Doppel T, inzwischen eingelangt, bemerkt es trotzdem. „Ihr schon wieder!“ Und trinken und tanzen bis der kranke Gastgeber einschläft und ein freundlicher Taxler, der mir drei Euro erlässt. Die Welt meint es gut mit mir.

Und als ich heute Morgen mir selbst Arbeit vortäuschend und etwas verkatert im Netz surfe, erreicht mich Japan auf Youtube und kurz bin ich fassungslos und klicke mich durch schreckliche Bilder und dann bin ich ruhig und surfe weiter, lese Blogs und habe das alles schon fast vergessen. Im Hintergrund laufen die Nachrichten, als ich noch einmal beim Erstgeborenen auftauche. Ich erzähl ihm, wie seltsam kalt mich das lässt und doch auch entsetzt. Wir zählen sie auf die großen Katastrophen, die wir erlebt haben, Die Erdbeben unserer Kindheit, die aus dem Friaul die Heimat erschütterten und Mount St. Helen und der Tsunami und 9/11 und das jetzt. Wir reden über den jungen Filmfreund, der uns stets den Weltuntergang prophezeit. „Angst könnte man kriegen“, sagen wir und „Dann müssen wir halt umso mehr leben. Bis jetzt war es gut.“

Nur nicht denken, sich verschenken, denn wer weiß, wer weiß, wo ich schon morgen bin.


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Sternenstaub - 12. Mär, 08:55

tja stimmt, ein Teil ist echt fertig und ein andrer Teil ist so eigenartig taub .... :((

katiza - 12. Mär, 15:13

Eigenartig, oder, Frau Sternenstaub? Was ist das? Das Alter, die Erfahrung, dass es eh irgendwie weiter geht, das weit weg, Information-Overflow, Resignation, es eh scho immer wissen? Und es passiert doch im großen und kleinen. Siehe und lese Herrn Jossele unten, sehr treffend!
Sternenstaub - 12. Mär, 19:35

es ist irgendwie dieses Gefühl machtlos zu sein und diese Hilflosigkeit den Opfern gegenüber ...
Jossele - 12. Mär, 14:54

Zu Ersterem:
Ich hoffe doch, dass man dieses epochale 100-Jahre Werk endlich einmal irgendwo im Netz anklicken kann.
Bitte dies dem Erstgeborenen auszurichten, wie auch Genesungswünsche von einem fernen Verehrer.

Zu Zweiterem:
Dass die Welt keine Kinderfaschingsparty ist, bei der nachher irgendjemand aufräumt, könnten wir eigentlich wissen.
Dass, was jetzt in Japan geschieht, sehr wahrscheinlich war, hätten wir auch wissen können, und auch, dass es damit nicht erledigt ist.
Wir hoffen halt, dass es weit weg geschieht.
Es ist Kazioshi Funakis Haus, das seine Familie die nächsten paar hundert Jahre nicht mehr betreten kann weil es ein bisserl kontaminiert ist. Weit weg ist der, sowie die Wolke, aber die geht, wenn die Meterologengebete wahr werden, eh übers Meer, wo kaum jemand daheim ist. (Nahrungskette blenden wir jetzt einmal aus, weil das können wir gut seit den explodierenden Ölplattformen)

Die Welt wird sicher nicht untergehen, aber hoffentlich langsam einmal anders werden.
(Jessas, ich muss noch die Toyota-Aktien loswerden und Gold kaufen)

katiza - 12. Mär, 15:33

SoulBro Jossele, jetzt mal salopp gesagt und voll Respect!

Ad1) Jaaaaaa, wenn es denn mal fertig wird....was ja demnächst sein soll (stellen Sie sich jetzt ein hämisch dreckiges Musenlachen vor) aber vielleicht kann ich Ihnen unter vorweisen dieses Kommentars eine Unter-der-Hand-Kopie des (wie erwähnt) beinahe fertigen Werkes (wenn einem bloß nicht immer diese Jahre dazwischen kommen würden..) verschaffen - welche Zeit tät Sie denn sehr reizen? 1950er - da ist einiges an Callas, aber genau dieser Teil ist gerade im Umbruch, ich werds besprechen.

Ad2) .

(und bei Sushi in Zukunft einen Gang retour schalten!)

Jossele - 12. Mär, 20:05

Ad2,
Wenns nur so einfach wäre.
rosmarin - 13. Mär, 19:05

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