26
Dez
2011

Still und starr ruht der See

„Magst du die Mama überhaupt?“ fragt die Mama. Das Kind schluckt. „Ja“, sagt es und „Ich liebe dich, Mama.“ Im Kindskopf geht es rund. Die nicht gesagten Worte knallen gegen die Wände. Wäre ich sonst hier? Und es ist gerade erst Halbzeit. Würde ich sonst die Haare streng zurückbinden, wie du es liebst? Zu Kleidungsstücken greifen, die du magst und mich freuen, wenn du mich hübsch findest? Mich, mein Leben, mein Sein, meine Wünsche verschweigen?

Gerade eben hatte die Mutter gesagt, dass sie sich einen Germguglhupf wünsche, wie von ihrer Mutter. Das hat sie schon früher gesagt, einmal vor einem Jahr etwa hat das Kind sogar einen gebacken, im Flugzeug mitgebracht, voller Vorfreude und begleitet vom Lächeln freundlicher Stewardessen, die gerührt waren vom originellen Handgebäck. Er hat nicht wirklich geschmeckt, wie er schmecken sollte, wie auch, war ja ein Kindertraumgugelhupf der Mutter, niemals würde ein Gugelhupf wohl wieder so schmecken, vielleicht kann sie sich deswegen nicht mehr daran erinnern, vielleicht erinnere ich mich deswegen so gut daran.

Sie spricht viel von ihren Eltern, der harten Kindheit, Opfern, Leiden, längst vergangenen Zeiten. Von „unserer“ Zeit spricht sie nie. An meinem Leben interessiert sie nur die äußere Form. Ich hab mir vorgenommen, ihr nicht vom Einen zu erzählen, um ihn, um mich, um uns, um die Liebe zu schützen, auch wenn es schwer fällt, weil ich so glücklich bin, das Glück gern teilen würde und ihm irgendwann mein Leben hier zeigen. Doch ich weiß, dass sie ihn, ihr Wissen benutzen würde, um mich zu verletzen, so schweige ich. Sie fragt auch nicht und so muss ich nicht lügen.

In der Weihnachtsnacht entkomme ich kurz. Zum Gotlkind darf ich, der kleinen Mimi und ihrer Familie. Die Kinder lachen und Prinzessin Mausezahn lädt mich ein, oben in ihrem Stockbett zu schlafen. Das ist mein schönstes Weihnachtsgeschenk, die Nacht im Kinderzimmer, im Stockbett, das hustende Mädchen unter mir. Die Erwachsenen machen mir Angst, ihre Bitterkeit, die Härte und da wie dort ist es wie Gehen auf dünnem Eis.

Still und starr ruht der See, dort wo ich meinem Vater begegne. Ihm erzähle ich von meinem Glück, meinem Leben, meiner Liebe und von damals, als ich Kind war. Und es scheint, als wäre er der Einzige hier, der sich an mich erinnern kann.

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"Mag die Mama mich überhaupt?" fragt sich das Kind... schon lange.
1359 mal erzählt

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steppenhund - 26. Dez, 09:06

Da fällt mir nur das ein.

katiza - 26. Dez, 10:11

Mir sind die Menschen nicht zwider, Herr Steppenhund, im Gegenteil. . Das habe ich von meinem Vater gelernt (und auch von meiner Mutter),: Die Menschen zu lieben, zu achten, zu respektieren. Mit Fremden tut sich die Mutter da leichter....

Übrigens die großartige Esther Phillips ist die zweite Sängerin, die meine Mimi für ihre Schallplattensammlung bekommt, letztes Jahr war es Nina Simone....

steppenhund - 26. Dez, 10:14

Das war ja auch nicht auf sie gemünzt sondern auf Menschen, denen man erst eine solche Frage stellt.

la-mamma - 26. Dez, 10:50

es gibt mamas, die können es einem einfach nicht zeigen, dass sie einen mögen. aber irgendwie tun sie's schon auch. ganz bestimmt.

katiza - 26. Dez, 11:00

Oh, ich bin davon überzeugt, dass meine Mutter ihr Kind mag, Madame, und manchmal sogar mit mir verwechselt ;-).....

walküre - 26. Dez, 13:35

Es ist unmöglich, das eigene Kind zu lieben, wenn ein Vater/eine Mutter sich selber, sein/ihr eigenes Leben nicht leiden mag. So tragisch dieser Satz im Kontext familiärer Verstrickungen scheint, so wohnt ihm doch ein Schlüssel zu innerer Freiheit inne.

katiza - 26. Dez, 14:15

Da haben Sie wohl recht, Frau Walküre und beste Feiertagswünsche....

testsiegerin - 26. Dez, 17:48

Ehrlich, mir kommen jedesmal die Tränen, wenn ich so etwas lese oder höre.
Für mich ist das unfassbar.

Letztens las ich auf einer Internetseite gute Tipps, wie man mit schwierigen Situationen umgehen kann. Leave it, love it or change it.

Und beim "Love it" stand folgendes:

Was vielen hilft, ist der Gedanke. „Das ist jetzt einfach Training für mich.“
Oder falls Sie lieber spiritueller an die Sache herangehen möchten, dann sagen Sie sich einfach: Dieser Mensch ist ein Engel, der mir geschickt wurde, um etwas Bestimmtes zu verstehen oder zu lernen.
Danke, dass du mir durch deine Art dabei hilfst, als Mensch zu wachsen.“

Ich denk mir das jetzt manchmal bei einer Kollegin... ob es hilft, weiß ich noch nicht, es bringt mich aber auf jeden Fall zum Lachen. Mit der eigenen Mutter ist es natürlich viel schwieriger. Marathontraining ;-)

katiza - 27. Dez, 00:16

Liebe bezaubernde B., wie recht Sie haben - ich nenne es nicht umsonst für mich Zen oder die Kunst meine Mutter zu lieben - wie im Jujukinkai oder im Naikan übe ich mich in Willenlosigkeit, im Loslassen. Ich lasse sie entscheiden, bringe meinen krakelenden Affengeist zum Schweigen und denke an die anderen 350 Tage im Jahr, an denen ich mein Leben selbstbestimmt leben kann, wenn ich will sogar mit Meditation und Zazen. Ich betrachte es als Übung, werde mir klar darüber, wieviel Glück ich habe, erlebe und empfinden kann und dass das bei all dem Wahnsinn auch ein wenig aus ihrem Leben/Seiin kommt, dass da ja auch was richtig gelaufen ist, sonst wäre ich nicht der Mensch der ich bin mit all meiner Kraft und Liebesfähigkeit - nur manchmal weint mir das einsame kleiine Mädchen die Ohren voll. Dann schrei ich mein Leid in Staben gekleidet hinaus, bis ihr mir den Kopf streichelt und meine Wunden leckt. Danke dafür!

Sternenstaub - 27. Dez, 05:29

liebe Frau Katiza, es ist so eine Sache mit den Vorahninnen und Vorahnen ...

meine zB war auch immer eine, die nie zeigen konnte, die nicht wusste wie ... eigenartigerweise, find ich sie - jetzt nachdem der Herr Vorahn nimma is - fast zugänglicher, offener ....

ich kenn auch ihre Geschichte und denk, sie kann halt auch ned raus, aus ihrer Haut ....

deine liebt dich sicher, aber das Zeigen, das is halt so ne eigene Sache, ich glaub manchmal, das habens irgendwie ned gelernt ... auf jeden Fall wünsch ich alles sternverstaubt Liebe !!!

katiza - 27. Dez, 11:39

Liebe Frau Sternenstaub, meine Mama musste viel Schreckliches erleben, das ist mir bewusst und das ist auch der Grund, warum ich sie täglich anrufe und jetzt 9 Tage hier bin und versuche ihr alles recht zu machen, wiewohl ich weiß, dass das niemals gelingen kann. Ich weiß auch, dass ich ihr wohl einfach zu nahe bin und sie sich leichter tut, andere - Cousins, einen Pfleger, eine koreanische Freundin - an Kindesstatt zu lieben und dass sie mich eh liebt und es halt anders zeigt, ich hadere nicht mit ihr (oder so selten wie möglich) aber zu Weihnachten kommt das kleine Mädchen in mir raus und das weint manchmal bitterlich....in zwei Tagen bin ich wieder am Vorderdeck mit dem 1. Offizier und Piratenkönigin und die Seeschlangen der Erinnerung tauchen wieder unter im Ozean...
marschallin - 28. Dez, 13:44

seeruhsam zwischen den wellen seien ihre tage dennoch!

katiza - 28. Dez, 14:57

So sonderbar die Zeit auch ist, bei Zeus, Marschallin...

marschallin - 29. Dez, 13:02

;)
Jossele - 28. Dez, 14:45

Ja, meistens lieben Mütter (und auch Väter) ihre Kinder, aber selten enspricht ein Kind den Vorstellungen der Erzeuger, also liebt man halt mitunter aneinander vorbei.

katiza - 28. Dez, 15:00

Liebt man aneinander vorbei...da haben Sie recht Herr Jossele...

rinpotsche - 29. Dez, 13:14

Mitunter braucht es ein ganzes Leben und darüberhinaus, bis Biologie und Anspruch sich eingeholt haben. Man könnte allerdings auch seine sich irgendwann einstellende Reife nutzen, und das tränengefüllte Lapidarium mit einem freundlichen Wesen besetzen, nicht wahr?
katiza - 29. Dez, 14:36

Wohl wahr, Frau Rinpotsche und meistens bin ich reif genug, dass mir das gelingt, aber zur Weihnachtszeit im Elternhaus ohne den geliebten Vater, tu ich mich manchmal hart damit. Da erschleich ich mich durch Befindlichkeitsbloggen virtuelle Zuneigung... die Tränen sind getrocknet und ich lächle am Weg zurück in mein Leben.Ich liebe meine Mama, das können Sie mir glauben ...auch dass ich (meist) ein reifes und freundliches Wesen an den Tag lege

rinpotsche - 29. Dez, 19:24

Als ich mir den Kommentar überlegte, hatte ich in erster Linie nicht Sie, sondern das Verhalten Ihrer Mutter ansprechen wollen, das mir im Übrigen recht bekannt vorkommt. Nach meiner Theorie begründet sich das meiner Mutter in einem Besitzdenken mir gegenüber, eine Art Erwerbung, die eben Mängel aufwies (Imperfekt, sie lebt seit neun Jahren nicht mehr, und das grundsätzliche Schuldbewusstsein ließ ich mir einigermaßen wegtherapieren), die nicht inkauf genommen werden wollten. Wann diese zutage traten und wie genau die aussahen, weiß ich bis heute nicht.
Jedenfalls war sie eine gebildete und erfolgreiche Frau, die sich ihre Ablehnung meiner Person durchaus hätte einmal bewusst werden können. Vielleicht, bzw. später sicherlich, handelte es sich auch um eine furchtbare Form des Neides, denn nach außen hin prahlte sie mit meinen Leistungen. Ein Langzeitteufelskreis, denn meine Mühen resultierten aus der permanenten Unzulänglichkeit, die sie mir hart reflektierte.
Sie starb jämmerlich aus dem Koma heraus, so dass wir uns auch zum Ende hin nicht über unsere eigentlichen Sehnsüchte unterhalten konnten. Bedauerlich, aber ehrlich gesagt, hatte ich in ihrer Gegenwart kaum mehr Sehnsucht formulieren können, als die nach Flucht. Es bleibt also für alle meine Zeit ein Wunschdenken.
Immerhin war sie eine gute Oma zu meinen Kindern, die ich nicht besitze -soviel habe ich gelernt.
katiza - 30. Dez, 15:15

Oh, ertappt, noch ganz im Bann der Mutter stehend habe ich - schuldbewusst (pathtischer Verrat an der Mutter im Netz, Jammerblogging, schwieriger Abschied "Hätte ich doch ein anderes Kind, einen Sohn...") - alles auf mich gemünzt, mein eigenes Lapidarium mit Worten aufwischend. Ja, es ist wohl viel Neid in diesem Zorn, der Verzweiflung. Das habe ich gestern Abend auch im Gespräch mit einer Freundin reflektiert. Nie konnte sie das Leben leben, das ich lebe und das, das sie wollte, kann ich nicht leben, weil weder sie noch ich wissen, wie es ausgesehen hätte.

Auch meine Freundin hat eine Tochter, die jetzt so alt ist wie unsere Freundschaft, ihr tut einen guten Job, ihr lebt euer Leben und begreift, dass ihr eure Kinder nicht besitzt (oder besetzt, wie ich es in meinem Falle nennen möchte...Ein gutes, glückliches, Wunder- und Liebe-volles neues Jahr, Ihnen liebe Frau Rinpotsche, vielleicht treffen wir uns ja mal im wirklichen Leben....

rinpotsche - 30. Dez, 18:50

Tja, in der Jungsform wären wir wahrscheinlich keinen Deut besser, aber das wissen nur wir;)
Meine Neugier habe ich mir selbst bewahrt -besonders auf Sie, Katiza, und die soll, zusammen mit meinem fest aus der Luft gegriffenem Selbstbewusstsein, einen Teil meiner guten Wünsche für Sie ins Neue Jahr ausmachen! ;)
diefrogg - 4. Jan, 22:37

Ich versuche mir...

gerade vorzustellen, wie Ihre Mutter das gefragt hat, frau katiza. Fragte sie eher aus einer eigenen Verunsicherung, aus Angst, ihrer eigenen Tochter nicht zu genügen (es gibt ja sehr verunsicherte Eltern, und dann wäre die Geschichte einfach nur traurig)? Oder hatte die Frage einen moralisierend-pädagogischen Unterton oder Zweck? Im Stil von: "Jetzt hast Du schon wieder nicht getan, was ich Dir gesagt habe! Magst Du die Mama überhaupt?" Dann wäre sie einfach eine - mit Verlaub, es ist ja Ihre Mutter - hundsmiese Erzieherin.

Das Gemeine ist: Auch wenn letzteres der Fall wäre, und man "einfach" drüber stehen könnte: "Einfach" ist es eben doch nicht. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob man je länger als zwei Momente lang erwachsen genug ist, um über den Schwächen seiner Eltern zu stehen.

Weberin - 10. Jan, 11:48

spätestens dann, wenn man Mutter wird (respektive Vater) sollte Mensch versuchen, erwachsen zu werden, das heißt aufzuhören, sich selbst über alle anderen zu stellen, sich selbst und seine Gefühle wichtiger zu nehmen als die anderer (wenigstens als die seiner Kinder!) Mich macht es wütend, wenn ich so etwas lese, weil mich alles wütend macht, was Kinder verletzt.
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