Lebens-Wert

19
Apr
2010

Zerfall

Erst war es sein Computer, dann der eine Monitor, zwischendurch die Avokadopflanze und schließlich meine Festplatte, die den Geist aufgab und mich fast zwang mit Netbook, Monitor und Tatstatur zu übersiedeln. Der Laptop hörte nur Tage später au,f verlässlich seinen Dienst zu tun und dann ist da noch das Licht im Backrohr, das nicht mehr leuchtet. Selbst die Narzissen – geschenkt im Bemühen – begannen bereits kurz nachdem sie in einer Vase auf meinem Schreibtisch Platz gefunden hatten, zu verblühen.

Es ist ein großes Enden hier drinnen und draußen ist Frühling.

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26
Mrz
2010

Bucheckern

„Buchecker", antwortete ich sofort, als mich die Metallbildhauerin aufforderte ein Symbol für mich in der Natur zu finden und ich beschrieb ihr den kleinen Fingerhut, innen samtweich außen rau, fast stachelig. Nahrung könne daraus werden, wenn die weise Frau das kleine Mädchen lehre, die Bucheckern einzusammeln und zu mahlen, versicherte ich ihr, mehr ahnend als wissend.

Als ich wenige Tage später in der Schmiede der Meisterin der stahlharten Liebe zur Seite stehen durfte, fand ich viele Bucheckern am Boden. Sie half mir, doch es fühlte sich wie Zermahlen werden an. Nicht nur eine Schmiede gibt es dort, auch Mühlen, neben einer wohnt sie gar, auch sie betrieben von heilsamen Tränenströmen.

Abends dann ein gutes Essen, gekocht von einem, der Wohlgemutheit auf seine Fahnen heftet.

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4
Mrz
2010

Blick zurück?

„Das ist ein alter Schmerz“, sagt die Metallbildhauerin, zu der ich vor ein paar Wochen zurück gekehrt bin, um mein Leben wieder in Form zu schmieden. Vor 20 Jahren stand sie am Anfang eines Weges aus der Angst. Immer wieder hat sie mich begleitet. Sturzbäche von Tränen habe ich in dem vertrauten Raum vergossen, den Blick oft aus dem Fenster gerichtet, habe mich von ihr halten und Halt geben lassen. Sie ist eine der weisen Frauen, der Meisterinnen, die mir zur Seite stehen. Die Stationen meines Weges sind ihr vertraut und meist, weiß sie bereits nach meinen ersten Worten, wo ich gerade stehe. Manche Ihrer Hilfestellungen wend ich selbst mittlerweile an, wenn ich Menschen begleiten darf, dass ich Menschen begleiten werde, war ihr von Anfang an klar.

Es ist das kleine Mädchen, das da weint und schluchzt und wimmert, es sind Kinderschmerz und Kinderangst, die wieder einmal wieder gekehrt sind, das bemerke auch ich an der veränderten Stimme, der Intensität, dem verheulten Gesicht, das mich aus dem Spiegel ansieht, ein Kindergeicht. Dieses kleine Mädchen gilt es zu trösten, es in mein Herz zu nehmen. Da ist aber auch noch der andere Schmerz, der körperliche. Geführt von ihr, spüre ich Ketten um den Hals, ein Beil, das den Kopf schon fast vom Körper getrennt hat – so fühlt es sich an. „Der kommt wohl aus einem anderem Leben und findet gerade Platz“, meint sie ruhig: „Das kommt vor. Ich konnte auch nach einer Rückführung Schmerzen als Pfeile von einst erkennen.“

Den Kopf haben wir wieder am Körper befestigt und der Schmerz dort hat sehr stark nach gelassen, meine Flügel konnte ich wieder ausbreiten und irgendwo hallen ihre Worte wieder. Rückführung - Eso-Alarm schreit die Skeptikerin in mir, Neugier empfindet die Suchende, denn egal wohin so etwas führt, ob Fantasie oder Erinnerung, die Geschichten wären in mir für mich…ich werd sie wohl um eine Adresse bitten….

Alpbach7
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25
Feb
2010

Schneedorf

Es gibt wenige Orte auf der Erde, wo ich meinem Vater so nah bin, wie hier. Zöpfe haben wir geflochten über die Hänge dieses Schigebiets und dabei lauthals falsch gesungen.

Aufgeregt saß ich als kleines Mädchen an den Wirtshaustischen der Großen und hörte ihnen zu, wenn sie die Mythen dieses seltsamen Bergdorfes erzählten. Vom Bürgermeister mit den zwei Frauen, eine die Gattin, die andere, deren Schwester, die Mutter der einzigen Erbin. Eine starke Frau, der ich auch im Naikan begegnen durfte. Kinderfreundschaften, die nie wachsen konnten, weil wir ja doch wieder nach Hause fuhren. Jedes Mal von vorne beginnen und doch lachende Schiabfahrten, querwaldein und Silvesterfeiern im Dachgeschoß der britischen Millionärin, die Kinder schwer ertrug. So feierte ich mit der Hausmeisterfamilie, während die Eltern unten in Gesellschaft weilten. Mein Papa aber hat mir geholfen, Rußseifen zu verteilen - auch wenn er sie wohl kurz später wieder weg geräumt hat. Die reiche Britin hatte einen zarten Namen und war mit einem Verleger verheiratet, der Pilot im zweiten Weltkrieg war. Nie werde ich den Abend vergessen, als er und der Fremdenverkehrsmanager, der mir beigebracht hatte mit dem Daumen in der Backe zu ploppen, fest stellten, dass sie eine Luftschlacht gegeneinander geflogen waren. Das Grab des Nobelpreisträgers, der den Tausender zierte und dessen Katze mich erst Jahre später erreichte und nie mehr ganz losließ. Der Autor (und Klient), dessen Herren Call-Girls mir einst der Vater ans Herz gelegt hat. Briten und Bergmenschen. Und auch Altösterreich. Die Verlegerfamilie, die für den Ort so viel getan und deren einer Sohn war eine Zeit lang Teil unseres Lebens. Wir treffen uns eher in der Berggasthöfen hier als in der Stadt, in der wir alle wohnen. Noch immer ein Poet mit wunderbarer Frau und ebensolchen Kindern. Mit dem Moser war ich nie herinnen, obwohl er nicht weit von hier geboren und am Eingang des Tales begraben ist. Der Sepp ist von hier in die Welt aufgebrochen, um sie einzukochen. Auch wir waren nie gemeinsam da, aber dieser Ort war Teil unserer Verbindung.

Es ist schon ein besonderer Fleck hier. Nicht weit von unserem Zimmer im traditionsreichsten Haus am Platz hat mein Vater einen Kirschbaum gepflanzt, ein Monat vor seinem Tod. Noch immer flechte ich Zöpfe mit ihm auf unseren Lieblingspisten.

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15
Feb
2010

Quellgemurmel

Sie war eine der Ersten. Seit zwei Jahren halte ich Seminare für Menschen aus den sozialen Diensten. Bezahlt von der Gewerkschaft, ArbeiterInnen, AltenhelferInnen, KindergartenhelferInnen, LiebesarbeiterInnen, irgendwie. Seelenvolle, gebende Menschen, schlecht bezahlt, unbedankt, aufgerieben zwischen Klientel, Angehörigen und Systemen. Extrem Burnout gefährdet. Wer dieses Seminar bucht, hat das Schlimmste hinter sich oder weit genug vor sich. Ein, zwei werden mit geschleppt, die Bedürtftigsten sind nur „wegen einer Freundin hier“.

Sie war im ersten Kurs. Sie hatte alles hinter sich. Renate, die Wiedergeborene. Wiedergeboren als starke, selbst bestimmte Frau, Betriebsrätin. Da, „weil ich alle Kurse besuche, lernen, lernen, lernen will, ausgebrannt war, andere schützen will.“ Sieben Leben, wie eine Katze, Tausend Tode. Mißbrauchtes Kind, Alkoholiker-Eltern, -Mann, Gewalt, Verletzungen und Vogel aus der Asche. Feuerladies heißt das Foto, dass wir damals geschossen haben und wir brennen …nicht aus sondern ewig.

Heute war wieder so ein Abschiedsabend mit Steinen, Murmeln und Gesprächen und den kleinen Mädchen, die wir einmal waren. Vier Abende zu drei Stunden hatten wir Leben und Lieben erkundet, wahr genommen, was Kraft gibt und raubt und uns ausgetauscht, Lebenswelten erschlossen, Strategien verglichen, geheime Zeichen vereinbart. Ich bin nur die Bergführerin, weiß, was zu tun, wenn das Wetter schlecht ist, weise auf Wunder hin und halte die Expedition bei Laune. Und wir sind wieder einmal weit gekommen: Die zukünftige Ex-Frau, die noch immer nicht von ihm lassen kann, die rumänischen Schwestern, so leidenschaftlich engagiert die Ältere, so lasziv gelassen die Jüngere, mein Sonnenschein, optisch fast geschlechstlos und little Buddah in der Simmeringer KiTa, die kleine Stille voll schlängelnder Schlauheit, die Abenteurerin, deren Mann unter Wasser und an der Theke als Buddy versagt. Gelacht, geweint und geschrien. Von Renate habe ich auch erzählt, irgendwann. Ohne Namensnennung, wie versprochen.

Die Frauen haben den Tisch reich gedeckt mit selbst gemachten Aufstrichen und Krapfen und Sekt. Kindergarten in der Vorstadt. Meine Auftragsgeberin, Betriebsrätin mit beeindruckender persönlicher Entwicklung und ebenfalls „Energiequellen-Erfahrung“ erzählt mir von Renates Tod, Lungenkrebs an einem Samstag im Jänner. Die Kolleginnen waren noch bei ihr. Da saß sie dann wieder neben mir, ein Gesicht voller Leben, viel weicher Körper, schön nur in der Gelebtheit nicht im herkömmlichen Sinn, aber umso mehr strahlten diese Augen voller Menschenliebe hinter den Brillengläsern, noch immer, eine rauchige Stimme und ein trockenes Lachen. Sie hat viel erreicht in ihrem Leben, ihrer Welt, ein paar Jahre der Ernte hätte ich ihr noch so gewünscht und ich werde die Augenblicke vermissen, in denen sie mich wahrlich willkommen an ihren weichen Busen gedrückt hat, ihre Stimme, ihr Lachen.Eine, die Renate heißt, kommt wieder. Bis dann.

FriedhofHall2
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13
Feb
2010

Blue Valentine

Ich fremdl in meinem Leben. Ich drück mich in den Ecken herum, wage es kaum Platz zu nehmen, bewege mich leise und vorsichtig, alle Sinne geschärft; ich finde mich in den Schränken nicht zurecht, stolpere über Dinge, die immer schon da waren. Ich finde den Lichtschalter nicht und die Fernbedienung. Wo werden hier die Gebrauchsanleitungen aufbewahrt? Wie sind die Programme gespeichert? Nichts berühren, verändern. Diskret.Und leise.

Dann lauf ich durch die Straßen auf der Suche nach mir. Vor dem Narrenturm bleibe ich stehen. Der Guglhupf.

Apropos: Morgen ist Valentinstag, sagen sie.

Mess1
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2
Jan
2010

Prosit Neujahr

Am Neujahrtstag in der Berliner U-Bahn besteht die Welt nur aus Paaren: Touristen, Pensionisten, alle im Zweiergespann. Sogar der Stadtstreicher in kurzen Hosen umgeben von seinem Hab und Gut in Tüten, wie man hier die Sackerln nennt, ist nicht allein, sondern ins Gespräch vertieft mit einem jungen Mann. Schritt für Schritt nimmt die Stadt mein Herz ein. Das hängt wohl auch mit den Menschen hier zusammen und so haben schließlich doch all jene recht behalten, die mir das prophezeit haben, aber warum auch nicht.

Auf dem Schnee wirken die Spuren der Nacht wie Gemälde, Raketenspitzen machen auf Paul Klee, abgebrannte Abschussrampen erinnern an Ruinenbilder aus Fernsehdokus, eine Rose ist erfroren, ein Paar Stiefel steht verloren herum – wie ist seine Besitzerin wohl heim gekommen? Die Bärinnen Schnute und Maxi bleiben in ihrem Zwinger, vor dem Märkischen Museum feuere ich O-Töne in die Winternacht, Zeitdokumente, Geschichte zum Hören, der Erstgeborene hätte seine Freude dran.

Abends dann vermischen sich meine Welten. Und das tut gut. Grade noch von den Engeln und Heiligen gesprochen, die ich in den protestantischen Kirchen hier nicht finde, dafür überall sonst in der Stadt und schon nimmt uns ein wunderbarer Würgeengel unter seine Flügel: Herrn Schneck, Frau Anousch, den Gatten und mich. Von Anfang an sitzt Freundschaft mit am Tisch und wächst mit jedem Wort.

So oft berührt von Worten und jetzt mit Händen, so oft gelesen und jetzt gehört, so oft ins Herz geschaut und jetzt in die Augen, miteinander getrunken, gelacht, gesprochen, irgendwie wie immer schon, frühmorgens erst heim gekommen, trunken von Glück und Wärme und Wein – das fängt ja gut an, das neue Jahr, das kann so bleiben. Danke, liebes Leben, danke liebe Menschen.

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31
Dez
2009

Real Life

„Ich hoffe das mitunter rüpelhafte Berlin hat Sie bestens empfangen“, schrieb sie mir, als ich sie um ihre Telefonnummer bat. Ich hatte gezögert, überlegt, ob ich das wollte, Blog und Real Life vermischen. Zudem ich auch mit dem Gatten in die Stadt gefahren war, um Silvester zu feiern. Aber mit ihr habe ich bereits gemailt – und Berlin war alles andere als rüpelhaft. Ganz im Gegenteil: Die Stadt präsentierte sich ganz in weiß, als ich sie anrief, gestern früh. Und die Stimme klang, so vertraut wie die Sprache. 13 Uhr am Brandenburger Tor – im Osten, sagte sie - verabredeten wir uns. Ich war nervös, aufgeregt, unsicher – und plötzlich stand sie vor uns: die wunderbare Anousch mitten im Schneegestöber, blond und zart und strahlend. Und sie zeigte uns ihr Berlin, sogar ihre Wohnung in Neukölln und war so vertraut und so nah. Mehr als zwölf Stunden später trennten wir uns schließlich, der Chauffeur war dazu gekommen und zu viert aßen und tranken und redeten wir, so vertraut, so herzlich, so nah, draußen fiel weiter Schnee. Und ich war glücklich.

Fast schien es, als wollte das alte Jahr mir noch etwas sagen: „He, ich bin gar nicht so übel, oder?“

Ein Wunder–volles ZwanzigZehn Euch allen..

„O, wonder! How many goodly creatures are there here! How beauteous mankind is! O brave new world, that has such people in't!“

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25
Dez
2009

Wein-Nacht

Weihnachten ist Tradition, bestätigt mir Herr Steppenhund in seinem Kommentar. Tradition ist auch der Blick meiner Mutter auf ihr Weihnachtsgeschenk: „Oh…“ Seit ich sie zu Weihnachten beschenke, kann ich mich an keine andere Reaktion erinnern. Irgendwie war es nie das Richtige. Schon wegen Weihnachten. Denn es ist auch Tradition, dass sie dieses Fest hasst und verflucht – das habe ich ziemlich schnell begriffen, nachdem ich aufgehört hatte an das Christkind zu glauben. Beziehungsweise so zu tun als ob. „Ich hasse Weihnachten“, dieser Satz der Mutter hat mich seither durch jeden Advent begleitet. Tradition, eben, wie anderswo Vanillekipferln oder italienischer Salat.

Früher einmal haben wir am 24. Dezember vormittags Champagner getrunken, Papa, der reiche Onkel H und ich, der Teenager. Echten Champagner im Stammlokal des Vaters und seine Kartenrunde hat mit mir geflirtet. Er war stolz auf mich, ich auch. Eine Zeitlang war das unsere Tradition. Ein paar Mal bin ich mit ihm gefahren, Blumengestecke und Geschenke ausführen, Weihnachtswünsche überbringen beim Hausarzt und anderen. Auch das liebte ich, Vater und Tochter als Weihnachtsboten.

Bei Frau M. war ich auch oft mit, der kleinen zarten Frau, die Papa mit aufgezogen hat damals im Krieg, als sein Vater Gauverbot hatte und seine Mutter zwei Mal beinahe weggebracht worden wäre. Nach dem Krieg sind die Großeltern nach Kärnten gegangen und der Fünfzehnjährige blieb hier im Haus mit Frau M. Winzig war sie wie alle wichtigen Frauen im Leben dieses so großen Mannes, seine Mutter, meine Mutter. Frau M. war später der gute Geist der Nudelfamilie geworden und so besuchten wir sie einmal sogar in der Villa, wo sie das Weihnachtsessen für diese Familie zubereitete, später in ihrer kleinen Wohnung hinter der Fabrik. Steil führten die Treppen hinauf und oben gab es immer Eierlikör, Neapolitaner und Schokolade für den Buben, der mein Vater geworden war. Diese Besuche bewegten ihn und machten ihn verlegen und ich erinnere mich, dass ich oft das Reden mit Frau M. zur Gänze übernommen habe. Zwei, drei Mal besuchten wir sie auch im Altersheim. Das war ihm unangenehm. Er mochte weder Heime noch Krankenhäuser. Ich weiß nicht, ob Papa mir von ihrem Tod erzählt hat. Irgendwann besuchten wir sie nicht mehr zu Weihnachten.

Eine Zeitlang durfte ich den Baum aufputzen, später hat das Mama wieder übernommen. Gerne hätte ich etwas gekocht, als das Kochen zu meiner Leidenschaft wurde, aber ich würde bloß Unordnung in Mamas Küche bringen, daher durfte, darf ich das nicht. In manchen Jahren gingen wir in die Christmette, in anderen nicht. Einmal – da war ich frisch in Wien – hat sie mir einen Adventkalender geschickt, mit 24 Packerln, den füll ich noch immer an für den Liebsten.

Mehr als einmal fuhren wir auch nach Gnadenwald, Papsch und ich, gingen dort in die Kindermette. Wir suchten Gnade. Daheim tobte die Mutter. Sie mag das Fest halt nicht, warum auch immer. Über Weihnachten früher in ihrer Ursprungsfamilie hat sie nie gesprochen, über die Weihnachtsfeste mit meinen Großeltern väterlicherseits nur voller Hass. Eine Gans hätte der Großvater sich eingebildet und sie hätte die Arbeit gehabt, verstopfte Abflüsse und so viel Zorn noch zig Jahre später. Auch gestern wieder. Und eben das falsche Geschenk.

Verzweifelt suche ich nach den Spuren meiner Kindheit, wenn ich hier bin. Doch es scheint als hätten wir – Mama und ich – kaum gemeinsame Erinnerungen daran. Erzähle ich, widerspricht sie, sie selbst erzählt fast nie vom Kind, das ich war. Irgendwann einmal hat sie gesagt, sie hätte sich mich aus der Seele gerissen, als ich nach Wien gegangen bin, wohl sehr gründlich…das kleine Mädchen in mir kämpft trotzdem weiter um die Liebe der Mama. Mit dem falschen Geschenk, verzweifelte Tradition.

Und es weint um den Vater. Und unser Weihnachten.

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19
Dez
2009

Mein Weihnachten

Ich spür es noch immer, mein Weihnachten, im Herzen und auch ein wenig tiefer, im Magen. Das nimmt nicht weiter Wunder, haben wir doch bis gestern 6 Uhr früh gefeiert, die Lieblingsmenschen, der Gatte und ich.

Jedes Jahr am 17. Dezember findet mein Weihnachten statt. Anlass dafür war wohl, dass die Mutter daheim in Tirol Weihnachtshasserin ist und ich ein Bäumchen, Kugeln, Schokoschirmchen, Sternspritzer und Kerzen liebe. Und so haben wir irgendwann begonnen unser eigenes Weihnachtsfest zu feiern, eine Weihnachtsparty mit Christbaum und Bescherung. 50 Schilling, nicht mehr, nicht weniger, 3,63 Euro, muss ein Weihnachtsgeschenk kosten, das unter dem Baum zu deponieren ist. Die seltsamsten Schätze haben hier schon ihren Besitzer gewechselt und es ist spannend zu sehen, was man für das Geld so bekommt, in den mehr als zehn Jahren, die es unser Weihnachtsfest schon gibt.

Zu Essen gibt es, wie in meiner Heimat Tradition, Nudelsuppe mit Würstel und für die Vegetarier Rote-Linsen-Suppe, Salate und Kekse von der allerbesten Schwiegermutter. Bereits am 16. haben wir einen wunderschönen Baum erworben und während die gute Rindssuppe am Herd vor sich hinköchelt, beginne ich das Bäumchen zu schmücken und endlich mitten im Trubel und Stress, ausgepowert und unglücklich fängt Weihnachten in meinem Herzen an.

Schon um acht Uhr früh am nächsten Tag stehe ich in der Küche und bereitet Germteig für das Brot – zwölf Stunden später kommen die ersten Gäste. Manche von ihnen sehen wir, sehen sich nur an diesem 17. Dezember.Im Lauf der Jahre haben sich Menschen aus verschiedenen Lebensepochen zusammen gesammelt, wer einmal da war, darf immer wieder kommen und auch wenn ich jedes Jahr am späten Nachmittag noch einmal fürchte, dass diesmal vielleicht niemand auftauche, trudeln sie doch alle ein. Fast alle, der Moser fehlt, schon das zweite Jahr, manche sind verhindert, andere haben gar nicht erst auf die Einladung reagiert. Und doch sind alle da, irgendwie auch der Moser.

Ich flirre aufgeregt durch die Räume und freu mich, die Menschen, die mir so viel bedeuten, miteinander zu sehen. Um Mitternacht dann wird beschert, Kerzen brennen am Bäumchen, wir halten Sternspritzer in den Händen und greifen und kleine und größere Päckchen, das ist dann meist ein großes Hallo, Schenker und Beschenkte finden zusammen und freuen sich an Räucherkerzen, Brieföffnern oder Luftmatratzen.

Und dann verlieren sich die Erinnerungen, ein wenig getanzt, da oder dort gesprochen, viel gelacht und umarmt…glücklich sehe ich, sehen wir auf den Bildern aus. Sogar der Schnee ist leise gerieselt, meine Weihnachten waren weiß. Und wenn ich jetzt durch die Wohnung gehe, dann kann ich sie noch sehen, die Freundinnen und Freunde und ich freu mich schon auf nächstes Jahr, Weihnachten.

XMasbaer
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

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katiza - 18. Feb, 16:53
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katiza - 22. Feb, 15:42
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