29
Aug
2007

Goldfisch (2)

Mit dem Sofa war damals auch Emil bei ihnen eingezogen. Sie hatten ihn bei einem schäbigen Luna-Park auf einem Shoppingcenter-Parkplatz geschossen. Dort konnte man Goldfische schießen. In kleinen Plastikbeuteln hingen sie am Budenrand. Sie gaben eine Menge Fehlschüsse ab, bis ihnen der Mann dort halb gnädig den Fisch überließ. Emil wohnte im Waschbecken des Motels, in das sie sich einquartiert hatten, und während Ben am nächsten Tag aufpasste, dass ihm nichts passierte, kaufte sie in einem der Designläden ein überdimensionales Goldfischglas. Mit Emil am Schoß fuhren sie nach Hause. Das Sofa wurde zwei Wochen später geliefert. Es war bequem. Sie hatte selten darauf gesessen, sie war viel unterwegs damals. Auf der Flucht – in der fertig eingerichteten Wohnung war ihr ihr Leben zu möbliert geworden. Ein halbes Jahr später entdeckte Ben ihre Untreue. Sie musste es erst mit seinem besten Freund treiben, dass er ihr endlich auf die Schliche kam. Es gab kaum Anrufbeantworter mehr. Ein SMS erledigte die Sache.

Sie roch am Wein, Kirsche eindeutig und die schöne Farbe. Gerne hätte sie einen Schluck genommen, aber sie wollte auf ihn warten. Er lachte im Nebenzimmer. Es klang verliebt. Viel hatte sich in der Wohnung nicht geändert, abgesehen von den großformatigen Bildern. Mit fast jedem Einrichtungsgegenstand verband sie eine Geschichte: Der Flohmarktsessel, das Regal, die schöne Vitrine aus dem Dorotheum. Isa lebte in Hamburg und würde erst jetzt, bald, schon in den nächsten Wochen, nach Wien ziehen. Sie wird wohl einiges ändern, dachte sie. Zumindest würde sie einiges ändern und sie fragte sich, ob sie Emil behalten würden. Emil in seiner Luxuswohnung, dem geräumigen Goldfischglas mit der schönen Einrichtung. Als sie Ben nichts mehr zu geben hatte, brachte sie fast täglich neue Geschenke für den Fisch mit. Glasmurmeln, Glitzersteine, Kristalle und schließlich eine edle blaue Höhle aus Glas. Sie lächelte ihn an. Dann stand sie auf, um eine CD zu suchen.
Sie kniete vor dem CD-Regal, als Ben endlich den Raum wieder betrat. "Isa", er lächelte verlegen und zuckte mit den Schultern. "Weiß sie von mir?" Er lächelte noch immer, zuckte wieder. "Dass ich hier bin?" "Ja", log er: "Warum auch nicht?" Pause. "Was suchst du?" "Jazz Butcher" "Mhm", er griff zum iPod, sie setzte sich wieder. Sie prosteten einander zu. Der Wein schmeckte. Sie hatte den Song seit damals nicht mehr gehört und doch konnte sie jedes Wort mitsingen. "Girls who keep goldfish/Fascinate my mind/What are they doing here?/Why are they here at all?" Beim Refrain stimmte er ein: "I'd like to know - those fish are awful small".
(Fortsetzung folgt)
953 mal erzählt

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ConAlma - 29. Aug, 14:18

Ein zu möbliertes Leben - jesses, das kenne ich zu gut - den Song hingegen bislang nicht!

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